Leitsatz (amtlich)

Entscheidet das Beschwerdegericht in einem Unterbringungsverfahren in Unkenntnis der Erledigung der Hauptsache über die Fortdauer der Unterbringung, so kann das Gericht der weiteren Beschwerde über einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung selbst in der Sache entscheiden, wenn weitere Ermittlungen nicht mehr erforderlich sind.

 

Normenkette

FGG § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Beschluss vom 07.03.2003; Aktenzeichen 4 T 821/03)

AG Rosenheim (Aktenzeichen XIV 14/03)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Traunstein vom 7.3.2003 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Betroffene wurde am 23.2.2003 von der Verkehrspolizei auf der Bundesautobahn A 8 aufgegriffen, weil er versuchte, dort Fahrzeuge anzuhalten. Die Polizei lieferte den Betroffenen in das Bezirkskrankenhaus ein. Am 24.2.2003 ordnete das AG die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses an. Der Betroffene legte hiergegen sofortige Beschwerde ein. Das LG hat das Rechtsmittel mit Beschluss vom 7.3.2003 zurückgewiesen. Der Beschluss ist am 11.3.2003 zum Zwecke der Zustellung bzw. formlosen Übersendung hinausgegeben worden. Bereits am 7.3.2003 hatte der Betroffene erklärt, sich nunmehr auf freiwilliger Basis weiterhin im Bezirkskrankenhaus behandeln zu lassen. Am 10.3.2003 wurde der Betroffene aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen.

Mit Schriftsatz vom 26.3.2003 legte der Betroffene sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG ein. Er beantragt u.a. hilfsweise festzustellen, dass die Beschlüsse des AG und des LG zu Unrecht erlassen wurden.

II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde ist i.E. unbegründet.

1. Die Hauptsache hat sich vorliegend jedenfalls dadurch erledigt, dass der Betroffene am 10.3.2003 aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen wurde. Erledigt sich die Hauptsache, wird das zuvor mit dem Zweck der Entlassung aus der Unterbringung eingelegte Rechtsmittel unzulässig; eine Sachentscheidung kann nicht mehr ergehen (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94). Der Rechtsmittelführer ist allerdings berechtigt, seine Beschwerde auf die Kostenfrage zu beschränken (Keidel/Kahl, FGG, 15. Aufl., § 19 Rz. 94). Zudem gebietet es die in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Effektivität des Rechtsschutzes in Fällen, in denen der durch eine geschlossene Unterbringung bewirkte, tiefgreifende Eingriff in das Grundrecht der Freiheit beendet ist, die Schutzwürdigkeit des Interesses des Betroffenen an einer Feststellung der Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffes zu bejahen (vgl. zuletzt BVerfG v. 5.12.2001 – 2 BvR 527/99, NJW 2002, 2456; BayObLGZ 2000, 220; 2002, 304 [306 ff.]). Hierzu bedarf es allerdings eines ausdrücklich auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung gerichteten Antrages. Dem Betroffenen ist Gelegenheit zu geben, einen solchen Antrag zu stellen; das Beschwerdegericht darf nicht so kurzfristig entscheiden, dass dem Beschwerdeführer eine Weiterführung des Verfahrens nicht möglich ist (BayObLG v. 10.8.1999 – 3 Z BR 214/99, NJW-RR 2001, 724).

Ergeht trotz Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren eine Hauptsacheentscheidung, so ist hiergegen die (sofortige) weitere Beschwerde zulässig; die Erstbeschwerde ist unter Aufhebung der Entscheidung des Beschwerdegerichtes als unzulässig zu verwerfen, wenn sie der Beschwerdeführer nicht entspr. den zuvor dargestellten Grundsätzen umgestellt hat (vgl. BayObLG v. 29.5.1998 – 3Z BR 137/98, MDR 1998, 1116 [1117]; Keidel/Meyer-Holz, § 27 Rz. 51).

Im vorliegenden Fall ist die Endentscheidung des Beschwerdegerichts erst mit Hinausgabe an die Beteiligten am 11.3.2003 im Rechtssinne erlassen worden und damit existent geworden (vgl. Keidel/Schmidt, § 16 Rz. 6 m.w.N.). Die Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache durch Entlassung des Betroffenen ist daher noch während der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens eingetreten. Damit ist die Beschwerdeentscheidung als Entscheidung in der Hauptsache in jedem Falle verfahrensrechtswidrig ergangen. Auf etwaige weitere Verfahrensfehler kommt es in diesem Zusammenhang nicht an; insb. kann deshalb auch zunächst dahinstehen, ob es unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs veranlasst gewesen wäre, dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nach dessen Anhörung im Beschwerdeverfahren noch Gelegenheit zu weiteren Äußerungen zu geben.

2. Die Beschwerdeentscheidung wäre hiernach aufzuheben. Da der Betroffene zwischenzeitlich einen zulässigen Feststellungsantrag gestellt hat, kommt aber eine Verwerfung seiner sofortigen Beschwerde als unzulässig nicht in Betracht. Vielmehr hätte das Beschwerdegericht nach Zurückverweisung über den Feststellungsantrag betreffend die Entscheidung des Vormundschaftsgerichtes in der Sache zu entscheiden. Der Senat trifft diese Entscheidung unter Verzicht auf eine Zurückverweisung hier selbst. Die Beschwerdeentscheidung ist trotz des festgest...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?