Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinserteilung
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 2359 BGB darf das Nachlassgericht oder das im Beschwerdeverfahren an seine Stelle tretende Landgericht die Erteilung eines Erbscheins anordnen, wenn es nach freier Überzeugung die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Die Feststellung der erforderlichen Tatsachen und deren Würdigung obliegen dem Gericht der Tatsacheninstanz (§ 2358 BGB, §§ 12, 15 FGG). An dessen tatsächliche Feststellungen ist das Rechtsbeschwerdegericht gebunden, sofern sie nicht verfahrenswidrig zustande gekommen sind.
2. Gemäß § 12 FGG können Urkunden und Gutachten, die sich in beigezogenen Akten befinden, im Wege des Freibeweises verwertet werden.
3. Um einen Erbschein aufgrund eines Testaments zu erteilen, ist voller Beweis dafür erforderlich, dass der Erblasser das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben hat (§ 2247 Abs. 1 BGB). Die Beweismittel müssen somit die volle Überzeugung des Gerichts von den zu beweisenden Tatsachen begründen.
Normenkette
BGB § 2247; FGG § 15
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 29.01.1987; Aktenzeichen T 222/86) |
AG Deggendorf (Aktenzeichen VI 558/85) |
Tenor
I. Der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 29. Januar 1987 wird aufgehoben.
II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Deggendorf zurückverwiesen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf je DM 151.659,– festgesetzt. Insoweit wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 23. März 1987 abgeändert.
Tatbestand
I.
Am 4.9.1985 verstarb in Deggendorf der ehemalige Schreiner F. X. K. (Erblasser) im 74. Lebensjahr. Er hatte keine Kinder. Seine Ehefrau ist im Jahre 1982 verstorben. Die Beteiligte zu 2 ist die Schwester des Erblassers. Die Beteiligten zu 1 und 3 bis 5 sind seine Halbgeschwister. Sie stammen aus der zweiten Ehe seines Vaters.
Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Wohnhaus mit Garten in Deggendorf sowie Bankguthaben in Höhe von ca. DM 54.000,–. Insgesamt hat er laut Nachlaßverzeichnis nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten einen Wert von DM 252.765,67.
Nach dem Tode des Erblassers legte die Beteiligte zu 1 dem Nachlaßgericht zwei gleichlautende Schriftstücke vom 13.8.1982 vor. Diese hatte die Tochter der Beteiligten zu 1, E. Z., im Auftrag des Erblassers geschrieben. Sie sind vom Erblasser sowie der Beteiligten zu 1 unterzeichnet und haben folgenden Wortlaut:
„13.8.82
Nottestament
Ich setze als meine Alleinerbin meine Schwester, Frau E. N., geb. K., geb. am 31.10.31, in Gütergemeinschaft lebend, ein. Als Ersatzerben gelten deren Töchter, E. Z., geb. N., geb. a. 10.6.56 E. S., geb. N., geb. a. 22.6.61 Dieses Nottestament gilt bis zur notariellen Testamentsbestimmung. Falls kein notarielles Testament gemacht wird, gilt allein dieses Nottestament.”
Außerdem legte die Beteiligte zu 1 einen karierten Zettel (im Format ca. 14,5 × 15 cm) vor, auf dem mit schwarzem Faserschreiber folgendes geschrieben ist:
„Deggendorf 21.3.84. Testament X. K. g. 17.11.1911 möchte nach seinem Tod seine Schwester E. N. zur Alleinerbin einsetzen.
X. K.”.
Die Beteiligte zu 1 beantragte beim Nachlaßgericht Deggendorf, ihr einen Erbschein als Alleinerbin auf Grund des Testaments vom 21.3.1984 zu erteilen. Die Beteiligte zu 2 beantragte einen Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge, der sie neben ihren Halbgeschwistern als Miterbin zu 6/10 ausweist. Sie behauptet, der Erblasser habe das Testament vom 21.3.1984 weder geschrieben noch unterzeichnet. Es sei erst nach dem Tode des Erblassers geschrieben worden.
Das Nachlaßgericht hat die Beteiligte zu 1, deren Ehemann, die Beteiligten zu 3 bis 5 sowie die Zeugin Helene Kramheller, eine Schwägerin des Erblassers, persönlich angehört.
Die Beteiligte zu 2 äußerte sich schriftlich. Außerdem hat das Nachlaßgericht die Erstattung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens durch das Bayerische Landeskriminalamt angeordnet: „Stammen das Testament vom 21.3.1984 … und die von der Schwester des Verstorbenen vorgelegten Schriftstücke … vom selben Urheber; entspricht das Alter der Schrift dem Datum des Testaments oder wurde das Testament in neuerer Zeit geschrieben.” Das Landeskriminalamt erstellte am 24.1.1986 ein Gutachten des Inhalts, daß auf urkundentechnischem Wege nicht gesagt werden könne, ob die Urkunde am 21.3.1984 oder erst später gefertigt worden sei. Wegen Überlastung wurde der Auftrag zur schriftvergleichenden Untersuchung nicht angenommen. Daraufhin übersandte das Nachlaßgericht die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Deggendorf „zur Durchführung weiterer Ermittlungen”. Die Staatsanwaltschaft hatte auf die Strafanzeige eines Nachbarn des Erblassers ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung bezüglich des Testaments vom 21.3.1984 eingeleitet. Sie ließ das Landeskriminalamt durch die Kriminalpolizei mit der Gutachtenerstattung beauftragen. Nachdem das Landesk...