Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beschwerdeberechtigung einer nichtehelichen Tochter des Erblassers, die unter Berufung auf ihr gesetzliches Erbrecht die Einziehung eines der Testamentserbin erteilten Erbscheins erstrebt, wenn die Vaterschaft des Erblassers erst nach Bewilligung des Erbscheins und Einlegung der Beschwerde dagegen gerichtlich festgestellt wird.
2. Zum Erbstatut und zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Nachlassgerichte, wenn der Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit seit Jahrzehnten in Kanada gewohnt und (bewegliches) Vermögen sowohl in Kanada als auch in Deutschland hinterlassen hat.
3. Zu den Formerfordernissen eines in Kanada, Provinz Ontario von einem Deutschen errichteten Testaments.
4. Zur Auslegung eines in den Begriffen des kanadischen Rechts abgefassten Testaments nach deutschem Recht.
5. Zu den Anforderungen an den Nachweis der Errichtung und des Inhalts sowie der Vernichtung eines abhanden gekommenen Testaments.
6. Zur Wirksamkeit einer von einer nichtehelichen Tochter vor der Feststellung der Vaterschaft erklärten Testamentsanfechtung.
Normenkette
BGB § 1600a a.F., § 2078–2081, § 2255; EGBGB Art. 3 Abs. 3, Art. 25 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1, Abs. 5 S. 1; FGG §§ 12, 15, 20 Abs. 1; Succession Law Reform Act der kanadischen Provinz Ontario § 3, 4
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 13 T 1853/99) |
AG Erlangen (Aktenzeichen VI 4032/99) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 27.2.2002 wird, soweit sie darauf gerichtet ist, das Nachlassgericht anzuweisen, einen Erbschein zu erteilen, der die Beteiligte zu 1) als alleinige Erbin auf Grund gesetzlicher Erbfolge ausweist, verworfen, i.Ü. zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) die dieser im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 115.000 Euro festgesetzt.
IV. Unter Abänderung des Beschlusses des LG Nürnberg-Fürth vom 20.3.2002 wird der Geschäftswert der Beschwerde auf 115.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der 1929 geborene Erblasser wanderte in den 60er Jahren nach Kanada aus, blieb aber deutscher Staatsangehöriger. Er hatte seinen letzten ständigen Wohnsitz in der kanadischen Provinz Ontario. Am 11.2.1997 verstarb er während eines Deutschlandaufenthalts. Er war ledig. Die 1963 geborene Beteiligte zu 1) ist gem. gerichtlicher Feststellung durch Beschluss des Kammergerichts vom 4.7.2001 seine nichteheliche Tochter. Andere Abkömmlinge hat er nicht hinterlassen. Die Beteiligte zu 2) ist seine langjährige Lebensgefährtin. Der Nachlass besteht aus Bankguthaben in Deutschland (im Zeitpunkt des Erbfalls ca. 46.000 DM) und Kanada (ca. 360.000 kanadische Dollar).
Das Nachlassgericht hat die von der Beteiligten zu 2) eingereichte Kopie eines englischsprachigen Testaments des Erblassers eröffnet, das nach Behauptung der Beteiligten zu 2) am 8.4.1988 in der Kanzlei eines kanadischen Rechtsanwalts und Notars errichtet wurde, indem der Erblasser den maschinenschriftlichen Text im Beisein von zwei Zeugen – des Rechtsanwalts sowie seiner Gehilfin – unterzeichnete und die beiden Zeugen die Unterzeichnung unterschriftlich bestätigten. Die Kopie gibt lediglich den Text, nicht auch die Unterschriften wieder; sie enthält an deren Stelle – als Hinweis darauf, dass diese auf dem Original geleistet wurden – die in Anführungszeichen gesetzten Namen der Unterzeichner von fremder Hand. Die Angaben der Beteiligten zu 2) zum Verbleib des Originals dieses Testamentes haben gewechselt. Zuletzt hat sie behauptet, das Original sei ca. 1992/1993 auf einem Flug des Erblassers von Kanada nach Deutschland verloren gegangen; es sei – nebst anderen Gegenständen – aus seinem Koffer entwendet worden.
Das Testament hat – gemäß einer in Toronto gefertigten „offiziellen Übersetzung” – auszugsweise folgenden Wortlaut:
Dies ist die letztwillige Verfügung von … (Erblasser), gegenwärtig in der Provinz Ontario wohnhaft.
….
2. Ich ernenne A. zum Testamentsvollstrecker und Treuhänder (Executor and Trustee) dieses Testaments … (ersatzweise B. Diese werden im weiteren Text als „meine Treuhänder” – my trustees – bezeichnet).
3. Ich vermache meinen Treuhändern mein gesamtes Vermögen, um folgende Funktionen treuhänderisch auszuführen (upon the following trusts):
a) Folgende Zahlungen zu leisten (to pay):
(i) meine Schulden und die Bestattungskosten;
(ii) die Unkosten, die bei der Verwaltung der in diesem Testament errichteten Nachlassstiftung (trust) entstehen;
(iii) Vermächtnis-, Nachlass- und sonstige Gebühren sowie alle Erbschafts-, Einkommens- und sonstigen Steuern, die nach meinem Ableben zahlbar sind, in diesem Testament als „Nachlasssteuern” bezeichnet, und diese den Geldmitteln meines Nachlasses abzurechnen.
b) Ich beauftrage meine Treuhänder, folgende spezielle Vermächtnisse (special bequests) auszuzahlen:
(i) An meine Tochter … (die Beteiligte zu 1) die Summe von zehntausend Dollars (10.000 $);
(ii) an meinen B...