Entscheidungsstichwort (Thema)
Urkundenfälschung. Berufung. Berufungskammer. Revision. Revisionsgericht. Sachrüge. Urteilsgründe. Tatgericht. Überzeugungsbildung. Beweiswürdigung. Rechtsfehler. Beweistatsachen. Beweisergebnis. Schlussfolgerung. lückenhaft. unklar. Denkgesetz. Erfahrungssatz. Indiz. Dokumentation. Fälschung. Totalfälschung. Unrichtigkeit. inhaltlich. Gebrauchmachen. echt. unecht. fälschen. Aussteller. Identitätstäuschung. Impfung. Schutzimpfung. Impfstoff. Chargennummer. Vignette. Aufkleber. COVID-19. COVID-19-Impfstoff. Verfallsdatum. mRNA. Handelsname. Impfausweis. Impfnachweis. Impfpass. Impfzertifikat. Patient. Arzt. Arztstempel. Arztpraxis. Apotheke. Apothekenmitarbeiter. Verlesung. Verwertung. Ermittlungsbehörde. Ermittlungsbericht. polizeilich. Ermittlungsergebnisse. Polizei. Polizeibeamter. Ermittlungsbeamter. Beweisperson. Auskunftsperson. Zeuge. Zeugenbefragung. Mund-Nasen-Schutz
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Beweiswürdigung ist lückenhaft, wenn das Tatgericht seiner Überzeugungsbildung Indizien zu Grunde legt, diese aber ausschließlich aus einem Ermittlungsbericht herleitet, ohne sich selbst von der Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse überzeugt zu haben.
2. Auf Ermittlungsberichte, die Polizeibeamte als sogenannte Zeugen vom Hörensagen verfasst haben, können Feststellungen des Tatgerichts nur dann gestützt werden, wenn sie durch andere gewichtige Gesichtspunkte bestätigt werden.
3. Aus der inhaltlichen Unrichtigkeit einer Eintragung in einem Impfausweis kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sie nicht von dem aus der Urkunde hervorgehenden Aussteller stammt.
Normenkette
StGB § 267 Abs. 1; StPO §§ 261, 349 Abs. 2, 4, §§ 353, 354 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Entscheidung vom 01.09.2022) |
Tenor
I.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 1. September 2022 mit den Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen sind die objektiven Feststellungen zur Vorlage eines auf den Namen der Angeklagten lautenden Impfausweises und seines Inhalts durch die Angeklagte am 29.11.2021 in der A-Apotheke in Aschaffenburg, die aufrechterhalten bleiben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Aschaffenburg zurückverwiesen.
III.
Die weitergehende Revision der Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Aschaffenburg hat die Angeklagte am 04.05.2022 wegen Urkundenfälschung (Tatzeit: 29.11.2021) zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu jeweils 40 Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Aschaffenburg mit Urteil vom 01.09.2022 als unbegründet verworfen. Mit ihrer gegen das Berufungsurteil gerichteten Revision rügt die Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Mit Zuleitungsschrift vom 05.04.2023 beantragt die Generalstaatsanwaltschaft München, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision ist weitgehend begründet und führt auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang. Die Überzeugung der Berufungskammer hinsichtlich der den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung tragenden Feststellungen werden von den im Urteil mitgeteilten Beweistatsachen und der aus diesen gezogenen Folgerungen und dem Beweisergebnis nicht getragen.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Am Montag, den 29.11.2021 legte die Angeklagte in der A-Apotheke in Aschaffenburg einem/r dortigen Mitarbeiter/in einen auf ihren Namen lautenden angeblichen Impfausweis vor, in welchem sich eine gefälschte Dokumentation über zwei Schutzimpfungen gegen Covid-19 befand. Als angebliches Datum der Impfungen war der 11.10.2021 und der 15.11.2021 eingetragen. In der Rubrik ,Handelsname und Chargennummer des Impfstoffes (Vignette)' befand sich jeweils ein Aufkleber mit dem angegebenen Impfstoff ,Comirnaty®' und die Chargennummer ,EX3599' (11.10.2021) bzw. ,1D014A' (15.11.2021). In der Spalte ,Art des Impfstoffs (z.B. mRNA, Vektor etc.)' war jeweils ,mRNA' eingetragen. In der Rubrik ,Unterschrift und Stempel des Arztes' befand sich jeweils der vorgebliche Arztstempel Dr. med. S. T., B.-Straße 22, Frankfurt a. Main' und die angebliche jeweilige Unterschrift des genannten Arztes. Bei dem von ihr in der Apotheke vorgelegten Impfpass handelte es sich - wie die Angeklagte wusste - um eine Totalfälschung. Der angebliche Aussteller der Impfbescheinigung, der Arzt Dr. med. S. T., hatte diese in Wahrheit nicht ausgestellt. Die Angeklagte war in dessen Arztpraxis nicht gegen Covid -19 geimpft worden. Durch die Vorlage des gefälschten Impfnachweises wollte die Angeklagte den/die Apothekenmitarbeiter/in über die angeblich durch den genannten Arzt dokumentierten, tatsächlich jedoch nicht durchgeführten und nicht von dem genannten Arzt bescheinigten Schutzimpfungen gegen Covid-19 täuschen,...