Entscheidungsstichwort (Thema)
Testierfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Entsprechend dem Grundsatz, daß Störungen der Geistestätigkeit die Ausnahme bilden, ist eine Person als testierfähig anzusehen, solange nicht die Testierunfähigkeit zur Gewißheit des Gerichts feststeht. Die bloße Behauptung eines Beteiligten reicht hierfür nicht aus.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 23.10.1996; Aktenzeichen 6 T 4558/94) |
AG Starnberg (Aktenzeichen VI 299/93) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 23. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 2 hat die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
Die Erblasserin ist im Alter von 83 Jahren verstorben. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die einzigen Abkömmlinge aus ihrer ersten, durch Scheidung aufgelösten Ehe. Ihr zweiter Ehemann ist vorverstorben. Diese Ehe der Erblasserin blieb kinderlos. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem – nach den Feststellungen des Nachlaßgerichts erheblich belasteten – Grundstück.
Mit Vertrag vom 14.12.1978 hatte die Erblasserin 1/10 ihres Grundstücks zum Preis von 50.000 DM an die Beteiligte zu 2 verkauft. Weitere 7/30 verkaufte sie ihr mit Vertrag vom 11.9.1981 zum Preis von 200.000 DM.
Am 28.4.1982 errichtete die Erblasserin ein notarielles Testament, mit dem sie ihren zweiten Ehemann als Vorerben und die drei Beteiligten als Nacherben zu gleichen Teilen einsetzte. Der Nacherbfall sollte mit dem Tod des Vorerben eintreten. Nachdem die Erblasserin mit Vertrag vom 14.1.1983 der Beteiligten zu 2 weitere 2/9 ihres Grundstücks gegen Zahlung von 86.000 DM an den Beteiligten zu 1 „als vorweggenommene Erbabfindung” verkauft hatte, setzte sie mit einem weiteren notariellen Testament vom selben Tag ihren zweiten Ehemann erneut als alleinigen Vorerben und die Beteiligten zu 2 und 3 als Nacherben zu gleichen Teilen ein. Die Nacherbfolge trete mit dem Tod des Vorerben ein. Dieses Testament hob die Erblasserin mit einem privatschriftlichen Testament vom 15.10.1987 auf, setzte ihren zweiten Ehemann wiederum als Vorerben und die Beteiligte zu 3 als alleinige Nacherbin ein. Ferner führte sie aus, daß der Beteiligte zu 1 auf sein Erbe bereits einen Betrag von 150.000 DM erhalten habe, der ihm anzurechnen sei, falls ein „Erbbetrag” auf ihn entfallen sollte. Die Beteiligte zu 2 habe ihr Erbteil schon erhalten. Mit Vertrag vom 10.11.1987 verkaufte die Beteiligte zu 2 ihren Miteigentumsanteil von 5/9 gegen Zahlung von 250.000 DM an die Erblasserin, so daß diese wieder Alleineigentümerin des gesamten Grundstücks wurde. Schließlich errichtete die Erblasserin am 2.2.1988 ein weiteres privatschriftliches Testament, mit dem sie das notarielle Testament vom 14.1.1983 erneut aufhob, ihren zweiten Ehemann als Vorerben und nach dessen Tod die Beteiligten zu 1 und 3 als Nacherben zu gleichen Teilen einsetzte. Die Beteiligte zu 2 ist in diesem Testament nicht bedacht worden mit der Begründung, sie sei der Erblasserin gegenüber aufgrund der Verträge vom 14.12.1978, 11.9.1981 und 8.2.1979 noch „erheblich verschuldet”.
Die Beteiligte zu 2 vertrat vor dem Nachlaßgericht die Ansicht, daß sich die Erbfolge nach dem Testament vom 14.1.1983 richte, weil die Erblasserin bei Errichtung des Testaments vom 2.2.1988 nicht mehr testierfähig gewesen sei. Mit Schriftsätzen vom 2.6. und 12.10.1993 focht sie die Testamente vom 15.10.1987 und 2.2.1988 wegen Motivirrtums der Erblasserin an. Mit Schriftsätzen vom 22.6. und 2.7.1993 beantragte sie einen Erbschein, demzufolge die Erblasserin von ihr und der Beteiligten zu 3 je zur Hälfte beerbt worden sei. Die Beteiligten zu 1 und 3 meinten, für die Erbfolge sei das Testament vom 2.2.1988 maßgebend. Der Beteiligte zu 1 beantragte daher einen Erbschein, der ihn und die Beteiligte zu 3 als Erben je zur Hälfte ausweisen sollte.
Das Nachlaßgericht wies am 8.3.1994 die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2 zurück (Nr. 1) und beschloß unter Nr. 2 seiner Entscheidung: „Es ist beabsichtigt, die Erbfolge nach dem Testament vom 2.2.1988 festzustellen”. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß das Testament vom 14.1.1983 durch dasjenige vom 15.10.1987 aufgehoben worden sei. Die Erblasserin sei bei Errichtung der Testmente vom 15.10.1987 und 2.2.1988 nicht testierunfähig gewesen. Auch die Anfechtung beider letztwilliger Verfügungen greife nicht durch. Somit könne der von der Beteiligten zu 2 beantragte Erbschein nicht auf das Testament vom 14.1.1983 gestützt werden.
Gegen diesen Beschluß legte die Beteiligte zu 2 Beschwerde ein. Die Beteiligte zu 3 unterstützte den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 und beantragte hilfsweise, ihr einen Erbschein zu erteilen, demzufolge sie aufgrund des Testaments vom 15.10.1987 Alleinerbin sei. Der Beteiligte zu 1 beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen und schloß sich mit Schreiben vom 18.6.1996 dem Hilfsantrag der Beteiligten zu 3 an.
Das...