Entscheidungsstichwort (Thema)
Akteneinsicht in Nachlassakte
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob die in den Akten befindlichen Schriftsätze und Urkunden freiwillig eingereicht werden oder nicht, ist für die Entscheidung über die Gestattung von Akteneinsicht unerheblich.
2. Gegenstand der Akteneinsicht ist grundsätzlich die Gerichtsakten mit allen darin befindlichen Urkunden.
Normenkette
FGG § 34 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 16.06.1989; Aktenzeichen 16 T 26153/88) |
AG München (Beschluss vom 29.11.1988; Aktenzeichen 97 VI 9131/87) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin werden die Beschlüsse des Landgerichts München I vom 16. Juni 1989 und des Amtsgerichts München vom 29. November 1988 aufgehoben.
II. Das Amtsgericht München wird angewiesen, den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin Einsicht in die Nachlaßakten (97 VI 9131/87) zu gestatten.
Tatbestand
I.
Der Erblasser starb im Jahr 1987 im Alter von 50 Jahren. Er hat seinen am 4.6.1974 geborenen Sohn durch handschriftliches Testament als Alleinerben eingesetzt und bis zu dessen 25. Lebensjahr Testamentsvollstreckung angeordnet. Als Testamentsvollstrecker hat der Erblasser den Beteiligten zu 3 bestimmt. Diesem hat das Nachlaßgericht ein Testamentsvollstreckerzeugnis ausgehändigt. Außerdem hat es einen Erbschein erteilt, der den Sohn des Erblassers als Alleinerben ausweist. Dessen gesetzliche Vertreterin ist seine Mutter, die geschiedene Ehefrau des Erblassers.
Nach der Erbscheinserteilung, gegen die kein Rechtsmittel eingelegt wurde, wandte sich die Mutter des Erblassers (Antragstellerin) an das Nachlaßgericht. Dieses gab ihr Auskunft über die bereits erteilten Zeugnisse sowie über den Inhalt des Testaments. Sodann beantragte die Antragstellerin Einsichtnahme in die Nachlaßakten mit der Erlaubnis, Ablichtungen von den Erklärungen des Testamentsvollstreckers zu erstellen oder durch das Nachlaßgericht erteilen zu lassen, insbesondere von dem Nachlaßverzeichnis nebst Anlagen. Sie trägt vor, sie habe ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht, um ihre Rechte gegenüber dem Testamentsvollstrecker wahrzunehmen und zu verteidigen. Der Testamentsvollstrecker mache gegen sie Ansprüche aus Übertragung von Gesellschaftsanteilen und Bankguthaben geltend. Es bestehe der Verdacht, daß er im Nachlaßverzeichnis sowohl bei den Aktiva als auch bei den Passiva unrichtige Angaben gemacht habe. Auf Grund unrichtiger Angaben über die Liquidität des Nachlasses habe er von ihr einen Betrag von 225.000 DM „herausgelockt”. Dieser Anspruch werde eingeklagt.
Den Antrag auf Einsichtnahme in die Nachlaßakten hat der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts durch Beschluß vom 29.11.1988 zurückgewiesen. Dagegen hat die Antragstellerin Erinnerung eingelegt. Der Rechtspfleger hat nicht abgeholfen. Der Nachlaßrichter hat die Erinnerung dem Landgericht vorgelegt. Durch Beschluß vom 16.6.1989 hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Antragstellerin. Sie beantragt, den Beschluß aufzuheben, wiederholt den vor dem Nachlaßgericht gestellten Antrag und beantragt hilfsweise, die Sache zurückzuverweisen. Der Testamentsvollstrecker sowie die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Alleinerben beantragen, die weitere Beschwerde zu „verwerfen”.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Das Nachlaßgericht habe den Antrag auf Akteneinsicht mit Recht zurückgewiesen. Zur Entscheidung über den Antrag sei der Rechtspfleger zuständig gewesen. Es könne davon ausgegangen werden, daß die Antragstellerin, die schon bisher „in mehreren Zweigen der Justiz” gegen den Testamentsvollstrecker vorgehe, beabsichtige, den Inhalt des Nachlaßverzeichnisses daraufhin zu überprüfen, welche weiteren Schritte gegen den Testamentsvollstrecker zu unternehmen seien, so daß ihre Kenntnis von dem Nachlaßverzeichnis durchaus ihr Verhalten beeinflussen könne. Es bleibe dahingestellt, ob die in einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts offenbar angenommene weite Auslegung des berechtigten Interesses auch hier anzuerkennen sei. Selbst wenn man ein berechtigtes Interesse bejahen würde, müsse der Antragstellerin jedenfalls die Einsicht in das Nachlaßverzeichnis versagt werden. Nur auf dieses stützten sich ihre sämtlichen Angaben zur Darlegung eines berechtigten Interesses. Das Nachlaßverzeichnis werde von dem Erben, hier vom Testamentsvollstrecker, auf freiwilliger Basis erstellt, um dem Nachlaßgericht die Berechnung der Gerichtskosten zu ermöglichen. Eine erzwingbare Pflicht zur Erstellung eines Nachlaßverzeichnisses bestehe nicht. Angaben auf freiwilliger Basis, ohne gesetzliche Verpflichtung oder Sanktion, seien in besonderem Maße geheimhaltungsbedürftig. Sie könnten somit nur denjenigen Personen zugänglich gemacht werden, für die sie von rechtserheblicher Bedeutung seien. Dies treffe für den Vertreter der Staatskasse zu sowie für die anwaltlich vertretenen Beteiligten, wenn...