Entscheidungsstichwort (Thema)

Testierfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Erforderlichkeit der Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierfähigkeit.

 

Normenkette

BGB § 2229 Abs. 4, § 2358 Abs. 1; FGG § 12

 

Verfahrensgang

LG Augsburg (Zwischenurteil vom 03.08.1999; Aktenzeichen 5 T 3805/97)

AG Augsburg (Zwischenurteil vom 18.07.1997; Aktenzeichen VI 2157/96)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 bis 5 wird der Beschluß des Landgerichts Augsburg vom 3. August 1999 aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Die in Augsburg geborene Erblasserin verstarb 1996 im 84. Lebensjahr. Sie lebte fast 60 Jahre in den USA, zuletzt im Staat New York und besaß die amerikanische Staatsangehörigkeit. Ihr Ehemann verstarb bereits 1974; sie hatte keine Kinder. Die Beteiligte zu 1 ist eine weitläufige Verwandte, die vormalige Beteiligte zu 2 war ihre Schwester, die Beteiligten zu 3 bis 5 sind ihre Nichten.

Im Mai 1986 kehrte die Erblasserin nach Deutschland zurück und lebte seitdem hier. Am 9.2.1993 wurde sie in bewußtlosem Zustand in das Krankenhaus eingeliefert und nach Behandlung einer festgestellten Bluthochdruckkrise am 10.2.1993 wieder entlassen. Am 27.5.1993 wurde sie bewußtlos in ihrer Wohnung aufgefunden und erneut in das Krankenhaus eingeliefert, wo neben einer Brustwirbelfraktur u. a. Bluthochdruck und cerebro-vaskuläre Insuffizienz diagnostiziert wurde. Am 14.6.1993 wurde sie in ein Pflegeheim verlegt, in dem sie, nachdem das Vormundschaftsgericht am 13.9.1993 ihre Betreuung angeordnet hatte, bis zu ihrem Tod verblieb. Der Nachlaß besteht aus Geldvermögen von ca. DM 3,6 Mio, das sich im Inland befindet.

Die Erblasserin hinterließ folgende letztwillige Verfügungen:

  1. Ein maschinenschriftliches, von zwei Zeugen unterzeichnetes Testament in englischer Sprache vom 19.6.1984;
  2. ein vor dem Notar am 14.11.1990 errichtetes Testament, in dem die Erblasserin alle bisher von ihr errichteten letztwilligen Verfügungen in vollem Umfang aufhob und die vormalige Beteiligte zu 2 als Erbin zu 1/3, die Beteiligten zu 3, 4 und 5 sowie einen weiteren Verwandten zu je 1/6 als Erben einsetzte und die Beteiligte zu 5 als Ersatzerbin für die vormalige Beteiligte zu 2 bestimmte;
  3. einen notariellen Nachtrag zum Testament vom 14.11.1990, in dem die Erblasserin ein Vermächtnis widerrief;
  4. ein eigenhändiges handschriftliches Testament, das folgende Datumsangabe trägt:

    • 24 April 1993
  5. Es hat folgenden Wortlaut:

    • Hiermit setze ich Frau … (Beteiligte zu 1), zur alleinigen Erbin meines gesamten Vermögens ein.

Dieses privatschriftliche Testament befand sich im Besitz der Beteiligten zu 1, die es am 13.8.1996 beim Nachlaßgericht ablieferte. Sie beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin der Erblasserin aufgrund des Testaments vom 24.4.1993 ausweist. Mit Schreiben vom 11.4.1997 focht die Beteiligte zu 3 das Testament vom 24.4.1993 an. Mit Vorbescheid vom 18.7.1997 kündigte das Nachlaßgericht die Erteilung eines dem Antrag der Beteiligten zu 1 entsprechenden Erbscheins an. Hiergegen legten die Beteiligten zu 3 bis 5 Beschwerde ein, mit der sie geltend machten, die Erblasserin sei bei Errichtung des auf 24.4.1993 datierten Testaments nicht testierfähig gewesen.

Das Landgericht holte unter anderem eine forensisch-psychiatrische Stellungnahme des Landgerichtsarztes zu der Frage ein, ob aus dem Schriftbild des privatschriftlichen Testaments durch ein psychiatrisches Gutachten Erkenntnisse für die Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gewonnen werden könnten. Außerdem zog das Landgericht die Akte des Betreuungsverfahrens der Erblasserin bei, in dem ein psychiatrisches Sachverständigengutachten über ihre Betreuungsbedürftigkeit erstellt worden ist. Mit Beschluß vom 3.8.1999 wies das Landgericht die Beschwerde zurück. Gegen diese Entscheidung legten die Beteiligten zu 3 bis 5 weitere Beschwerde ein. Am 17.8.1999 erteilte das Nachlaßgericht der Beteiligten zu 1 einen gegenständlich beschränkten Erbschein, der sie als Alleinerbin der Erblasserin ausweist.

II.

1. Die weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 4, § 21 Abs. 2 FGG).

a) Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 3 bis 5 ergibt sich bereits aus der Zurückweisung ihrer Erstbeschwerde (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG; Bassenge/Herbst FGG 8. Aufl. § 27 Rn. 7).

b) Der Beschluß des Nachlaßgerichts vom 17.8.1999, aufgrund dessen der von der Beteiligten zu 1 beantragte Erbschein erteilt worden ist, läßt das Rechtsschutzbedürfnis der Beteiligten zu 3 bis 5 nicht entfallen. Da das Nachlaßgericht nunmehr den Erbschein entsprechend der Rechtsauffassung des Landgerichts erteilt hat, kann das Rechtsbeschwerdeverfahren mit dem Ziel der Einziehung des erteilten Erbscheins (§ 2361 BGB) fortgeführt werden. In diesem Sinn ist das Rechtsmittelbegehren nunmehr auszulegen (vgl. BayObLGZ 1996, 69/73; Palandt/Edenhofer BG...

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