Leitsatz (amtlich)

1. Ein formell rechtskräftiger Verweisungsbeschluss des Wohnungseigentumsgerichts, das seine Zuständigkeit verneint und die Sache an das Prozessgericht verweist, ist für dieses grundsätzlich bindend. Dies gilt auch im Fall eines selbständigen Beweisverfahrens. Nachträgliche Änderungen der den Rechtsweg begründenden Umstände sind unerheblich.

2. Die aufdrängende Wirkung des Verweisungsbeschlusses beschränkt sich grundsätzlich auf die Rechtswegfrage; innerhalb des Rechtsweges kann, etwa aus Gründen der sachlichen Zuständigkeit, weiterverwiesen werden.

 

Normenkette

GVG § 17a; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 485

 

Verfahrensgang

AG München

 

Tenor

Die Bestimmung des zuständigen Gerichts wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage; sie haben beantragt, im selbständigen Beweisverfahren ein Sachverständigengutachten über Schäden zu erholen, die dadurch entstanden sein sollen, dass im Auftrag der Antragsgegnerin vor Balkonen an der Südseite der Wohnanlage ein Lastenaufzug aufgestellt worden ist.

Die Antragsgegnerin ist bei Antragstellung keine Wohnungseigentümerin gewesen; für sie war lediglich eine Eigentumsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

Das AG (Wohnungseigentumsgericht) hat mit Verfügung vom 27.1.2003 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts nicht bestehe, da die Antragsgegnerin noch nicht Wohnungseigentümerin sei.

Mit Beschluss vom 28.2.2003 hat sich das AG (Wohnungseigentumsgericht) für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG (Streitgericht) abgegeben. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten am 14.3.2003 förmlich zugestellt.

Mit Beschluss vom 28.3.2003 hat das AG (Streitgericht) die Parteien darauf hingewiesen, dass das AG sachlich nicht zuständig sei, weil die Mängelbeseitigungskosten nach der Behauptung der Antragsteller mehr als 5.000 Euro betragen würden.

Mit Schriftsatz vom 14.4.2003 teilten die Antragsteller mit, dass die Antragsgegnerin nunmehr im Wohnungsgrundbuch als Eigentümerin eingetragen sei. Sie haben beantragt, das Verfahren an das AG (Wohnungseigentumsgericht) zu verweisen.

Mit Beschluss vom 20.5.2003 hat das AG (Streitgericht) sich für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG (Wohnungseigentumsgericht) verwiesen, weil die Antragsgegnerin nunmehr Wohnungseigentümerin sei. Der Beschluss wurde den Parteien am 22.5.2003 formlos mitgeteilt.

Das AG (Wohnungseigentumsgericht) hat am 1.7.2003 die Akten an das AG (Streitgericht) mit dem Vermerk zurückgegeben, dass die Verweisung an das AG (Streitgericht) bindend gewesen sei.

Das AG (Streitgericht) hat am 3.7.2003 die Akten zur Entscheidung über die Zuständigkeit dem BayObLG vorgelegt.

II.1. Das BayObLG ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen (BayObLG NZM 2000, 388; 2002, 461).

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts liegen derzeit nicht vor.

a) Nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO wird das zuständige Gericht dann bestimmt, wenn sich die Gerichte, deren Zuständigkeit in Frage kommt, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Das für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch liegt hier in der Vorlage durch das AG (Streitgericht). Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts zwischen einem Gericht der streitigen Gerichtsbarkeit und einem für Wohnungseigentumssachen zuständigen Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist in Bayern das BayObLG das gemeinsame übergeordnete Gericht (vgl. BayObLGZ 1990, 233 [234 f.] m.w.N.).

b) Eine rechtskräftige Unzuständigerklärung des AG (Streitgericht) liegt nicht vor. Dessen Abgabebeschluss unterliegt gem. § 17a Abs. 4 S. 3 GVG der sofortigen Beschwerde nach § 567 ZPO, da auf das Verhältnis von Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht die Bestimmungen der §§ 17a, 17b GVG entspr. anzuwenden sind (BGH v. 30.6.1995 – V ZR 118/94, MDR 1996, 139 = BGHZ 130, 159 [163]; BGH v. 5.4.2001 – III ZB 48/00, MDR 2001, 951 = BGHReport 2001, 524 = NJW 2001, 2181; BayObLG v. 23.5.1991 – BReg. 2 Z 55/91, MDR 1991, 898 = BayObLGZ 1991, 186 ff.; BayObLGZ 1998, 111 [113]). Der Beschluss des AG (Streitgericht) hätte nach § 329 Abs. 3 ZPO allen Beteiligten/Parteien förmlich zugestellt werden müssen. Dies ist nach Aktenlage nicht geschehen. Die zweiwöchige Frist für die sofortige Beschwerde (§ 569 Abs. 1 ZPO) wurde somit nicht in Gang gesetzt.

Ob bei einem nicht verkündeten Beschluss, der nach § 329 Abs. 3 ZPO hätte zugestellt werden müssen, aber den Beteiligten/Parteien nur formlos mitgeteilt wurde, in entsprechender Anwendung von § 517 ZPO die Frist für die sofortige Beschwerde fünf Monate nach formloser Bekanntgabe beginnt oder nunmehr § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO entgegensteht, kann auf sich beruhen. Denn auch diese Frist wäre noch nicht abgelaufen.

III. Für das weitere Verfahren wir...

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