Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn keiner der im Klageweg in Anspruch genommenen Streitgenossen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts rügt, kommt unter Umständen eine Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO in Betracht.
2. Davon ist dann auszugehen, wenn einer der Streitgenossen keine Stellungnahme zum Verfahren abgibt, das angerufene Gericht sich aber unter Hinweis auf seine fehlende örtliche Zuständigkeit auf einen der Streitgenossen außer Stande sieht, gegen diesen ein Versäumnisurteil zu erlassen.
Normenkette
EGZPO § 9; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, §§ 38-39
Tenor
Örtlich zuständig ist das Amtsgericht München.
Gründe
I. Die in München ansässige Antragstellerin, eine Beratungsgesellschaft für Finanzdienstleister, begehrt von dem zumindest ursprünglich im Bezirk des Amtsgerichts Esslingen wohnhaften Antragsgegner zu 1) und der zumindest ursprünglich im Bezirk des Amtsgerichts Esslingen ansässigen Antragsgegnerin zu 2) Rückzahlung einer ausbezahlten Courtage i. H. v. 4.216,76 EUR nebst Zinsen wegen einer von der Antragsgegnerin zu 2) vermittelten, aber stornierten Versicherung, wobei der Antragsgegner zu 1), der als Vorstand der Antragsgegnerin zu 2) fungieren soll, insoweit aus einer am 30. Januar 2008 abgegebenen selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch genommen werden soll. Die Antragstellerin hat am 30. Oktober 2018 beim Amtsgericht Coburg den Erlass eines Mahnbescheids beantragt und darin angegeben, ein streitiges Verfahren sei vor dem Amtsgericht München durchzuführen. Nach antragsgemäß erlassenem Mahnbescheid und dagegen eingelegtem Widerspruch ist der Rechtsstreit an das im Mahnbescheid bezeichnete Amtsgericht München abgegeben worden. Dort hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 15. Februar 2019 ihren Anspruch unter Verweis auf mit beiden Antragsgegnern getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen, die jeweils vorsähen, dass der Gerichtsstand in München liegen soll, begründet. Mit Verfügung vom 8. April 2019 teilte das Amtsgericht München der Antragstellerin mit, dass "die Klage" beiden Antragsgegnern unter einer Anschrift in Bühl im Amtsgerichtsbezirk Bühl zugestellt worden sei. Das Amtsgericht äußerte dabei Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit. Die Gerichtsstandsvereinbarung mit der Antragsgegnerin zu 2) sehe keine ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München vor. Für den Antragsgegner zu 1) sei eine örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München nicht erkennbar, zumal auch der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO bezüglich der Bürgschaft in Bühl liege. Beide Antragsgegner hätten ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des Amtsgerichts Bühl. Deshalb sei eine gerichtliche Entscheidung über die Zuständigkeit gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht möglich. Mit an das Amtsgericht München adressiertem Schriftsatz vom 17. April 2019 beantragte die Antragstellerin daraufhin, eine Entscheidung des Oberlandesgerichts München über die Zuständigkeit herbeizuführen. Mit richterlicher Verfügung vom 3. Mai 2019 legte das Amtsgericht München die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung über den Antrag vor. Die Antragsgegner hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
II. Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Amtsgericht München als örtlich gemeinsam zuständiges Gericht.
1) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist das nach § 36 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständige Gericht, zumal davon auszugehen ist, dass die Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Karlsruhe und Stuttgart) haben.
Der Antragsgegner zu 1) wohnt ausweislich der Zustellurkunde nicht mehr im Bezirk des Amtsgerichts Esslingen am Neckar, sondern in Bühl im Bezirk des Amtsgerichts Bühl. Die Antragsgegnerin zu 2) hat - ungeachtet des Umstands, dass die Anspruchsbegründung nicht unter der ursprünglich von der Antragstellerin angegebenen Anschrift in Esslingen am Neckar zugestellt werden konnte - nach dem Vortrag der Antragstellerin, der durch die Vorlage eines Handelsregisterauszugs unterlegt wurde, ihren Sitz in Filderstadt im Bezirk des Amtsgerichts Esslingen. Der Sitz der Aktiengesellschaft wird gemäß § 5 AktG durch deren Satzung bestimmt. Davon, dass es zwischenzeitlich zu einer entsprechenden Satzungsänderung gekommen ist, kann nach Aktenlage nicht ausgegangen werden.
Darauf, dass keiner der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand in Bayern hat und grundsätzlich die Zuständigkeitsbestimmung durch ein Gericht, in dem der allgemeine Gerichtsstand eines der Streitgenossen liegt, vorgenommen werden soll (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11. Dezember 2014, 2 SAF 17/14, FamRZ 2015, 1412) kommt es nicht an, da das Amtsgericht München bereits mit der Sache befasst ist (so zutreffend OLG München, Beschluss vom 10. November 2006, 31 AR 114/06, NJW 2007, 163).
2) Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ...