Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbvertrag
Leitsatz (amtlich)
Zum Widerruf eines handschriftlichen Testaments durch späteren Erbvertrag.
Normenkette
BGB §§ 2257-2258, 2352
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Beschluss vom 22.06.2001; Aktenzeichen 1 T 244/00) |
AG Ingolstadt (Aktenzeichen VI 912/99) |
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 22. Juni 2001 aufgehoben und die Sache zur Entscheidung über den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Einziehung des Erbscheins vom 4.2.2002 an das Landgericht Ingolstadt zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Die 1999 im Alter von 77 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet. Die Beteiligten zu 1, 4 und 5 sind die Kinder aus ihrer einzigen Ehe; weitere Kinder hatte sie nicht. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind Töchter des Beteiligten zu 1 aus dessen zwischenzeitlich geschiedener Ehe.
Am 3.12.1987 schlossen die Erblasserin und ihr Ehemann unter Beteiligung des Sohnes S (= Beteiligter zu 1) einen notariellen Erbvertrag, der auszugsweise wie folgt lautet:
„§ 2 Erbvertrag
…
Vertragsgemäß treffen wir folgende Verfügungen:
a) Wir setzen uns hiermit gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein.
b) Der Überlebende von uns setzt zu seinem Erben unseren Sohn S, ersatzweise die Abkömmlinge unseres Sohnes S zu gleichen Teilen nach Stämmen, ersatzweise dessen Ehefrau ein.
Für den Fall, daß Ersatzerbfolge eintritt, gleich aus welchem Grunde diese eintritt, gilt folgendes: Unser Sohn S erhält im Anwesen C.-Straße nach seiner Wahl ein Wohnungsrecht oder den Nießbrauch. Sollte der Begünstigte diese Rechte in Anspruch nehmen, hat er sämtliche Kosten, die damit verbunden sind, selbst zu tragen. Unser Sohn S soll auch sämtliche bewegliche Gegenstände erhalten.
…
§ 3 Gegenseitige Annahme
Wir, (Erblasserin und ihr Ehemann), sowie S, nehmen die in dieser Urkunde getroffenen Verfügungen gegenseitig an. Insbesondere kann deshalb die Urkunde nur mit Zustimmung von S aufgehoben oder abgeändert werden.”
Im Juli 1988 verstarb der Ehemann der Erblasserin.
Am 20.1.1994 schlossen die Erblasserin und ihr Sohn S einen notariellen Vertrag „Erbvertrag und Vereinbarungen unter Lebenden”) mit im wesentlichen folgendem Inhalt:
„§ 2 Erbeinsetzung
Ich (Erblasserin) setze hiermit meine Enkelkinder … (Beteiligte zu 2 und 3) zu meinen Erben zu gleichen Teilen ein; Ersatzerben sollen sein die Erben untereinander, weiterer Ersatzerbe die jeweilige Ehefrau von S an meinem Todestag.
Ich, S, stimme der Urkunde ausdrücklich zu. Ich verzichte also auf mein im Erbvertrag von 1987 vereinbartes Erbrecht. Ich … nehme jedoch die heutige Erbvertragsregelung erbvertraglich bindend an. Änderungen der letztwilligen Verfügung von (Erblasserin), also die Änderung des heutigen Erbvertrages ist also nur mit Zustimmung von S möglich; jedoch ist die Einsetzung von S als Erben und/oder Vermächtnisnehmer ohne dessen Zustimmung möglich und von mir (Erblasserin) insoweit vorbehalten.
…
Ich belaste meine oder meinen Erben mit folgendem Vermächtnis: … (Wohnungsrecht für S im Anwesen C.-Straße) …
§ 3 Sonstiges
…
Der Erbvertrag vom 3.12.1987 ist bezüglich der Schlußerbfolge durch den heutigen Vertrag vollkommen aufgehoben. Für meine (Erblasserin) Beerbung gilt also nur noch die heutige Urkunde. …”
Am 13.2.1996 verfaßte die Erblasserin das folgende handschriftliche Testament:
„In Abänderung des Erbvertrages und Vereinbarung unter Lebenden vom 20.1.1994 … setze ich gemäß § 2 dieses Vertrages hiermit meinen Sohn S … zu meinem alleinigen Erben ein. Gleichzeitig hebe ich die Erbeinsetzung meiner Enkelkinder … (Beteiligte zu 2 und 3) auf. Alle früheren Nachlaßregelungen verlieren hiermit ihre Gültigkeit.”
Am 27.3.1996 schlossen die Erblasserin und ihr Sohn S einen notariellen Vertrag „Erbvertrag und Pflichtteilsverzicht”), der auszugsweise wie folgt lautet:
„1. Sachverhalt
Ich (Erblasserin) habe mit meinem Sohn S zu Urkunden … vom 13.12.1987 … und 20.1.94 erbvertragliche Regelungen getroffen. In der Verfügung über unseren Nachlaß sind wir im übrigen weder durch Erbvertrag noch durch gemeinschaftliches Testament gebunden. …
2. Ergänzung der Erbverträge
Die vorgenannten erbvertraglichen Regelungen bleiben erhalten. Zusätzlich ordne ich (Erblasserin) jedoch Testamentsvollstreckung über meinen gesamten Nachlaß an. Zum Testamentsvollstrecker wird mein Sohn S bestimmt. Ein Ersatztestamentsvollstrecker soll nicht bestellt werden. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe meinen Nachlaß auf die Dauer von 30 Jahren zu verwalten. …
3. Pflichtteilsverzicht
Der Berechtigte S verzichtet hiermit gegenüber dem Nachlaß seiner Mutter auf seine gesetzlichen Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche und zwar auch insoweit, als sie als selbständige Geldvermächtnisse begründet wurden. Sein gesetzliches Erbrecht soll dagegen unberührt bleiben. Der Verzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge des Berechtigten.”
Mit Vorbescheid vom 19.1.2000 kündigte das Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins an, der die Enkelkinder … (Beteiligte zu 2...