Leitsatz (amtlich)

1. Zur Nachlaßspaltung, wenn zum Nachlaß eines vor dem 3.10.1990 verstorbenen Erblassers ein Grundstück in der ehemaligen DDR gehört.

2. Auswirkungen der unterbliebenen Anhörung möglicher gesetzlicher Erben im Verfahren vor dem Nachlaßgericht und im Beschwerdeverfahren.

 

Normenkette

BGB § 2360 Abs. 2-3; EGBGB Art. 3 Abs. 3, Art. 28 a.F., Art. 220 Abs. 2, Art. 235 § 1; RAG-DDR § 25 Abs. 2, § 26; ZGB DDR § 372; FGG §§ 12, 27 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 29.05.1998; Aktenzeichen 16 T 7926/97)

AG München (Aktenzeichen 65 VI 2812/85)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluß des Landgerichts München I vom 29. Mai 1998 aufgehoben.

II. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Die im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasserin hatte keine Kinder. Ihr Ehemann war bereits 1977 verstorben. Er hatte, nachdem das Ehepaar 1949 von Berlin nach München gezogen war, mit der Beteiligten zu 1 in dem zum Nachlaß gehörenden Hausgrundstück in München eine Versicherungsagentur betrieben, die nach seinem Tod von der Beteiligten zu 1 weitergeführt wurde. Von den drei Geschwistern der Erblasserin lebt noch die Beteiligte zu 2, deren Tochter die Beteiligte zu 3 ist. Eine weitere Schwester ist ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vorverstorben. Drei Söhne und eine Tochter des 1947 verstorbenen Bruders lebten nach den Angaben der Beteiligten zu 2 im Jahr 1985 in Berlin.

Die Erblasserin hat am 14.7.1978 folgendes handschriftliche Testament errichtet:

„Mein Testament.

Ich … setze hiermit … (die Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin meines gesamten Nachlass ein. Das Büro samt sämtlichen Inhalt gehört ihr schon vor dem Tode meines Mannes. Wenn (sie) das Büro auflösen will – dann darf das Haus verkauft werden. Es soll dann die Hälfte an meine Schwester (die Beteiligte zu 2), 1/4 an (die Beteiligte zu 3) und das andere 1/4 an (die Beteiligte zu 1) ausgezahlt werden. Bis dahin soll (die Beteiligte zu 1) meine Wohnung und Haus wie bisher weiterführen.

Eigenhändig geschrieben und unterschrieben …”

Es folgt die Unterschrift der Erblasserin unter Hinzufügung des Datums und der Adresse.

Aufgrund dieses Testaments erteilte das Nachlaßgericht am 16.4.1986 der Beteiligten zu 1 einen Erbschein, wonach die Erblasserin von der Beteiligten zu 1 allein beerbt und Nacherbfolge angeordnet sei für den Fall, daß die Versicherungsagentur aufgelöst werde. Nacherben seien die Beteiligten zu 1 bis 3.

Diesen Erbschein hat das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 14.12.1994 eingezogen, weil der Nacherbfall eingetreten und der Erbschein dadurch unrichtig geworden sei.

Die Beteiligte zu 1 beantragte erneut, ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ohne Nacherbfolgevermerk – ausweise, und zwar beschränkt auf Nachlaßgegenstände im Sinn von § 25 Abs. 2 RAG-DDR; diesen benötige sie zur Grundbuchberichtigung bezüglich eines von der Erblasserin 1938 erworbenen, im ehemaligen Ostteil von Berlin gelegenen Grundstücks. Die Beteiligten zu 2 und 3 hätten ihre Nacherbenanwartschaftsrechte gegen Abfindung auf sie übertragen. Soweit dem Testament überhaupt die Anordnung der Nacherbschaft entnommen werden könne – richtigerweise sei die Anordnung als aufschiebend bedingtes Vermächtnis zu werten –, beziehe sich diese jedenfalls nicht auf das Grundstück in der ehemaligen DDR, zumal das ehemalige DDR-Recht das Rechtsinstitut der Nacherbfolge nicht kenne.

Die Beteiligten zu 2 und 3 traten diesem Antrag entgegen. Die Abfindungszahlung sei nur für die Löschung des Nacherbfolgevermerks bezüglich des Münchener Grundstücks vereinbart worden. Die Vereinbarung beziehe sich keinesfalls auf das Berliner Grundstück, weil zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung noch nicht bekannt gewesen sei, daß zum Nachlaß auch dieses Grundstück gehöre. Man könne aber auch zweifeln, ob die testamentarische Regelung das Grundstück in Berlin überhaupt umfasse. Falls man dies verneine, sei die Beteiligte zu 2 kraft gesetzlicher Erbfolge Alleinerbin.

Die Beteiligten zu 2 und 3 haben daher beantragt, ihnen in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden im Sinn von § 25 Abs. 2 RAG auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einschließlich Ost-Berlin unter Anwendung des ZGB der ehemaligen DDR einen Erbschein zu erteilen, wonach die Erblasserin von den Beteiligten zu 1 und 3 zu je 1/4, von der Beteiligten zu 2 zu 1/2, hilfsweise von der Beteiligten zu 2 allein beerbt wurde.

Nach Vernehmung von Zeugen und Einholung der schriftlichen Äußerung eines weiteren Zeugen hat das Nachlaßgericht mit Beschluß vom 14.3.1997 die Erteilung eines Erbscheins entsprechend dem Antrag der Beteiligten zu 1 angekündigt, der diese in bezug auf das Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden im Sinn von § 25 Abs. 2 RAG auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einschließlich Ost-Berlin als Alleinerbin ausweist. Die Auslegung des Testaments ergebe, daß die Erblasserin, die...

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