Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinserteilung. Ausschlagung

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinn von § 119 Abs. 2 BGB kann vorliegen, wenn dem Ausschlagenden bei Abgabe seiner Ausschlagungserklärung nicht bekannt war, daß Immobiliarvermögen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik zum Nachlaß gehörte.

 

Normenkette

BGB § 119 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Beschluss vom 30.12.1992; Aktenzeichen 3 T 103/92)

AG Haßfurt (Aktenzeichen VI 89/72)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Bamberg vom 30. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die am 28.1.1972 an ihrem letzten Wohnort verstorbene Erblasserin hatte drei Söhne, die Beteiligten zu 1 bis 3. Ihr erster Ehemann, der leibliche Vater des Beteiligten zu 2 und Adoptivvater des Beteiligten zu 1, ist im Jahr 1968 an seinem letzten Wohnort vorverstorben. Er war Miteigentümer eines Hausgrundstücks in gewesen und im Weg der gesetzlichen Erbfolge von der Erblasserin sowie den Beteiligten zu 1 und 2 beerbt worden.

Die Erblasserin war in zweiter, kinderloser Ehe mit J. Sch. (nachverstorben im Jahr 1975) verheiratet. Dieser erklärte am 10.2.1972 gegenüber dem Nachlaßgericht, er schlage die Erbschaft wegen Überschuldung aus. Der Beteiligte zu 3 erklärte am 3.3.1972 vor dem Nachlaßgericht für sich sowie mit Zustimmung seiner Ehefrau für seine minderjährigen Kinder die Ausschlagung der Erbschaft. Mit notariellen Urkunden vom 8.3.1972, die jeweils am 9.3.1972 beim Nachlaßgericht eingingen, schlugen der Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 2 die Erbschaft aus, der letztere mit Zustimmung seiner Ehefrau auch für sein minderjähriges Kind.

Mit einem an das Nachlaßgericht gerichteten Schreiben vom 1.6.1991 erklärten der Beteiligte zu 1 und der Beteiligte zu 2 in der Nachlaßsache ihrer Mutter „aufgrund neuer Tatsachen form- und fristgerecht die Anfechtung” und teilten mit, eine Begründung werde nachgereicht. Der Beteiligte zu 1 erschien am 4.7.1991 vor dem Amtsgericht seines Wohnorts, dem die Akten vom Nachlaßgericht übersandt worden waren. Er übergab privatschriftliche Vollmachten seiner beiden Brüder und erklärte, die Anfechtung sei „wegen Irrtums gemäß § 1949 Abs. 2 BGB” erfolgt. Er und seine Brüder hätten zwar schon bei der Ausschlagung der Erbschaft gewußt, daß die Erblasserin ein Grundstück in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik hinterlassen habe, jedoch sei es wegen der damaligen politischen Verhältnisse für sie wertlos gewesen. Erst vor kurzem hätten sie erfahren, daß Nachlaßspaltung eingetreten sei und die Ausschlagung hinsichtlich des in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik belegenen unbeweglichen Nachlasses dort gegenüber einem staatlichen Notariat hätte erklärt werden müssen, sowie daß die Ausschlagung deswegen angefochten werden könne. Zugleich beantragte der Beteiligte zu 1 einen auf das Grundvermögen in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik beschränkten gemeinschaftlichen Erbschein, wonach die Erblasserin von ihm und seinen beiden Brüdern zu gleichen Anteilen beerbt worden sei.

Am 10.4.1992 wurde der Beteiligte zu 1 erneut vor dem Amtsgericht seines Wohnorts angehört. Nunmehr beantragte er – zugleich im Namen der Beteiligten zu 2 und 3 – einen auf das in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gelegene Grundvermögen beschränkten Erbschein zu erteilen, wonach die Erblasserin von ihrem nachverstorbenen Ehemann und ihren drei Söhnen jeweils zu 1/4 beerbt worden sei.

Das Nachlaßgericht (Rechtspfleger) hat mit Beschluß vom 16.7.1992 den Erbscheinsantrag vom 10.4.1992 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Ausschlagung sei auch hinsichtlich des in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gelegenen Nachlasses wirksam erklärt worden, weil bei dem bereits 1972 eingetretenen Erbfall eine Nachlaßspaltung nicht stattgefunden habe und ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum der Ausschlagenden nicht vorgelegen habe. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 bis 3 ist dem Nachlaßrichter zur Entscheidung über die Abhilfe und von diesem dem Landgericht vorgelegt worden. Im Beschwerdeverfahren hat der beauftragte Richter den Beteiligten zu 1 am 14.10.1992 und alle drei Beteiligten am 29.12.1992 angehört. Mit Beschluß vom 30.12.1992 hat das Landgericht die Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die vom Beteiligten zu 3 am 3.3.1972 sowie von den Beteiligten zu 1 und 2 jeweils am 8.3.1972 wirksam erklärte Ausschlagung der Erbschaft habe auch den im Nachlaß ihrer Mutter befindlichen Miteigentumsanteil von 1/4 an einem in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik belegenen Grundstück erfaßt, unabhängig davon, ob dies den Beteiligten bewußt gewesen sei oder nicht. Da sich der Erbfa...

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