Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Rücknahme eines Erbscheinsantrags beinhaltet keinen Verzicht auf die Erbenstellung.

2. Die Nachlassgerichte in Bayern haben die Erben von Amts wegen festzustellen, gleichgültig, ob es sich um gesetzliche Erbfolge oder um eine Erbfolge aufgrund einer Verfügung von Todes wegen handelt. Hieran hat sich nichts geändert, dass der zuvor in § 3 BayNachlG geregelte Grundsatz der Erbenmittlung von Amts wegen in der Neufassung des AGGVG im Jahre 1981 dorthin übernommen wurde.

 

Normenkette

AGGVG Art. 37 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 31.07.1990; Aktenzeichen 16 T 9339/90)

AG München (Aktenzeichen 95 VI 521/89)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 31. Juli 1990 abgeändert. Das Amtsgericht – Nachlaßgericht – München wird angewiesen, den am 22. Juli 1991 bewilligten gemeinschaftlichen Erbschein einzuziehen.

 

Tatbestand

I.

1. Die ledige Erblasserin starb ohne Hinterlassung von Abkömmlingen. Sie hatte keine Geschwister. Der Beteiligte zu 1 war im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin ihr nächster lebender Verwandter und alleiniger gesetzlicher Erbe der dritten Ordnung i.S.d. § 1926 BGB.

Die Beteiligte zu 2 ist die Ehefrau des Beteiligten zu 1, der Beteiligte zu 3 – neben zwei weiteren Geschwistern – der Sohn der Beteiligten zu 1 und 2. Die Beteiligten zu 4 und zu 5 sind die Mieter eines der Erblasserin gehörenden Hauses in München.

Die Erblasserin hinterließ ein eigenhändig ge- und unterschriebenes Testament vom 18.9.1988, dessen Original vom Beteiligten zu 1 an das Nachlaßgericht abgesandt wurde, dort aber nicht einging. Das Testament, von dem eine Ablichtung vorliegt, hat folgenden Wortlaut:

Testament!

Ich … (Erblasserin) lege hiermit meinen letzten Willen nieder.

Mein Häuschen mit Garten in B. soll daßjenige bekommen, der mich in Krankheit pflegt und mich betreut, das Grab übernimmt und mindestens 30 Jahre erhält und pflegt. Den Inhalt des Häuschens, die Möbel Kleider, Wäsche, Schmuck etc., also alles was im Haus vorhanden ist, bekommt … (Beteiligte zu 2). Mein Hund muß ebenfalls übernommen werden und gut behandelt werden, solange er lebt.

Mein Haus in M. habe ich für 20 Jahre an … (Beteiligte zu 4 und zu 5) vermietet. … Nach meinem Ableben soll die Miete an … (Beteiligte zu 2) überwiesen werden. Ich verlange daß … (Beteiligte zu 4 und zu 5) die 20 Jahre solange der Mietvertrag läuft in Ruhe gelassen wird. Wenn nach 20 Jahren von den B. (Familienname der Beteiligten zu 1 und 2) noch jemand lebt, soll er das Haus erben, wenn nicht, soll das Haus den … (Beteiligte zu 4 und 5) bleiben…

Was an bar Geld (Sparkassenbücher etc. vorhanden ist bekommt ebenfalls … (Beteiligte zu 2). Für Beerdigungskosten hat sie aufzukommen.

Der Wert des Hauses in B. wurde mit ca. 770 000 DM, derjenige des Hauses in M. mit ca. 495 000 DM und der Wert des sonstigen Vermögens mit ca. 64 000 DM ermittelt.

2. Das Nachlaßgericht hat am 22.7.1991 einen gemeinschaftlichen Erbschein bewilligt, wonach die Erblasserin vom Beteiligten zu 1 zu 80 % und von der Beteiligten zu 2 zu 20 % beerbt wurde. Ferner ist vermerkt:

Hinsichtlich des Erbteils der … (Beteiligte zu 2) und hinsichtlich 20 % des Erbteils des … (Beteiligter zu 1) ist Nacherbfolge angeordnet. Diese bezieht sich nur auf den Grundbesitz in M.

Die Nacherbfolge tritt ein bei Tod eines der Vorerben vor dem 01.07.2008. Nacherbe ist der überlebende Vorerbe.

Falls auch dieser innerhalb dieses Zeitraums verstirbt, sind Nacherben … (Beteiligte zu 4) und … (Beteiligter zu 5).

3. Der Erbscheinserteilung war folgendes gerichtliche Verfahren vorausgegangen:

Das Nachlaßgericht hatte mit Beschluß vom 4.12.1989 einen Vorbescheid erlassen. Der darin angekündigte Erbschein entsprach im wesentlichen dem vom 22.7.1991; er wies aber aus, daß im Falle des Versterbens beider Vorerben vor dem 1.7.2008 zunächst die drei Kinder der Vorerben, darunter der Beteiligte zu 3, Nacherben sind und daß die Beteiligten zu 4 und 5 zu Nacherben nur berufen sind, falls sowohl die Vorerben als auch deren drei Kinder vor dem 1.7.2008 versterben. Das Nachlaßgericht war dabei davon ausgegangen, daß die Erblasserin im Testament vom 18.9.1988 über ihr ganzes Vermögen verfügen wollte, die Verfügung hinsichtlich der mit „Mein Häuschen … in B.” bezeichneten Vermögensmasse aber unwirksam sei, so daß insoweit (60 % der Erbmasse) gesetzliche Erbfolge eingreife. Hinsichtlich des übrigen Vermögens, dessen Schwerpunkt das Haus in M. ausmache, seien die Beteiligte zu 2 und ihr Ehemann eingesetzt; dessen Erbquote berechne sich daher insgesamt auf 80 %. Hinsichtlich der Erbquote der Beteiligten zu 2 von 20 % und des entsprechenden Anteils des Beteiligten zu 1 aufgrund gewillkürter Erbfolge sei Nacherbschaft für den Fall angeordnet, daß einer der Vorerben vor dem 1.7.2008 (Ablauf der 20jährigen Frist des Mietvertrages) versterbe. Die Klausel des Testaments „wenn nach 20 Jahren von den B. noch jemand lebt” legte ...

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