Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Verfügt der Betroffene bei Eintritt seines Todes über Aktivvermögen, so ist dieses in vollem Umfang bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen; eine Schongrenze ist nicht zuzubilligen.
2. Die Erben haften für die Nachlaßverbindlichkeiten, zu denen auch der Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers und die Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) gehören, grundsätzlich unbeschränkt. Die Erben können allerdings eine allgemeine Beschränkung ihrer Haftung durch die in § 1975 bis 1992 BGB geregelten Beschränkungsmittel herbeiführen. Diese Einrede kann auch im Vergütungsverfahren bis zum Schluß der letzten Tatsacheninstanz erhoben werden.
Normenkette
BGB § 1836 Abs. 2 S. 4, § 1835 Abs. 4 S. 1, § 1990
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 11.03.1996; Aktenzeichen T 30/96) |
AG Viechtach (Beschluss vom 31.01.1996; Aktenzeichen XVII 31/95) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde wird der Beschluß des Landgerichts Deggendorf vom 11. März 1996 aufgehoben.
II. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluß des Amtsgerichts Viechtach vom 31. Januar 1996 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Mit Beschluß vom 16.3.1994 bestellte das Amtsgericht für den Betroffenen einen Berufsbetreuer, den Beteiligten zu 1. Als dessen Aufgabenkreis bestimmte es die Sorge für die Gesundheit und das Vermögen sowie die Aufenthaltsbestimmung. Am 21.8.1995 verstarb der Betroffene.
Mit Beschluß vom 28.12.1995 bewilligte das Amtsgericht (Rechtspfleger) dem Betreuer für dessen Tätigkeit in der Zeit vom 16.3.1995 bis 4.10.1995 eine gegen die Erben des Betroffenen, die Beteiligten zu 2, zustehende Vergütung von 1.405,84 DM und Aufwendungsersatz in Höhe von 169,97 DM. Auf die Erinnerung der Erben des Betroffenen änderte das Amtsgericht (Rechtspfleger) am 31.1.1996 den Beschluß vom 28.12.1995 dahingehend ab, daß
- die Erben an den Betreuer Auslagenersatz und Vergütung in Höhe von 404,58 DM einschließlich Mehrwertsteuer zu zahlen haben,
- dem Betreuer eine restliche Vergütung von 1.170,43 DM einschließlich Mehrwertsteuer gegen die Staatskasse (= Beteiligte zu 3) bewilligt wird.
Auf die als Beschwerde geltende Erinnerung der Staatskasse hat das Landgericht mit Beschluß vom 11.3.1996 den Beschluß des Amtsgerichts vom 31.1.1996 in Nr. 2 aufgehoben. Hiergegen wendet sich der ehemalige Betreuer.
Entscheidungsgründe
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Es ist insbesondere nicht durch § 1908 i Abs. 1 Satz 1, § 1835 Abs. 4 Satz 2, § 1836 Abs. 2 Satz 4 BGB, § 16 Abs. 2 ZSEG ausgeschlossen (BGH NJW 1997, 58).
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Beschlusses des Landgerichts und zur Zurückweisung der Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 31.1.1996.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der ehemalige Betreuer habe keinen Anspruch auf Vergütung gegen die Staatskasse, weil der Betroffene nicht mittellos gewesen sei. Der Betroffene habe zum Zeitpunkt des Todes über ein Sparkassenguthaben in Höhe von 9.871,54 DM verfügt. Außerdem habe ihm ein – allerdings erst nach seinem Tod fällig gewordener – Rückerstattungsanspruch gegenüber einer Unfallversicherung in Höhe von 3.400,85 DM zugestanden. Die Erben des Betroffenen könnten sich nicht darauf berufen, daß der Sozialhilfeträger von ihnen die Erstattung eines Betrages von 8.772,39 DM verlangt habe, weil der Betroffene Sozialhilfe in dieser Höhe zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Die Geltendmachung dieser Forderung widerspreche nämlich § 92 c Abs. 3 BSHG. Der Nachlaß reiche somit zur Bezahlung der Betreuervergütung aus.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO).
Der ehemalige Betreuer hat einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse in Höhe des vom Amtsgericht mit Beschluß vom 31.1.1996 festgesetzten Betrages, weil die von den Erben des verstorbenen Betroffenen erhobene Unzulänglichkeitseinrede durchgreift, § 1836 Abs. 2 Satz 4, § 1835 Abs. 4 Satz 1, § 1990 BGB.
a) Für die Frage, ob einem Berufsbetreuer wegen Mittellosigkeit ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht, ist, wenn der Betroffene verstorben ist, auf die Verhältnisse zur Zeit der letzten Tatsachenentscheidung unter Berücksichtigung derjenigen zum Zeitpunkt des Todes abzustellen (BayObLGZ 1995, 395 ff.).
b) Verfügt der Betroffene bei Eintritt seines Todes über Aktivvermögen, so ist dieses in vollem Umfang bei der Festsetzung der Vergütung zu berücksichtigen; eine Schongrenze ist nicht zuzubilligen (BayObLGZ 1995, 395 ff.).
c) Hier war nach den Feststellungen des Landgerichts zwar zum Zeitpunkt des Todes des Betroffenen ein Aktivnachlaß in Höhe von insgesamt 13.272,39 DM vorhanden. Die von den Erben erhobene Unzulänglichkeitseinrede greift jedoch durch.
(1) Die Erben haften für die Nachlaßverbindlichkeiten, zu denen auch der Vergütungsanspruch des Berufsbetreuers (BayObLG FamRZ 1996, 1173) und die Beerdigungskosten (§ 1968 BGB) gehören, grundsätzlich unbeschränkt. Die Erben können allerdings eine allgemein...