Entscheidungsstichwort (Thema)

Vor- und Nacherbschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Abgrenzung zwischen Nacherbfolge und Nachvermächtnis, bzw. einem rechtsunverbindlich geäußerten Wunsch des Erblassers.

 

Normenkette

BGB §§ 2100, 2177

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 07.11.1989; Aktenzeichen 4 T 1522/89)

AG Traunstein (Aktenzeichen VI 1210/88)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Traunstein vom 7. November 1989 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1 hat die den übrigen Beteiligten im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 125.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die im Jahr 1988 im Alter von 74 Jahren verstorbene Erblasserin hatte im Jahre 1962 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Darin setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen Erben ein und trafen unter III. c folgende Regelung:

„Beim Ableben des Überlebenden von uns soll unser Anwesen samt Inventar unseren gemeinschaftlichen Abkömmlingen nach Maßgabe der gesetzlichen Erbfolge zufallen. Die Bestimmung einer Nacherbfolge ist hierdurch nicht gewollt.

Der überlebende Eheteil ist jedoch berechtigt, durch Verfügung von Todes wegen unser Anwesen einem oder mehreren unserer gemeinschaftlichen Abkömmlinge zukommen zu lassen und den oder die Erwerber im Rahmen ortsüblicher Übergabebedingungen zugunsten der anderen Familienangehörigen zu belasten.”

Die Ehegatten hatten vier Kinder: den Beteiligten zu 1, die Beteiligte zu 2, die im Jahr 1965 verstorbene Mutter der Beteiligten zu 3 und 4 sowie den im Jahre 1975 verstorbenen Vater der Beteiligen zu 5 und 6.

Am 8.11.1988, sieben Tage vor ihrem Tod, verfaßte und unterschrieb die Erblasserin ein mit Ortsangabe und Datum versehenes Testament:

Mein letzter Wille

Ich … bestimme hiermit, daß mein Sohn A. (= Bet. zu 1) … zu meinem Alleinerben meines Hauses.

Mein Sohn A. … muß aber meiner Tochter B. (= Bet. zu 2) … 90.000 DM in Worten neunzigtausend Mark Erbteil geben.

Die Kinder meiner verstorbenen Tochter, … C. und D, (= Bet. zu 3 und 4), … soll jedes 20.000 DM in Worten zwanzigtausend Mark, das auf der Raiffeisenbank liegt bekommen.

Die Kinder meines verstorbenen Sohnes, … E, und F. (= Bet. zu 5 und 6), … sollen jedes 5.000,– M in Worten fünftausend Mark bekommen, das ebenfalls auf der Raiffeisenbank liegt.

Men letzter Wunsch wäre noch, da mein Sohn A. … keine Kinder hat, daß nach dem Ableben meines Sohnes mein Enkel D,(= Bet. zu 4) das Haus bekommt.

Der Nachlaß umfaßt ein Anwesen mit einem Verkehrswert von 322.260, – DM, ein Bankguthaben von 50.000 DM und ein Wertpapierdepot im Wert von 25.500 DM.

Der Beteiligte zu 1 hat beim Nachlaßgericht den Antrag gestellt, ihm einen Alleinerbschein zu erteilen. Das Nachlaßgericht hat den Antrag zurückgewiesen, weil es annimmt, der Beteiligte zu 4 sei auflösend bedingt als Nacherbe eingesetzt. Das Landgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 1 durch Beschluß vom 7.11.1989 „kostenpflichtig” zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligen zu 1.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die zulässige weitere Beschwerde ist unbegründet.

2. Das Landgericht hat ausgeführt: Das Testament sei nach § 133 BGB auszulegen. Dies gelte auch dafür, ob eine letztwillige Verfügung getroffen oder nur ein unverbindlicher Wunsch geäußert worden sei. Bitten und Wünsche in einem Testament könnten aber vielfach als höfliche Formulierung eines letzten Willens gedeutet werden. So sei es hier, weil den vorhergehenden Anordnungen noch ein letzter Wunsch angeschlossen werde. Zwischen der Formulierung „ich wünsche” und „mein letzter Wunsch wäre noch” sei nicht zu differenzieren. Dies würde regionale Sprachgewohnheiten unberücksichtigt lassen. Im altbayerischen Sprachraum sei die gewählte Konjunktivform die gängige, höfliche und verbindliche Formulierung eines ernsthaft gemeinten Wunsches. Die Argumentation des Beschwerdeführers, als Vorerbe sei er nicht in der Lage, die angeordneten Vermächtnisse ohne Belastung des Grundstücks zu erfüllen, greife nicht durch, weil der Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet sei einzuwilligen, wenn eine Verfügung zur Berichtigung von Nachlaßverbindlichkeiten erforderlich werde. Der Erblasserin sei es darauf angekommen, das Hausgrundstück im Eigentum ihrer Abkömmlinge zu erhalten. Dies ergebe die Formulierung, „da mein Sohn … keine Kinder hat” und die Mitteilung der Tochter, die Erblasserin habe gewollt, daß das Haus in der eigenen Familie verbleibe, weil der Sohn eine Frau geheiratet hätte, die zwei Kinder in die Ehe mitgebracht habe. Die Erblasserin habe selbst verbindlich die Anordnung für den Fall des Ablebens ihres Sohnes treffen und nicht ihm die Entscheidung überlassen wollen, ob er diesen Wunsch der Erblasserin erfülle. Für den Fall, daß der Beteiligte zu 1 noch selbst ein Kind bekomme, treffe die Auslegung als auflösende Bedingung einer Nacherbeinsetzung zu; andernfalls sei so...

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