Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlasssache: Auslegung eines Testaments. Nachlaßsache
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung der Ankündigungsfrist im Vorbescheid.
2. Zur Auslegung eines Testaments, mit dem die Erblasserin die „Diakonissen in S.” zu ihren Erben eingesetzt hat, wenn zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung in S. keine Diakonissen mehr tätig waren.
Normenkette
BGB §§ 133, 2065; FGG § 19
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 64 VI 604/00) |
LG München I (Aktenzeichen 16 T 18695/00) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 28. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben der Beteiligten zu 4 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 663.049,30 festgesetzt.
Gründe
I.
Die im Alter von 84 Jahren verstorbene Erblasserin war verwitwet und kinderlos. Sie stand seit 5.10.1999 unter Betreuung. Die Beteiligte zu 1 ist ihre Schwester, die Beteiligte zu 2 ihre Nichte. Die Beteiligte zu 5 ist Nachlaßpflegerin.
Die Erblasserin verfaßte ein auf den 30.12.1982 datiertes privatschriftliches Testament, das in dem von ihr seit 1994 angemieteten Banksafe aufgefunden wurde. Das Testament lautet auszugsweise:
Ich … vererbe mein ganzes Vermögen … den Diakonissen in S.
Die andere Seite des Schriftstücks enthält mit „Mein Testament” überschriebene privatschriftliche Erklärungen der Erblasserin ohne Datumsangabe, die ebenfalls die Erbeinsetzung der Diakonissen in S. enthalten und im übrigen nur unwesentlich von der letztwilligen Verfügung vom 30.12.1982 abweichen. Der Reinnachlaß beträgt DM 663.049,30.
Die Erblasserin besuchte im Alter von 3 bis 6 Jahren (also etwa von 1918 bis 1921) den von Diakonissen geführten evangelischen Kindergarten in S. Eigentümer des 1897 erbauten Hauses und Träger des Kindergartens war bis Ende 1993 der Evangelische Diakonieverein S. e.V.; 1994 wurde die Trägerschaft an die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde S. (Beteiligte zu 3) übergeben. Der Kindergarten wurde seit der Gründung von Diakonissen geführt, die von ihrem Mutterhaus, der Evangelischen Diakonissenanstalt, Anstalt des öffentlichen Rechts in Augsburg (Beteiligte zu 4), entsandt worden waren. Der Kindergarten wurde in S. deshalb als „Diakonissenhaus” bezeichnet; die Kinder, die ihn besuchten, gingen „zu den Diakonissen”. Die Diakonissen wurden 1974 aus S. abgezogen. Die Evangelische Diakonissenanstalt Augsburg (Beteiligte zu 4) betreibt heute einen Kindergarten, eine Fachakademie für Sozialpädagogik sowie eine Altenpflegeschule, ein Krankenhaus und ein Alten- und Altenpflegeheim.
Die Beteiligte zu 1 hat beantragt, einen Erbschein entsprechend der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen; nachdem es in S. keine Diakonissen mehr gebe, sei das Testament gegenstandslos. Die Beteiligte zu 2 ist ebenfalls der Auffassung, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Sie hat darauf verwiesen, daß die Erblasserin vor nahezu 60 Jahren jede Verbindung zu ihrer Heimatstadt S. abgebrochen habe und auch von der evangelischen Kirche enttäuscht gewesen sei. Die Beteiligte zu 3 meint hingegen, das Testament sei dahin auszulegen, daß das Erbe an den Kindergarten gehen solle.
Das Nachlaßgericht hat mit Vorbescheid vom 26.7.2000 die Erteilung eines Erbscheins entsprechend der gesetzlichen Erbfolge angekündigt: Im Testament sei die juristische Person als Erbe eingesetzt, die Träger des Kindergartens sei. Die Erbeinsetzung sei jedoch eine bedingte und mit der Auflage erfolgt, den Diakonissen in S. den Nachlaß zukommen zu lassen. Diese Bedingung könne nicht mehr erfüllt werden.
Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, die Erblasserin habe den Kindergarten unterstützen wollen. Die Beteiligte zu 4 ist der Auffassung, die Erblasserin habe die Gesamtheit der in der Evangelischen Diakonissenanstalt zusammengefaßten Diakonissen gemeint. Die Beteiligte zu 1 und 2 sind der Beschwerde entgegengetreten. Die Beteiligte zu 2 hat vorsorglich die Anfechtung des Testaments erklärt, da von einer unlauteren Fremdbestimmung der Erblasserin bei Abfassung des Testaments auszugehen sei.
Mit Beschluß vom 28.12.2000 hat das Landgericht den Vorbescheid des Nachlaßgerichts aufgehoben. Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit der weiteren Beschwerde.
II.
1. Die nicht fristgebundene weitere Beschwerde ist zulässig (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO); sie ist insbesondere formgerecht erhoben worden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG). Die Beteiligten zu 1 und 2 sind beschwerdeberechtigt, weil das Landgericht die zu ihren Gunsten ergangene Entscheidung des Nachlaßgerichts aufgehoben und das von ihnen geltend gemachte gesetzliche Erbrecht verneint hat (vgl. BayObLGZ 1994, 73/74; Keidel/Kahl FGG 14. Aufl. § 27 Rn. 10). Das Rechtsmittel hat aber keinen Erfolg.
2. Das Landgericht hat ausgeführt:
Die Beschwerde sei zulässig, weil die Versäumung der im Vorbescheid gesetzte...