Entscheidungsstichwort (Thema)

Zustimmung zur Veräußerung eines Wohnungseigentums

 

Verfahrensgang

AG München (Aktenzeichen UR II 977/94)

LG München I (Aktenzeichen 1 T 12895/95)

 

Tenor

I. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 20. Juli 1995 wird zurückgewiesen.

II. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen und dem Antragsteller die in diesem Rechtszug erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten; eine weitergehende Kostenerstattung wird nicht angeordnet.

III. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 80 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I.

Dem Antragsteller und der weiteren Beteiligten, seiner Ehefrau, gehört eine Wohnung, der Antragsgegnerin und Enkelin der weiteren Beteiligten die andere Wohnung einer Wohnanlage. In Abschnitt II 3 des Teilungsvertrags ist als Inhalt des Sondereigentums vereinbart, daß „zur Veräußerung die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich” ist; dies ist auch im Grundbuch eingetragen. Zu notarieller Urkunde vom 29.12.1993 verkauften der Antragsteller und die weitere Beteiligte ihre Wohnung an die Streithelfer; die Auflassung ist erklärt. Da die Antragsgegnerin die Zustimmung zur Veräußerung verweigert, hat der Antragsteller – die weitere Beteiligte will von der Veräußerung inzwischen nichts mehr wissen – am 2.12.1994 beim Amtsgericht beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Kaufvertrag vom 29.12.1993 (mit der Maßgabe einer Nachtragsurkunde) zuzustimmen. Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin mit Beschluß vom 29.5.1995 antragsgemäß verpflichtet.

Der Beschluß ist dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 1.6.1995 zugestellt worden. Dieser hat mit Schriftsatz vom 3.7.1995, mittels Telefax am selben Tage beim Amtsgericht eingegangen, gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt. Am 6.7.1995 hat die Antragsgegnerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt „soweit die Beschwerdefrist am 3.7.1995 verstrichen sein sollte”. Zur Begründung für den Antrag hat sie vorgetragen, daß der Beschluß des Amtsgerichts keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, eine Rechtsmittelfrist damit nicht zu laufen begonnen habe. Posteingang und Fristen würden bei ihrem Verfahrensbevollmächtigten von der seit vielen Jahren tätigen, regelmäßig überwachten und stets zuverlässigen Angestellten E. erledigt. Diese habe angenommen, daß es sich um eine unbefristete Beschwerde handle und deshalb keine Frist notiert. Die Richtigkeit dieses Sachvertrags wurde vom Verfahrensbevollmächtigten anwaltlich versichert.

Das Landgericht hat mit Beschluß vom 20.7.1995 den Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß die Beschwerdefrist am 16.6.1995 abgelaufen sei, auch wenn die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt noch in Urlaub gewesen sei. Da die Fristversäumung nicht unverschuldet sei, könne keine Wiedereinsetzung gewährt werden. Der Irrtum über Form und Frist eines Rechtsmittels sei im allgemeinen schuldhaft; das gelte besonders für einen Rechtsanwalt. Darauf, daß der Beschluß des Amtsgerichts keine Rechtsmittelbelehrung enthalten habe, könne sich die Antragsgegnerin nicht berufen, denn eine solche sei im Wohnungseigentumsverfahren nicht vorgeschrieben. Der Verfahrensbevollmächtigte habe in diesem Verfahren die Einhaltung der Fristen mit der gleichen Sorgfalt zu überwachen wie im Zivilprozeß. Wenn die Fristversäumung aber darauf beruhe, daß die Angestellte des Verfahrensbevollmächtigten E. die Fristgebundenheit der Beschwerde nicht erkannt habe, liege gleichfalls ein der Antragsgegnerin zurechenbares Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten vor, und zwar wegen mangelhafter Organisation. Diese müsse dafür sorgen, daß Fehlerquellen beim Eintragen und Behandeln von Fristen möglichst ausgeschlossen seien. Fehler von Büroangestellten seien nur dann nicht vom Rechtsanwalt verschuldet, wenn der Angestellte allgemein über Lauf und Berechnung von Fristen unterrichtet sei. Daran fehle es hier, wenn Frau E. davon ausgegangen sei, daß eine Frist bei fehlender Rechtsmittelbelehrung nicht zu laufen beginne bzw. im Wohnungseigentumsverfahren keine Fristen zu beachten seien. Es handle sich bei diesem Verfahren nicht um ein entlegenes, in der Praxis kaum vorkommendes Rechtsgebiet; damit sei die mangelhafte Unterrichtung der Angestellten vorwerfbar und verschuldet.

Die Antragsgegnerin hat gegen die Entscheidung des Landgerichts sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Sie führt aus, die Darlegungen in der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs seien ausschließlich rechtlicher und theoretischer Natur gewesen. Frau E. habe, auch aus der Behandlung anderer Wohnungseigentumssachen, die hier geltenden Fristen gekannt. Es sei ihr unerklärlich, warum sie die Frist in diesem Verfahren nicht ordnungsgemäß vorgemerkt habe. In der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Frau E. vom ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?