Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung eines Testaments
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung einer die ordentlichen Gerichte soweit zulässig ausschließenden letztwilligen Schiedsgerichtsklausel im Erbscheinsverfahren.
2. Zur Auslegung eines im Januar 1945 notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrages, in dem auch Bestimmungen über die Anerbenfolge hinsichtlich eines Erbhofes getroffen wurden.
3. Eine „irrige Annahme oder Erwartung” des Erblassers im Sinne von § 2078 Abs. 2 BGB liegt nicht vor, wenn der Erblasser die künftige Entwicklung als letztlich ungewiß ansieht und deshalb in seinem Testament selbst Regelungen für verschiedene Möglichkeiten der künftigen Entwicklung trifft.
4. Zur Auslegung einer letztwilligen Bestimmung, daß die Nacherbfolge eintritt, wenn der Vorerbe den zum Nachlaß gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr persönlich entsprechend den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft fortführt …
5. Ein einem Vorerben erteilter Erbschein, der die nach § 2363 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderlichen Angaben nicht enthält, ist unrichtig; er muß eingezogen werden.
Normenkette
BGB § 2078 Abs. 2, § 2289 Abs. 1 S. 2, § 2361 Abs. 1, § 2363 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 05.05.1999; Aktenzeichen 6 T 6093/98) |
AG Weilheim (Entscheidung vom 12.08.1998; Aktenzeichen VI 283/88) |
Tenor
I. Auf die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 bis 5 werden der Beschluß des Landgerichts München II vom 5. Mai 1999 in Nr. 1 und der Beschluß des Amtsgerichts Weilheim i. OB – Zweigstelle Schongau – vom 12. August 1988 aufgehoben.
II. Das Amtsgericht Weilheim i. OB – Zweigstelle Schongau – wird angewiesen, den am 7. Juni 1999 der Beteiligten zu 1 erteilten Erbschein einzuziehen.
III. Dem Beteiligten zu 2 wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt R. beigeordnet.
IV. Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird auf 262.000 DM festgesetzt, der Geschäftswert der weiteren Beschwerde der Beteiligten zu 3 bis 5 auf je 52.400 DM.
Gründe
I.
Der Nachlaß der im Alter von 67 Jahren verstorbenen Erblasserin besteht im wesentlichen aus einem landwirtschaftlichen Anwesen, das während der Geltung des Reichserbhofgesetzes ein Erbhof gewesen war. Sie hinterließ 5 Kinder, die Beteiligten zu 1 bis 5. Mit ihrem 1963 verstorbenen Ehemann hatte sie am 13.1.1945 einen notariell beurkundeten Ehe- und Erbvertrag geschlossen. Unter Nr. II hatten die Eheleute folgendes vereinbart:
„Wir setzen einander gegenseitig zum Anerben bezüglich ihres Erbhofes und zugleich zum alleinigen Erben bezüglich des etwa vorhandenen erbhoffreien Vermögens ein.
Hinsichtlich der Anerbenfolge werden weitere Bestimmungen in diesem Vertrag nicht getroffen; es bleibt also, wenn später nichts anderes mehr bestimmt wird, im übrigen bei den Bestimmungen des Reichserbhofgesetzes.
Hinsichtlich des erbhoffreien Vermögens, das ist das Vermögen nach § 35 Abs. 1 des Reichserbhofgesetzes, wird bestimmt, daß der Erbe hiervon ein Barvermächtnis in Höhe von 2/3 des reinen Nachlasses an die Abkömmlinge des zuerst versterbenden Eheteils hinauszuzahlen hat: …”
Am 1.9.1988 errichtete die Erblasserin zur Niederschrift eines Notars ein Testament, in dem sie unter Nr. II bestimmte:
„Zu meinem alleinigen Erben berufe ich nunmehr meinen Sohn (den Beteiligten zu 2). Er ist jedoch nur Vorerbe.
Zum Nacherben berufe ich meine Tochter (die Beteiligte zu 1), die ihrerseits ebenfalls nur Vorerbin wird. Nacherbe nach ihr ist ihr Sohn.
Die Nacherbfolge tritt jeweils ein, wenn der Vorerbe den zum Nachlaß gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr persönlich entsprechend den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft fortführt, sei es auch in Form einer Betriebsgemeinschaft, spätestens jedoch beim Tode des Vorerben. …”
Unter Nr. III bis VII hat die Erblasserin Vermächtnisse, teilweise unter Auflagen, angeordnet, insbesondere unter Nr. III ein unentgeltliches Leibgeding zugunsten des Beteiligten zu 2 für den Fall des Eintritts der Nacherbfolge zu seinen Lebzeiten.
Unter Nr. X machte sie der Beteiligten zu 1 zur Auflage, den Beteiligten zu 2
„bei der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes zu beraten und ihm soweit zumutbar durch unentgeltliche Arbeitsleistungen zu helfen; ich stelle ausdrücklich klar, daß diese Bestimmung keine Bedingung der Erbeinsetzung ist”.
Ferner ordnete sie Testamentsvollstreckung an, ernannte den Testamentsvollstrecker und einen Ersatztestamentsvollstrecker und bestimmte den Testamentsvollstrecker soweit zulässig unter Ausschluß der ordentlichen Gerichte zugleich zum Schiedsrichter für durch ihre Verfügung von Todes wegen bedingte Streitigkeiten der Nachlaßbeteiligten (Nr. XI Abs. 4 des Testaments). Nach Kündigung des Amtes durch den von der Erblasserin ernannten Testamentsvollstrecker und Ablehnung des Amtes durch den von ihr ernannten Ersatztestamentsvollstrecker hat das Nachlaßgericht die Beteiligte zu 6 zur Testamentsvollstrecker in ernannt.
Mit Schreiben vom 26.9.1994 beantragte ...