Entscheidungsstichwort (Thema)

Testierunfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Frage der Zulässigkeit der Vernehmung des behandelnden Arztes der Erblasserin als Zeuge und Verwertung seiner Aussage, wenn diese von der Erblasserin nicht von der Schweigepflicht hinsichtlich ihres geistigen Zustandes entbunden wurde.

 

Normenkette

BGB § 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Würzburg (Beschluss vom 04.03.1991; Aktenzeichen 3 T 2110/89)

AG Würzburg (Aktenzeichen 1 VI 643/89)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Würzburg vom 4. März 1991 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die ihr durch die weitere Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird auf 71.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Erblasserin ist als Witwe im Alter von 88 Jahren verstorben. Sie hinterließ zwei Kinder, die beiden Beteiligten. Der Wert des Reinnachlasses betrug etwa 284.000 DM. Für die Erblasserin war im Jahre 1983 auf Antrag des Beteiligten zu 2 Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet worden. Der Beteiligte zu 2 war zunächst als Pfleger bestellt und alsbald mit seinem Einverständnis entlassen worden. Am 7.5.1984 wurde ein Testament in Verwahrung des Amtsgerichts gegeben, das von der Erblasserin mit der Hand geschrieben ist und lautet:

…, den 28. November 1978

Testament

Ich … setze im Falle meines Ablebens meine Tochter … (= Bet. zu 1) … zur Alleinerbin meines gesammten Vermögens ein.

Die Beteiligte zu 1 hat beim Amtsgericht beantragt, ihr einen Erbschein zu erteilen, wonach sie Alleinerbin kraft Testaments sei. Der Beteiligte zu 2, der meint, die Erblasserin sei nicht mehr testierfähig gewesen, hat demgegenüber einen Erbschein beantragt, der die beiden Beteiligten als gesetzliche Erben jeweils zur Hälfte ausweist.

Das Amtsgericht hat mit Beschluß vom 1.8.1989 die Bewilligung des von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins für den Fall angekündigt, daß gegen den Beschluß binnen zwei Wochen ab Zustellung keine Beschwerde eingelegt werde. Zugleich hat es den Antrag des Beteiligten zu 2 zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 2 hat Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat nach Ermittlungen und Beweisaufnahmen die Beschwerde durch Beschluß vom 4.3.1991 zurückgewiesen, dem Beteiligten zu 2 die Erstattung der der Beteiligten zu 1 entstandenen notwendigen Kosten auferlegt und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren auf 71.000 DM festgesetzt. Gegen diesen Beschluß richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2. Er beantragt, die Beschlüsse des Landgerichts und Amtsgerichts aufzuheben und einen Erbschein zu erteilen gemäß seinem Antrag, daß die Beteiligten zu 1 und 2 Erben jeweils zur Hälfte seien. Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, die weitere Beschwerde zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig; sie darf daher nicht, wie die Beteiligte zu 1 beantragt, ohne Sachprüfung verworfen werden (vgl. Bassenge/Herbst FGG/RPflG 5. Aufl. § 27 FGG Anm. III 1). Allein der Umstand, daß der Beteiligte zu 2 neben seinem Antrag, die Beschlüsse des Landgerichts und Amtsgerichts aufzuheben, auch beantragt, ihm einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, macht sein Rechtsmittel nicht unzulässig. Zwar dürfte das Bayerische Oberste Landesgericht als das für die weitere Beschwerde zuständige Gericht keinen Erbschein erteilen, sondern nur das Nachlaßgericht, dem allein die Erteilung von Erbscheinen obliegt (§ 2353 BGB), bindend anweisen, den bereits beantragten Erbschein zu erteilen (allg. Meinung; z. B. Palandt/Edenhofer BGB 50. Aufl. § 2353 Rn. 49). Der vom Beteiligten zu 2 beim Rechtsbeschwerdegericht gestellte Antrag kann aber ohne weiteres dahin ausgelegt werden.

2. Das Landgericht hat ausgeführt: Dem Beteiligten zu 2, dem die Feststellungslast obliege, sei es auch nach umfangreicher Beweisaufnahme nicht gelungen, die Testierunfähigkeit der zur Zeit der Testamentserrichtung 74jährigen Erblasserin zu beweisen. Da die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bilde, sei die Fähigkeit zu testieren so lange anzunehmen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewißheit des Gerichts nachgewiesen sei. Zwar bestünden Zweifel an der Testierfähigkeit, doch seien sie nicht ausreichend gewesen. Beide Beteiligte hätten nur diejenigen Zeugen benannt, von denen sie eine für sie günstige Aussage erwarteten. Viele der Zeugen hätten am Ausgang des Verfahrens ein Interesse. Alle Aussagen seien daher mit Vorsicht zu würdigen. Gegen eine Testierunfähigkeit spreche die „auffallend gute, gar nicht zitterige Schrift”. Das Testament sei auch „grammatikalisch einwandfrei und ohne Rechtschreibfehler verfaßt”. Selbst wenn es mit einem Rechtsanwalt „vorbesprochen” worden sei, besteche es durch seine äußere Form. Es sei nachvollziehbar, daß die Erblasserin von ihrem Sohn enttäuscht und über ihn aufgebracht gewesen sei. Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasserin bei Testamentserrichtung „eine freie Entscheidung gar nicht mehr...

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