Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsanfechtung
Leitsatz (redaktionell)
Die Anfechtung wegen Motivirrtums im Sinn von § 2078 Abs. 2 BGB kann nur auf solche irrige Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments tatsächlich gehabt hat; dazu gehören auch Vorstellungen und Erwartungen, die sie zwar nicht in ihr Bewußtsein aufgenommen, aber als selbstverständlich ihrer Verfügung zugrundegelegt hat.
Normenkette
BGB § 2078 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 23.04.1996; Aktenzeichen 8 T 3701/95) |
AG Fürstenfeldbruck (Aktenzeichen VI 387/89) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 23. April 1996 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 275 000 DM festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die nach zweiter kinderloser Ehe verwitwete Erblasserin ist im Jahr 1989 im Alter von 94 Jahren verstorben. Sie hatte aus ihrer ersten Ehe eine Tochter. Diese – ihr einziger Abkömmling – ist am 2.3.1994 ledig und kinderlos nachverstorben. Die Erblasserin war Alleineigentümerin eines Grundstücks. Der Wert des Reinnachlasses beträgt ca. 550 000 DM.
Die Erblasserin hat durch notarielles Testament vom 20.8.1982 ihre Tochter als alleinige befreite Vorerbin eingesetzt und die Nacherbfolge wie folgt geregelt:
„Als Nacherben gemäß § 2100 BGB bestimme ich … (Beteiligter zu 2) … Sollte Herr er den Eintritt der Nacherbfolge nicht erleben, so ist meine Tochter … unbeschränkte Vollerbin. Die Nacherbfolge tritt beim Tode der Vorerbin ein…
Mit Ausnahme dieses genannten Grundbesitzes haben die Nacherben sofort nach Eintritt des Nacherbfalles mein gesamtes übriges Vermögen als Vermächtnis herauszugeben an … (Beteiligte zu 1), Tochter meiner Stieftochter.”
Ein von der Zeugin G. übergebenes, mit dem Namen der Erblasserin unterschriebenes handschriftliches Testament vom 15.8.1985 enthält neben der Einsetzung der Tochter als Alleinerbin sowie einer Erklärung, daß alle anderen Verfügungen außer Kraft treten, die Einsetzung der Zeugin G. als Nacherbin mit dem Zusatz: „Frau G. kümmert sich nach meinem Ableben um meine Tochter”. Der Text dieses Testaments weist eine andere Handschrift auf als die Unterschrift.
Nach dem Tod der Vorerbin hat das Nachlaßgericht gemäß Beschluß vom 18.7.1994 dem Beteiligten zu 2 antragsgemäß einen Alleinerbschein erteilt.
Mit Schriftsatz vom 13.8.1994, eingegangen beim Nachlaßgericht am 16.8.1994, hat die Beteiligte zu 1 (Enkelin des ersten Ehemanns der Erblasserin aus dessen erster Ehe) die Nacherbeneinsetzung im notariellen Testament vom 20.8.1982 wegen eines angeblichen Irrtums der Erblasserin angefochten. Hierzu hat sie vorgetragen, der Beteiligte zu 2 habe der Erblasserin unter anderem zugesagt, ihre Tochter zu versorgen. Deshalb sei er als Nacherbe eingesetzt worden. Die Erblasserin habe auf seine Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit vertraut. Diese Erwartung sei nicht erfüllt worden. Der Beteiligte zu 2 habe sich weder vor dem Tod der Erblasserin noch danach um die Tochter und um das Haus der Erblasserin gekümmert. Die Beteiligte zu 1 meint, die Tochter der Erblasserin sei auf Grund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden. Die Kenntnis von dem Anfechtungsgrund habe sie erst mit dem Tode der Vorerbin, zu deren gesetzlichen Erben sie gehöre, erhalten. Der Beteiligte zu 2 ist dem Vorbringen der Beteiligten zu 1 entgegengetreten.
Mit Beschluß vom 9.5.1995 hat das Nachlaßgericht nach Durchführung von Ermittlungen den „Antrag” der Beteiligten zu 1 auf Einziehung des Erbscheins vom 18.7.1994 zurückgewiesen. Das Landgericht hat mit Beschluß vom 23.4.1996 die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Der Beteiligte zu 2 erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:
Das notarielle Testament vom 20.8.1982, in dem die Erblasserin den Beteiligten zu 2 als Nacherben eingesetzt habe, sei nicht wirksam angefochten worden. Das Vorbringen der Beteiligten zu 1, die Erblasserin habe den Beteiligten zu 2 nur deshalb als Nacherben eingesetzt, weil dieser ihr versprochen habe, sich um ihre (nach Angaben der Beteiligten zu 1 verhaltensgestörte) Tochter, insbesondere bezüglich handwerklicher Arbeiten im Haus und persönlicher Pflege zu kümmern, sei nicht „dokumentiert”. Das behauptete Motiv sei weder dem Testament vom 20.8.1982 noch den Angaben des Beteiligten zu 2 und ebensowenig den Aussagen der Zeugen zu entnehmen, welche die Erblasserin jahrelang gekannt und sich um sie gekümmert hätten. Umstände, die eine Erwartung der Erblasserin als irrig erscheinen ließen, lägen nicht vor. Das Motiv, das die Erblasserin zur Einsetzung des Beteiligten zu 2 als Nacherben bewogen habe, sei nicht geklärt. Die letztwillige Verfügung vom 15.8.1985 sei unwirksam und könne die Anfechtung nicht begründen. Es...