Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach allgemeiner Ansicht berührt es die Wirksamkeit eines Testaments nicht, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verlorengegangen oder sonst nicht auffindbar ist.
2. In einem solchen Fall können Errichtung und Inhalt des Testaments mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden (BayObLG aaO und Rpfleger 1985, 194, jeweils m.w. Nachw.), wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind.
Normenkette
BGB §§ 2255, 2358, 2361
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 24.11.1989; Aktenzeichen 13 T 3336/89) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 24. November 1989 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Der seit 1983 verwitwete und kinderlose Erblasser ist am 12.6.1988 im Alter von fast 80 Jahren verstorben. Die Beteiligten zu 2 bis 6 sind Kinder zweier vorverstorbener Geschwister des Erblassers; sie kommen als gesetzliche Erben in Betracht. Die Beteiligte zu 1 ist eine Nichte seiner Ehefrau. Sie war seit 1945 in dem von ihr betriebenen Textilgeschäft tätig und wurde nach dem Tod ihrer Tante deren Alleinerbin. Das Nachlaßgericht stützte sich seinerzeit auf die Aussage des Zeugen A., der bekundet hatte, er habe ein privatschriftliches Testament der Ehefrau des Erblassers gesehen, in dem diese die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin eingesetzt hatte. Das Textilgeschäft wurde von der Beteiligten zu 1 fortgeführt. Sie betreute auch den im Geschäftsanwesen wohnenden Erblasser bis zu seinem Tod.
Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Sparguthaben.
Der Beteiligte zu 3 beantragte am 16.9.1988 einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihn und den Beteiligten zu 2 als Miterben zu je 1/4 sowie die Beteiligten zu 4 bis 6 als Miterben zu je 1/6 ausweisen sollte. Er berief sich auf die gesetzliche Erbfolge, da der Erblasser keine letztwillige Verfügung errichtet habe. Die Beteiligte zu 1 hatte zunächst gegenüber dem Nachlaßgericht erklärt, sie sei nicht erbberechtigt, trat dann aber dem Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3 mit der Behauptung entgegen, daß der Erblasser sie in einem nicht mehr auffindbaren eigenhändigen Testament als Alleinerbin eingesetzt habe. Das könne ihr Steuerberater, der Zeuge A., bestätigen. Nachdem das Nachlaßgericht diesen sowie zwei weitere Zeugen vernommen hatte, wies es mit Beschluß vom 23.3.1989 die Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 2 bis 6 zurück (Nr. I) und kündigte die Erteilung eines Alleinerbscheins an die Beteiligte zu 1 an, falls diese einen formgerechten Erbscheinsantrag stelle (Nr. II). Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, daß eine formgerechte Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 durch die Aussage des Zeugen A. bewiesen sei. Dieser hatte vor dem Nachlaßrichter bekundet, der Erblasser habe ihm anläßlich einer steuerrechtlichen Beratung ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück vom 13.4.1986 vorgelegt, in dem ausgeführt war, der Erblasser werde von seinem Hund beerbt. Auf Bedenken gegen die Rechtswirksamkeit einer derartigen Erbeinsetzung hingewiesen habe der Erblasser folgenden Zusatz angebracht: „Falls vorstehendes Testament unwirksam ist, soll meine Nichte (=Bet. zu 1) Alleinerbin sein mit der Auflage, daß sie den Hund weiterhin versorgt”. Auch diesen Zusatz habe der Erblasser unterschrieben.
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2 bis 6 vernahm die Beschwerdekammer die Zeugen A. und B.. Mit Beschluß vom 24.11.1989 wurde die Entscheidung des Nachlaßgerichts „abgeändert” (Nr. I). Dieses wurde angewiesen, den von den Beteiligten zu 2 bis 6 beantragten Erbschein zu erteilen (Nr. II). Eine Ausfertigung des vom Nachlaßgericht am 11.1.1990 bewilligten Erbscheins wurde am 23.1.1990 an den Beteiligten zu 3 hinausgegeben.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 26.1.1990 legte die Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde ein und beantragte zunächst, den Beschluß des Landgerichts vom 24.11.1989 aufzuheben. Diesen Antrag wiederholte sie mit Schriftsatz vom 7.2.1990. Sie beantragt ferner, die Sache zur „beabsichtigten Erbscheinserteilung laut Bescheid des Amtsgerichts Hersbruck vom 23.3.1989 an das Amtsgericht, hilfsweise zur erneuten Entscheidung an das Landgericht” zurückzuverweisen. Die Beteiligten zu 2 bis 6 beantragen, die weitere Beschwerde zurückzuweisen.
Der Senat hat auf Antrag der Beteiligten zu 1 durch einstweilige Anordnung vom 5.3.1990 dem Beteiligten zu 3 aufgegeben, den ihm erteilten Erbschein zu den Akten des Nachlaßgerichts zurückzugeben. Dieser Aufforderung ist der Beteiligte zu 3 nachgekommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die mit dem Ziel der Einziehung (§ 2361 BGB) des inzwischen erteilten Erbscheins zulässige weitere Beschwerde (vgl. BayObLGZ 1982, 236/239 m.w.Nachw.) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgeri...