Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Ausschluß des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehegatten nach der ersten Alternative des § 1933 Satz 1 BGB, die hier allein in Betracht kommt, hat in formeller Hinsicht zur Voraussetzung, daß der Scheidungsantrag (§ 622 ZPO) des Erblassers dem Antragsgegner wirksam zugestellt worden (§§ 608, 622 Abs. 3, § 253 Abs. 1 ZPO) und dadurch gemäß § 261 Abs. 1 ZPO die Rechtshängigkeit der Scheidungssache begründet worden ist.

 

Normenkette

BGB § 1933; ZPO §§ 261, 270 Abs. 3, § 622

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 28.03.1989; Aktenzeichen 2 T 407/89)

AG Weilheim (Aktenzeichen VI 517/88)

 

Tenor

I. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluß des Landgerichts München II vom 28. März 1989 werden zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten zu 2 und 3 haben die dem Beteiligten zu 1 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

I.

Die am 9.11.1988 morgens um 5.33 Uhr … verstorbene Erblasserin war mit dem Beteiligten zu 1 verheiratet und hatte mit ihm den Güterstand der Gütertrennung vereinbart. Die Erblasserin hatte keine Kinder. Die Beteiligte zu 2 ist ihre Mutter, der Beteiligte zu 3 ihr Bruder.

Die Erblasserin hatte mit einem am 3.11.1988 beim Familiengericht eingegangenen Schriftsatz den Antrag auf Scheidung ihrer Ehe mit dem Beteiligten zu 1 gestellt. Die Antragsschrift ist dem Ehemann am 9.11.1988 durch die Post zugestellt worden. Vor dem Nachlaßgericht hat er erklärt, die Zustellung sei erst nach dem Tod der Erblasserin erfolgt. Er hat die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin auf Grund Gesetzes von ihm als Ehemann zu 1/2 und von ihrer Mutter sowie ihrem Bruder zu je 1/4 beerbt worden sei. Einen Erbschein dieses Inhalts hat der Rechtspfleger des Nachlaßgerichts durch Beschluß vom 20.1.1989 bewilligt. Ausfertigungen davon sind dem Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 erteilt worden.

Am 10.2.1989 haben die Mutter und der Bruder der Erblasserin „gegen den Erbschein” vom 20.11.1989 „Rechtsmittel” eingelegt und beantragt, ihn als unrichtig einzuziehen. Sie haben geltend gemacht, dem Ehemann stehe kein Erbrecht zu, weil seine Ehe mit der Erblasserin auf Grund des von ihr eingeleiteten Scheidungsverfahrens geschieden worden wäre. Außerdem habe er durch eine am 12.10.1988 mit der Erblasserin geschlossene Vereinbarung gegen eine Abfindung von 5.000 DM ihr gegenüber auf sämtliche Ansprüche gleich welcher Art. verzichtet.

Das Nachlaßgericht hat durch Beschluß des Richters vom 24.2.1989 den Antrag auf Einziehung des Erbscheins zurückgewiesen und „dem Rechtsmittel gegen die Ausstellung des Erbscheins” nicht abgeholfen. Anschließend sind die Akten dem Landgericht vorgelegt worden. Dieses hat durch Beschluß vom 28.3.1989 die Beschwerden der Mutter und des Bruders der Erblasserin gegen den Beschluß des Amtsgerichts vom 20.1.1989 zurückgewiesen. Hiergegen haben die Beteiligten zu 2 und 3 „sofortige weitere Beschwerde” eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die auf eine Einziehung des erteilten Erbscheins gerichteten, an keine Frist gebundenen weiteren Beschwerden sind zulässig (§ 27, § 29 Abs. 1, Abs. 2 FGG; Keidel/Zimmermann FGG 12. Aufl. § 84 Rn. 4; Palandt/Edenhofer BGB 49. Aufl. § 2353 Anm. 7 b, g). Sie sind jedoch nicht begründet. Die Entscheidung des Landgerichts ist frei von Rechtsfehlern (§ 27 FGG, § 550 ZPO).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Formelle Voraussetzung für einen Ausschluß des Ehegattenerbrechts sei ein Antrag der Erblasserin auf Ehescheidung, der dem Beteiligten zu 1 wirksam zugestellt worden sei. Daran fehle es hier, denn die Erblasserin sei laut Todesanzeige des Klinikums um 5.33 Uhr verstorben, der Scheidungsantrag aber erst später zugestellt worden, nämlich nach dem Beginn der „ordentlichen Geschäftszeit” der Deutschen Bundespost, der um 8.00 Uhr anzusetzen sei. Eine Zustellung sei erst bewirkt, wenn das Schriftstück nachweislich in den Empfangsbereich desjenigen gelangt sei, dem zugestellt werden solle. Die Zustellung des Scheidungsantrags der Erblasserin sei durch Übergabe an einen zur Familie gehörenden Hausgenossen erfolgt. Erst mit dieser Übergabe sei die Antragsschrift in den Verfügungsbereich des Beteiligten zu 1 gelangt und ihm klar geworden, daß die Erblasserin ihre Scheidungsabsicht eindeutig bekundet habe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Erblasserin jedoch bereits verstorben gewesen. § 1933 BGB sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung komme es darauf an, ob der Scheidungsantrag im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin dem Ehemann tatsächlich zugestellt gewesen sei. Weil es hieran fehle, sei der Erbschein zu Recht erteilt worden. Auch ein rechtswirksamer Erbverzicht liege nicht vor. Schon der Inhalt der Erklärung vom 12.10.1988 stehe ihrer Umdeutung in eine letztwillige Verfügung entgegen.

3. Der vom Nachlaßgericht mit Beschluß vom 20.1.1989 er...

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