Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Nachlassgericht hat grundsätzlich nicht zu prüfen, aus welchem Grund und zu welchem Zweck die Erteilung des Erbscheins beantragt wird, sonder es hat den Erbschein gemäß §§ 2353, 2359 BGB zu erteilen, sofern die Voraussetzungen der §§ 2354 bis 2357 BGB erfüllt sind und es die zur Begründung des Antrags erforderlichern Tatsachen für festgestellt erachtet. In der Regel darf deshalb das Nachlassgericht dem Erben die Erteilung nicht mit der Begründung verweiger, dass er keines Erbscheins bedürfe.
2. Nach allgemeiner Ansicht wird die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn dieses ohne den Willen des Erblassers vernichtet worden ist, und in einem solchen Fall Errichtung sowie Inhalt des Testaments auf Grund aller zulässigen Beweismitteln festgestellt werden konnte.
Normenkette
BGB §§ 2353, 2359
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 06.03.1990; Aktenzeichen 2 T 15/90) |
AG Coburg (Aktenzeichen VI 502/86) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluß des Landgerichts Coburg vom 6. März 1990 wird zurückgewiesen
II. Die Beteiligte zu 2 hat die der Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 698.316 DM festgesetzt
Tatbestand
I.
Der am 29.5.1986 im Alter von 64 Jahren verstorbene Erblasser hat mehrere Grundstücke und Geldvermögen hinterlassen. Die Beteiligte zu 1 ist seine Ehefrau, mit der er in zweiter Ehe kinderlos verheiratet war. Die Beteiligten zu 2 und 3 sind die Töchter des Erblassers aus seiner ersten Ehe. Die Beteiligten haben mit notarieller Urkunde vom 27.6.1986 beim Nachlaßgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach der Erblasser auf Grund Gesetzes von seiner Ehefrau zur Hälfte und von seinen beiden Töchtern zu je ein Viertel beerbt worden sei. Die Beteiligte zu 1 hat dazu erklärt, sie habe mit ihrem Ehemann privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament errichtet, das noch zu beider Lebzeiten von ihnen widerrufen und in Aufhebungsabsicht vernichtet worden sei. Dies traf nicht zu, denn ein im Jahr 1983 vom Erblasser geschriebenes und unterschriebenes, von der Beteiligten zu 1 mitunterzeichnetes Testament war damals noch vorhanden und ist erst im August 1986 vernichtet worden. Am 27.6.1986 schlössen die Beteiligten einen notariell beurkundeten Vertrag zur Auseinandersetzung des Nachlasses. Danach erhielt jede Tochter ein Grundstück zu Alleineigentum sowie die Hälfte eines Wertpapierdepots, die Witwe den sonstigen beweglichen und unbeweglichen Nachlaß. Das Nachlaßgericht bewilligte am 21.7.1986 den beantragten Erbschein auf Grund gesetzlicher Erbfolge. Es zog diesen am 7.4.1989 als unrichtig ein, nachdem es davon Kenntnis erhalten hatte, daß das vom Erblasser hinterlassene Testament nach Eintritt des Erbfalls vernichtet worden war. Die Beteiligte zu 3 hat eine im Jahr 1989 erhobene Klage, mit der sie die Erbunwürdigkeit der Witwe geltend machte, darauf gestutzt, daß sie das Testament beseitigt habe. Diese Klage hat das Landgericht durch Urteil vom 11.7.1989 abgewiesen. Nunmehr beantragte die Witwe beim Nachlaßgericht einen Erbschein, wonach sie Alleinerbin ihres Ehemannes geworden sei. Dazu hat sie ein mit Schreibmaschine geschriebenes, nicht unterzeichnetes Schriftstuck vorgelegt, das der Erblasser als Abschrift des von den Eheleuten errichteten gemeinschaftlichen Testaments gefertigt habe. Dieses Schriftstuck tragt die Überschrift „Unser Testament” und lautet:
„Wir, die Eheleute … setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Auf den Tod des Letztlebenden von uns setzen wir die beiden Tochter … ein.
Außerdem sollen, falls ich, … (= Erblasser) als erster sterben sollte, meine beiden vorgenannten Tochter … die beiden Hausgrundstücke … sowie das Wertpapierdepot … erben und in Erbengemeinschaft bis 10 Jahre nach meinem Tod weiterfuhren.
…
Coburg, den 11. November 1983.”
Die Tochter des Erblassers sind dem Erbscheinsantrag entgegengetreten. Sie haben geltend gemacht, nach durchgeführter Erbauseinandersetzung fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis. Außerdem stimme das vorgelegte Schriftstuck nicht mit dem Originaltestament überein. Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß vom 19.1.1990 die Erteilung des beantragten Erbscheins angekündigt, wenn nicht binnen zwei Wochen Beschwerde eingelegt werde. Die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 hat das Landgericht durch Beschluß vom 6.3.1990 zurückgewiesen Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1 Das Landgericht hat ausgeführt:
Für die Erteilung des beantragten Erbscheins fehle es nicht an einem Rechtsschutzbedürfnis. Die Antragstellerin habe schon wegen der Zweifelhaftigkeit des sie benachteiligenden Erbauseinandersetzungsvertrags ein erhebliches Interesse an der Feststellung, daß sie Alleinerbin ihres Ehemannes geworden sei. Das Rechtssc...