Leitsatz (amtlich)

1. Sieht das Gericht Anlaß, die Testierfähigkeit der Erblasserin zu überprüfen, so bedarf es dann nicht der Erholung eines Sachverständigengutachtens, wenn nach den im Einzelfall gebotenen Ermittlungen dem Gericht keine ernsthaften Zweifel an der Testierfähigkeit verbleiben.

2. Die Frage, ob der Erblasser mehrere Erben zu gleichen Teilen oder einige von ihnen auf einen gemeinschaftlichen Erbteil eingesetzt hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Die Bezeichnung „Eheleute” ist für sich allein noch kein ausreichendes Indiz für die Einsetzung auf einen gemeinschaftlichen Erbteil.

3. Die Ergänzungsregel des § 2091 BGB greift erst ein, wenn die Erbanteile nicht durch Auslegung bestimmt werden können.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 2084, 2091, 2093, 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 10.09.1998; Aktenzeichen 16 T 17180/97)

AG München (Aktenzeichen 60 VI 8666/96)

 

Tenor

I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 10. September 1998 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 3 hat den Beteiligten zu 1 und 2 die ihnen im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf DM 336.111,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die im Alter von 97 Jahren verstorbene Erblasserin war verheiratet. Aus der Ehe ging ihr einziges Kind hervor, das 1926 im Alter von 4 Jahren verstarb. Der Ehemann starb 1969 und wurde von der Erblasserin beerbt. Ihre drei Schwestern sind kinderlos vorverstorben. Der Beteiligte zu 2 ist der Großneffe des Ehemanns der Erblasserin, die Beteiligte zu 1 seine Ehefrau. Der Beteiligte zu 3 ist Rechtsanwalt und war über 30 Jahre lang der anwaltliche Berater der Erblasserin. Das Vormundschaftsgericht bestellte für sie auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens am 15.3.1996 einen Betreuer. Am 11.6.1996 verstarb die Erblasserin. Der Nachlaß besteht aus mehreren Immobilien im Gesamtwert von DM 8,9 Mio. und Geldvermögen in Höhe von DM 670.000,–.

In der Zeit vom 25.3.1970 bis 14.5.1988 errichtete die Erblasserin 21 verschiedene privatschriftliche Testamente, mit denen sie u.a. ihre Schwestern zu Erbinnen einsetzte und zahlreiche Vermächtnisse aussetzte.

Am 1.10.1989 verfaßte die Erblasserin folgendes privatschriftliche Testament:

Testament

unter Aufhebung aller meiner früheren Testamente bestimme ich folgendes:

I. Erbfolge:

Meine Erben sollen werden: Herr RA R. (Beteiligter zu 3) und Herr Steuer-Berater S. zu gleichen Teilen. Stirbt ein Erbe vor mir, so fällt sein Erbteil dem anderen Erben zu.

II. Grundstücks-Vermächtnisse:

Es sollen erhalten

a) …

b) das Anwesen F. Straße 3

die Eheleute B. (Beteiligte zu 1 und 2)

c) …

f) das bebaute Grundstück M. die Eheleute B.

III. Sonstige Vermächtnisse

Am 15.1.1990 errichtete die Erblasserin folgendes eigenhändig geschriebene und unterschriebene Testament:

Ich ändere mein Testament vom 1.X.1989 in einigen Punkten wie folgt:

I. Erbfolge:

Meine Erben sollen werden: Eheleute B. (Beteiligte zu 1 und 2) u. Herr Rechtsanwalt R. (Beteiligter zu 3). Stirbt ein Erbe vor mir, so fallt sein Erbteil dem anderen Erben zu.

II. Grundstücksvermächtnisse (Ergänzung)

III. Sonstige Vermächtnisse:

Der Beteiligte zu 3 beantragte die Erteilung eines Erbscheins, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 und 2 zu insgesamt 1/2 sowie von ihm zu 1/2 beerbt worden sei. Demgegenüber beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 die Erteilung eines Erbscheins, der sie und den Beteiligten zu 3 als Miterben zu je 1/3 ausweist.

Das Nachlaßgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme einer Nichte des Ehemanns der Erblasserin, durch Zeugenvernehmung der Ehefrau des Beteiligten zu 3, durch Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des Hausarztes der Erblasserin zur Frage ihrer Testierfähigkeit und Beiziehung der sie betreffenden Betreuungsakte. Mit Beschluß vom 30.7.1997 hat das Nachlaßgericht einen Erbschein angekündigt, nach dem die Erblasserin von den Beteiligten zu je 1/3 beerbt worden ist. Zugleich hat das Nachlaßgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 3 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 3 Beschwerde eingelegt. Er hat gerügt, keine Gelegenheit zur Einsicht in die beigezogene Betreuungsakte bekommen zu haben und zur Sache ausgeführt: Mit dem Testament vom 15.1.1990 habe die Erblasserin nicht die im Testament vom 1.10.1989 zu seinen Gunsten festgelegte Erbteilsquote von 1/2 abändern wollen. Die Eheleute B. seien zu einer Gruppe zusammengefaßt worden und an die Stelle von S. getreten. Die Erblasserin sei nur von zwei Erbparteien ausgegangen, wie sich aus Satz 2 des ersten Absatzes des Testaments vom 15.1.1990 ergebe. Es sei nicht der Wille der Erblasserin gewesen, ihn vom Hälfteerben zum Drittelerben herunterzustufen. Durch das Testament vom 26.1.1986 sei er nach dem Tod der Schwester der Erblasserin potentieller Alleinerbe geworden; die Erblasserin habe ihm Ende 1989 nach Abfassung des Testaments vom 1.10.198...

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