Leitsatz
1. Art. 19 Abs. 2 S. 2 der 6.EG-RL ist dahin auszulegen, dass im Fall eines Bauunternehmens der von diesem für eigene Rechnung durchgeführte Verkauf von Immobilien nicht als "Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte" eingestuft werden kann, da diese Tätigkeit die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit dieses Unternehmens darstellt. Daher braucht nicht konkret beurteilt zu werden, in welchem Umfang diese Verkaufstätigkeit für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
2. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität steht dem nicht entgegen, dass ein Bauunternehmen, das Mehrwertsteuer auf die Bauleistungen entrichtet, die es für eigene Rechnung durchführt (Lieferungen an sich selbst), die Vorsteuer für die durch die Erbringung dieser Dienstleistungen entstandenen Gemeinkosten nicht abziehen kann, wenn der Umsatz aus dem Verkauf der auf diese Weise erstellten Bauwerke von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Normenkette
Art. 19 Abs. 2 der 6. EG-RL (§ 15 Abs. 4 UStG, Abschn. 210 UStR)
Sachverhalt
NCC führte Bauarbeiten im Sektor des Hoch- und Tiefbaus sowohl für Rechnung Dritter als auch für eigene Rechnung durch. Der Verkauf der Immobilien, die sie für eigene Rechnung errichtet hat, war nicht die Haupttätigkeit von NCC, sondern stellt eine selbstständige Tätigkeit dar, die von ihrer Tätigkeit als Mehrwertsteuerpflichtige im Bauwesen abgeleitet war. NCC meinte deshalb, diese Umsätze seien lediglich Hilfsgeschäfte im Bereich der Grundstücksgeschäfte und dürften nicht bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes – für die anteilige Berechtigung zum Vorsteuerabzug – berücksichtigt werden.
Entscheidung
Der EuGH entschied, die Tätigkeit des Verkaufs von Immobilien, die ein Bauunternehmen für eigene Rechnung errichtet hat, kann nicht als Hilfstätigkeit im Bereich ihrer steuerbaren gewerblichen Tätigkeit – Errichtung von Immobilien für Rechnung Dritter oder für eigene Rechnung – betrachtet werden. Da diese Tätigkeit nämlich auf derselben Bautätigkeit beruht, stellt sie deren unmittelbare Erweiterung dar.
Die allgemeine Organisation ihrer Tätigkeiten bedeutet für NCC, dass sie im Voraus und regelmäßig dauerhaft die Errichtung einer bestimmten und sei es noch so geringen Anzahl von Immobilien für eigene Rechnung plant, die sie später selbst zu vermarkten beabsichtigt. Der Immobilienverkauf, der sich anschließt, ist nicht zufällig, sondern beruht notwendigerweise auf dem überlegten Willen des Unternehmens, im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit eine Tätigkeit der Vermarktung der Immobilien, die es für eigene Rechnung errichtet hat, zu entwickeln (geschäftlicher Zweck). Der Verkauf von Immobilien, wie im Ausgangsverfahren, ist daher eine unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens. Es kommt daher nicht mehr darauf an, in welchem Umfang diese Verkaufstätigkeit für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
Der 2. Leitsatz ist der Frage geschuldet, ob der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer der Versagung des Vorsteuerabzugs entgegensteht, wenn die USt, die auf der im dänischen Recht beststehenden Lieferfiktion von Bauleistungen eines Bauunternehmens an sich selbst entsteht, nicht abgezogen werden darf. Insoweit hat der EuGH die dänische Regelung bestätigt, weil dadurch nur eine Gleichstellung des – steuerfreien – Verkaufs einer Neubauimmobilie (ohne Recht zum Vorsteuerabzug) mit dem Bauunternehmer erreicht werden sollte, der nebenbei auch für sich selbst zum Verkauf Immobilien baut.
Hinweis
Werden Leistungen sowohl für steuerpflichtige Umsätze verwendet wie auch für solche Umsätze, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen, ist nach Art. 17 der 6. EG-RL die Vorsteuer nur anteilig für die erstgenannten Umsätze zulässig (vgl. § 15 Abs. 4 UStG). Dieser Pro-rata-Satz wird nach Art. 19 der 6. EG-RL für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt. Außer Ansatz bleiben dabei aber nach Art. 19 Abs. 2 der 6. EG-RL auch die "Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte sowie die in Art. 13 Teil B Buchstabe d genannten Umsätze, wenn es sich um Hilfsumsätze handelt …".
Zweck von Art. 19 Abs. 2 ist es, Umsatzbeträge bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen (EuGH Rz. 30). Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d.h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden aber nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen.