Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer letztwilligen Verfügung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auslegung einer Verfügung des Erblassers, die eine zuvor erfolgte erbvertragliche Verfügung über den hälftigen Anteil des Nachlasses bestätigt.
2. Den Rechtsanwalt sowie den Steuerberater mußte das Landgericht nicht über ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 383 Abs. 2 ZPO belehren; denn das Gesetz sieht eine Belehrungspflicht nur in den Fällen des § 383 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 ZPO vor, jedoch nicht im Fall des § 383 Abs. 1 Nr. 6, der hier auf Grund der beruflichen Tätigkeit in Betracht kommt.
3. Kommt auf Grund der beruflichen Funktion ein Zeugnisverweigerungsrecht in Betracht (§ 15 Abs. 1 Satz 1 FGG, § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO), so ist darauf abzustellen, ob in dem durch das Beweisthema bestimmten Einzelfall die Aussage in einen Konflikt mit dem durch die Berufspflichten des Zeugen bedingten Vertrauenstatbestand geraten könnte. Ein solcher Konflikt besteht hier nicht, weil das Beweisthema nur die Willensbildung des Erblassers über den Inhalt und das Zustandekommen der letztwilligen Verfügung betrifft.
Normenkette
BGB § 2084; ZPO § 383
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 01.08.1989; Aktenzeichen 4 T 8/89) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluß des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 1. August 1989 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1 hat die dem Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I.
Der Erblasser, ein Hotelier und Geschäftsmann, ist 1988 im Alter von 79 Jahren verstorben. Er hatte drei Kinder, die Beteiligten zu 1 und 2 sowie einen Adoptivsohn. Die Beteiligte zu 1 ist die Tochter aus der zweiten, geschiedenen Ehe des Erblassers; der Beteiligte zu 2 stammt aus der ersten Ehe. Die erste Ehefrau des Erblassers ist vor ihm verstorben. Zum Nachlaß gehören ein Hotel … sowie mehrere landwirtschaftliche Grundstücke.
Mit seinem Adoptivsohn hatte der Erblasser im Jahr 1966 zu notarieller Urkunde einen Vertrag geschlossen. Darin hat der Adoptivsohn auf Erbe und Pflichtteil verzichtet.
Zu notarieller Urkunde vom 3.9.1970 hatte der Erblasser gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau anläßlich der Ehescheidung einen Erbvertrag geschlossen. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:
„Ich … setze hiermit meine Tochter … zur Hälfte zu meiner Erbin ein, und zwar erbvertragsmäßig.
II.
Meine vorgenannte Tochter … erhält weiter als Vorausvermächtnis aus meinem Grundstück … eine erst amtlich zu vermessende Teilfläche von ca. 600 qm … Meiner Tochter mache ich zur Auflage, daß die Teilfläche … nur mit einem Einfamilien-Bungalow … bebaut werden darf. …
V.
Ich … bin befugt, über die andere Hälfte meines Vermögens durch letztwillige Verfügung frei zu verfügen.”
Am 4.4.1978 errichtete der Erblasser eigenhändig ein Testament. Es lautet auszugsweise wie folgt:
„Testament.
Ich, der Unterzeichnete … bestimme hiermit als meinen letzten Willen folgendes:
1. Zu meinen alleinigen und ausschließlichen Erben setze ich zu gleichen Teilen ein:
- meine Tochter …
- meinen Sohn …
2. Ich ordne Nacherbfolge für den Erbschaftsteil meiner Tochter … an. Nacherben meiner Tochter sind diejenigen Personen, die gewillkürte Erben meiner Tochter werden.
… Die Vorerbin soll freie Verfügungsmöglichkeit im Rahmen dieses Testaments und sonst im gesetzlich zulässigen Umfang haben.
3. Meine Tochter … erhält entsprechend dem Erbvertrag vom 3.9.1970 als Vorausvermächtnis aus meinem Grundstück … eine erst amtlich zu vermessende Teilfläche von ca. 600 qm. … Meiner Tochter mache ich zur Auflage, daß die Teilfläche … nur mit einem Einfamilien-Bungalow … bebaut werden darf.
4. Für die Teilung des Nachlasses bestimme ich folgende Anordnung:
Die dem Hotel-garni … dienenden Grundstücke … sind von den Erben in eine bürgerlich-rechtliche Gesellschaft einzubringen.
Bei Feststellung des Gesellschaftsvertrages ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
Beide Erben sind am Gesellschaftsvermögen gleich hoch zu beteiligen. Die Gesellschaft soll 30 (dreissig) Jahre lang unkündbar sein. Die Kündigung soll nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern nur das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge haben.
Zur Geschäftsführung und Vertretung soll ausschließlich mein Sohn … berechtigt sein. Er soll dafür eine angemessene Tätigkeitsvergütung erhalten. …
Die Grundstücke dürfen innerhalb von 30 Jahren nach meinem Tode nicht veräußert werden. Dies ordne ich im Wege der Auflage an.
Der Hotelbetrieb soll von meinem Sohn … geführt werden. Das Unternehmen soll in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung betrieben werden. Zu diesem Zweck ist eine GmbH mit einem Stammkapital von DM 50.000,– zu gründen.
Mein Sohn … soll Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer sein. Meine Tochter … soll an der Gesellschaft nicht beteiligt werden. …
5. Meinem Adoptivsohn … vermache ich die erbvertragsmäßige Zuwendung gemäß Vertrag vom 30.9.1966 …
8. Ich ordne Dauertestamentsvollstreckung an. Auf...