Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlagung
Leitsatz (redaktionell)
Die Überschuldung des Nachlasses stellt eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft dar, die im Fall des Irrtums eine Anfechtung der Erben begründen kann. Zur Kenntnis von der Überschuldung reicht nicht aus, daß der Erbe nur das Fehlen aktiver Vermögenswerte erkannt hat.
Normenkette
BGB § 1954 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 23.10.1996; Aktenzeichen 16 T 20455/95) |
AG München (Aktenzeichen 60 VI 15988/94) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 23. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 1 bis 3 haben dem Beteiligten zu 5 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser hinterläßt drei Kinder, die 1969 geborene Tochter aus erster Ehe, die Beteiligte zu 4, und die beiden minderjährigen Kinder aus der zweiten Ehe, die Beteiligten zu 2 und 3, sowie seine zweite Frau, die Beteiligte zu 1. Zwischen den Ehegatten war der Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Eine letztwillige Verfügung des Erblassers liegt nicht vor. Die Beteiligte zu 4 hat am 16.1.1995 vor dem Nachlaßgericht die Erbschaft ausgeschlagen und die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten, weil sie erst am 12.1.1995 vom Anfall der Erbschaft und vom Berufungsgrund erfahren habe.
Mit Schreiben vom 16.1.1995 wies das Nachlaßgericht die Beteiligte zu 1 auf die Möglichkeit der Ausschlagung für sich und ihre Kinder hin. Die Beteiligte zu 1 ließ durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 17.1.1995 ein von ihr am 6.1.1995 ausgefülltes Formular für den Antrag auf Ausstellung eines Erbscheins vorlegen.
Am 25.4.1995 beantragte der Beteiligte zu 5 als Gläubiger des Erblassers unter Vorlage eines Schuldanerkenntnisses des Erblassers und der Beteiligten zu 1 vom 1.3.1993, den Beteiligten zu 1 bis 3 als Erben eine Frist zur Errichtung des Nachlaßverzeichnisses zu bestimmen. Mit Beschluß vom 17.5.1995 setzte das Nachlaßgericht den Beteiligten zu 1 bis 3 eine Frist von zwei Monaten ab Zustellung des Beschlusses. Der Beschluß wurde der Beteiligten zu 1 selbst am 26.5.1995, als gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 2 und 3 am 1.6.1995 zugestellt.
Am 19.5.1995 schlug die Beteiligte zu 1 für sich und ihre beiden Kinder die Erbschaft aus. Zugleich erklärte sie, daß sie die Versäumung der Ausschlagungsfrist anfechte, weil ihr die Möglichkeit der Ausschlagung sowie die Form und die Frist für die Ausschlagungserklärung unbekannt gewesen seien. Mit Beschluß vom 6.6.1995 genehmigte das Vormundschaftsgericht die für die Kinder erklärte Ausschlagung. Mit Schreiben vom 1. und 2.6.1995 wendete sich die Beteiligte zu 1 gegen den Beschluß vom 17.5.1995, weil sie für sich und ihre Kinder die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe. Erst Mitte April 1995 habe sie die Überschuldung des Nachlasses erkannt. Das Landgericht wies die Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 gegen den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.5.1995 mit Beschluß vom 23.10.1996, der dem Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 bis 3 am 29.10.1996 zuging, zurück. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3, die mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten am 12.11.1996 einging.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt (§ 77 Abs. 1, § 29 Abs. 3, § 17 FGG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Die Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführer ergibt sich bereits aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (§ 20 Abs. 1 FGG).
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Nachlaßgericht habe zu Recht den Beteiligten zu 1 bis 3 auf Antrag eines Nachlaßgläubigers eine Frist zur Errichtung des Nachlaßinventars bestimmt. Die Beteiligten zu 1 bis 3 könnten sich – anders als die Beteiligte zu 4 – nicht darauf berufen, nicht Erben geworden zu sein, weil die Beteiligte zu 1 die Erbschaft für sich mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.1.1995 an das Nachlaßgericht angenommen, darüber hinaus aber auch die Ausschlagungsfrist versäumt und die Versäumung der Ausschlagungsfrist nicht rechtzeitig angefochten habe.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
a) Das Landgericht ist zutreffend von der Zulässigkeit der Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 ausgegangen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1 bis 3 hat seine sofortige Beschwerde aufrechterhalten und den Antrag auf Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens nur als Hilfsantrag gestellt.
b) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, daß das Nachlaßgericht auf Antrag des Gläubigers, des Beteiligten zu 5, den Beteiligten zu 1 bis 3 als Erben eine Frist zur Errichtung des Inventars bestimmen konnte (§ 1994 Abs. 1 Satz 1 BGB). Aufgrund der Ausschlagung der Erbschaft durch die B...