Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschlagung
Leitsatz (redaktionell)
Dass ein Erbe vom Bestehen des Rechts, die Annahme der Erbschaft anzufechten, keine Kenntnis hat, steht dem Beginn der Anfechtungsfrist nicht entgegen.
Normenkette
BGB § 1954 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Beschluss vom 30.03.1992; Aktenzeichen T 230/91) |
AG Aschaffenburg (Beschluss vom 31.10.1991; Aktenzeichen VI 223/91) |
Tenor
I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 30. März 1992 aufgehoben, soweit darin über den Beschluß des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 31. Oktober 1991 entschieden worden ist, sowie hinsichtlich des Kostenausspruchs und der Festsetzung des Geschäftswerts. Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Beschluß des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 31. Oktober 1991 wird aufgehoben. Das Amtsgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1 eine neue Frist zur Errichtung eines Inventars über den Nachlaß des Erblassers zu bestimmen.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen Beschwerde und das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf jeweils 20 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Der Erblasser ist 1991 verstorben, ohne eine letztwillige Verfügung zu hinterlassen. Gesetzliche Erben sind seine drei Schwestern, darunter die Beteiligte zu 1, welche die Beerdigung besorgt und die Wohnung des Erblassers an die Vermieterin übergeben hat. Die Beteiligte zu 2, eine Kundenkreditbank, hat mit Schreiben vom 14.5.1991 gegenüber der Beteiligten zu 1 eine Nachlaßverbindlichkeit von rund 32 000 DM aus einer Darlehensgewährung geltend gemacht. Die Beteiligte zu 1 hat daraufhin durch ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten einen Antrag auf Eröffnung des Nachlaßkonkursverfahrens gestellt, den das Konkursgericht am 5.6.1991 wegen Fehlens einer den Verfahrenskosten entsprechenden Masse abgelehnt hat.
Am 19.7.1991 hat die Beteiligte zu 2 beim Nachlaßgericht beantragt, der Beteiligten zu 1 eine Frist zur Erstellung eines Nachlaßverzeichnisses zu setzen. Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom selben Tag der Beteiligten zu 1 eine Frist von einem Monat zur Errichtung eines Nachlaßinventars gesetzt. Der Beschluß enthält folgenden Hinweis:
„Der Erbe muß entweder innerhalb der Frist die Aufnahme des Inventars bei dem unterzeichneten Gerichte beantragen, das dann die Aufnahme des Inventars einem Notar überträgt oder zu der Aufnahme des Inventars einen Notar zuziehen und das mit dessen Hilfe aufgenommene Inventar innerhalb der Frist bei dem unterzeichneten Gericht einreichen.”
Dieser Beschluß ist der Beteiligten zu 1 am 24.7.1991 zugestellt worden. Am 29.7.1991 ist beim Nachlaßgericht eine notariell beglaubigte Urkunde vom selben Tag eingegangen, worin die Beteiligte zu 1 die Ausschlagung der Erbschaft erklärt hat. Das Nachlaßgericht hat mit Schreiben vom 12.9.1991 festgestellt, daß die Beteiligte zu 1 der Aufforderung zur Errichtung eines Inventars keine Folge geleistet habe und die Wirksamkeit der von ihr sowie weiteren gesetzlichen Erben erklärten Ausschlagungen nicht zu prüfen sei, weil ein Erbscheinsantrag bisher nicht vorliege. Mit notarieller Urkunde vom 18.9.1991, beim Nachlaßgericht eingegangen am 19.9.1991, hat die Beteiligte zu 1 erklärt, sie habe erst jetzt erfahren, daß Zweifel an der Wirksamkeit ihrer Ausschlagung bestehen könnten. Vorsorglich fechte sie die Annahme der Erbschaft und die etwaige Versäumung der Ausschlagungsfrist an, ferner wiederhole sie die Ausschlagung der Erbschaft. Sie sei über die zugrundeliegenden Verhältnisse, Tatsachen sowie über die Rechtslage, insbesondere die Fristen im Irrtum gewesen. Vorsorglich beantrage sie die Bestimmung einer neuen Inventarfrist und errichte zugleich ein Nachlaßinventar. Am 2.10.1991 haben sich die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1 beim Nachlaßgericht bestellt und nochmals die Bestimmung einer neuen Inventarfrist beantragt.
Das Nachlaßgericht (Rechtspfleger) hat es durch Beschluß vom 31.10.1991 abgelehnt, der Beteiligten zu 1 eine neue Frist zur Errichtung des Nachlaßinventars zu setzen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen, nach Zugang des Beschlusses vom 19.7.1991 sei sie zunächst zum Nachlaßgericht gegangen. Dort sei ihr erklärt worden, der zuständige Sachbearbeiter befinde sich in Urlaub, sie solle sich an einen Rechtsanwalt oder einen Notar wenden. Sie habe den Eindruck gewonnen, sie solle „abgewimmelt” werden, und sei dann zum Notar gegangen. Dort sei die Ausschlagungserklärung beurkundet und ihr mitgeteilt worden, damit sei die Sache für sie erledigt.
Das Rechtsmittel ist dem Nachlaßrichter zur Entscheidung über die Abhilfe und von ihm dem Landgericht vorgelegt worden. Dieses hat die sofortige Beschwerde durch Beschluß vom 30.3.1992 teils verworfen, teils zurückgewiesen sowie angeordnet, daß die Beteiligte zu 1 der Beteiligten zu 2 die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten habe. Den Wert des Beschwerd...