Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachlaßsache
Leitsatz (amtlich)
Überprüfung der Testierfähigkeit des Erblassers in einem Fall, in dem der Zeitpunkt der Testamentserrichtung von der Zeitangabe im Testament abweicht.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4, § 2247
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 65 VI 3009/97) |
LG München I (Aktenzeichen 16 T 15397/99) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München I vom 19. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 3 hat die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 3.439,– festgesetzt.
Gründe
I.
Die im Alter von 73 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Die Beteiligten zu 3 bis 12 sind Verwandte mütterlicherseits; die Beteiligte zu 3 kommt als gesetzliche Erbin zu 1/100 in Frage. Der Beteiligte zu 1 ist ein Nachbar, der sich um die schwer zuckerkranke Erblasserin in den letzten Jahren gekümmert hatte.
Die Erblasserin hat ein auf den 1.9.1995 datiertes handschriftliches Testament hinterlassen, in dem sie den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben eingesetzt hat. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Bankguthaben und Wertpapieren; der Reinnachlaßwert beträgt DM 343.866,–.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, ihm einen Erbschein als Alleinerbe der Erblasserin zu erteilen. Das Nachlaßgericht hat nach Einholung von Sachverständigengutachten den Antrag mit Beschluß vom 2.10.1998 mit der Begründung zurückgewiesen, die Erblasserin sei am 1.9.1995 testierunfähig gewesen. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Nachlaßgericht zurückverwiesen. Dieses hat eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt und mit Beschluß vom 21.6.1999 erneut den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, in der er vorträgt, das Testament sei nicht am 1.9.1995, sondern bereits am 9.7.1995 verfaßt worden; zu diesem Zeitpunkt sei die Erblasserin testierfähig gewesen. Nach Vernehmung dreier Zeugen und der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hat das Landgericht mit Beschluß vom 19.7.2000 den Beschluß des Nachlaßgerichts vom 21.6.1999 aufgehoben und es angewiesen, dem Beteiligten zu 1 einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben der Erblasserin aufgrund Testaments ausweist. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 3 „sofortige weitere Beschwerde” eingelegt, der der Beteiligte zu 1 entgegengetreten ist.
II.
1. Das Rechtsmittel ist als nicht fristgebundene weitere Beschwerde (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) zulässig; insbesondere ist es formgerecht eingelegt worden (§ 29 Abs. 1 Satz 2 FGG); Die Beteiligte zu 3 ist beschwerdeberechtigt, weil die landgerichtliche Entscheidung das von ihr geltend gemachte gesetzliche Miterbenrecht beeinträchtigt (§ 29 Abs. 4, § 20 Abs. 1 FGG).
2. Das Landgericht hat sich aufgrund der Einvernahme der Tochter des Beteiligten zu 1 und einer Freundin der Erblasserin davon überzeugt, daß die Erblasserin das Testament bereits am 9.7.1995 verfaßt und aus ungeklärten Gründen ein unzutreffendes Datum angegeben habe. Es sei nicht erwiesen, daß die Erblasserin zu diesem Zeitpunkt testierunfähig gewesen sei.
3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 550 ZPO) stand.
a) Das Landgericht hat sich zutreffend zunächst der Frage zugewendet, wann die Erblasserin das den Beteiligten zu 1 begünstigende Testament errichtet hat. Die Zeitangabe im Testament hat nach herrschender Meinung, der der Senat sich anschließt, die Bedeutung eines Zeugnisses des Erblassers über den Zeitpunkt der Testamentserrichtung; enthält ein Testament – wie hier – eine von der Unterschrift gedeckte Zeitangabe, so besteht eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit dieser Angabe (BayObLG FamRZ 1991, 237; FamRZ 1992, 724; Palandt/Edenhofer BGB 59. Aufl. § 2247 Rn. 17). Wird diese Vermutung widerlegt, so bleibt das Testament grundsätzlich gültig, da die Datumsangabe nicht zum notwendigen Testamentsinhalt gehört. § 2247 Abs. 5 BGB ist entsprechend anzuwenden (BayObLGZ FamRZ 1994, 593/594; Palandt/Edenhofer aaO Rn. 21).
Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei von der Gültigkeit des Testaments ausgegangen, nachdem es aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Erblasserin die auf den 1.9.1995 datierte letztwillige Verfügung tatsächlich am 9.7.1995 verfaßt hat. Diese Feststellung liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die Tatsachenfeststellung und die ihr zugrundeliegende Beweiswürdigung sind im Rahmen der § 27 Satz 2 FGG, § 550 ZPO nur darauf zu überprüfen, ob das Landgericht den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht (§ 12 FGG), alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und feststehende Erfahrungssätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen hat, auch ob es die Beweisanforde...