1 Leitsatz
Haben die Wohnungseigentümer bei einem Beschluss ausnahmsweise kein Ermessen, genügt für eine Beschlussersetzungsklage nach § 253 Abs. 2 ZPO, § 44 Abs. 1 WEG nicht die bloße Angabe eines Rechtsschutzziels.
2 Normenkette
§ 253 Abs. 2 ZPO; § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer K erhebt im Dezember 2022 eine Beschlussersetzungsklage. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B soll verurteilt werden, nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse jeweils für die Wirtschaftsjahre 2014 bis 2020 zu beschließen, mit der Maßgabe, dass die von allen Wohnungseigentümern zu tragenden Lasten und Kosten im Verhältnis der Miteigentumsanteile und hinsichtlich der Heizungs- und Warmwasserkosten nach den Vorgaben der HeizkostenV verteilt werden sollen. K gibt an, auf einer Versammlung im November 2022 habe ein entsprechender Beschlussantrag keine Mehrheit gefunden. Seines Erachtens seien bei der Beschlussersetzung die Vorgaben der Gemeinschaftsordnung zu beachten.
4 Die Entscheidung
Die Beschlussersetzungsklage hat keinen Erfolg! Denn die Klage sei bereits unzulässig. Ihrer Zulässigkeit stehe entgegen, dass der Klageantrag die Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht erfülle. Es fehle an einem bestimmten Antrag. Sofern die klagende Partei einen Anspruch auf Beschlussfassung habe und bei der Auswahl der zu treffenden Maßnahmen ein Gestaltungsspielraum verbleibe (wie zum Beispiel bei der Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums), werde das den Wohnungseigentümern zustehende Ermessen bei der Beschlussersetzungsklage zwar durch das Gericht ausgeübt. Prozessual werde dem dadurch Rechnung getragen, dass die Angabe des Rechtsschutzziels genüge und das Gericht an den Wortlaut eines konkreten Klageantrags nicht gebunden sei. Abweichend davon sei aber der Fall zu beurteilen, in dem die klagende Partei einen Anspruch verfolge, bei dem kein Ermessen bestehe. In diesem Fall verbleibe es bei den (strengen) Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Maßgebend dafür sei insbesondere der Wortlaut von § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG, der kein Ermessen für die gerichtliche Entscheidung vorsehe. K verfolge im Fall einen Anspruch auf Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG. Dessen Inhalt stehe nicht im Ermessen der Wohnungseigentümer, sondern sei ein nach Maßgabe von § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WEG gebundener, gegen die Gemeinschaft gerichteter Anspruch auf eine ordnungsmäßige Verwaltung. Eine gerichtliche Aufstellung der Jahresabrechnung komme nicht in Betracht. K hätte daher seinen auf Beschlussersetzung gerichteten Antrag darauf ausrichten bzw. so formulieren müssen, dass konkrete Beträge für die jeweilige Einforderung von Nachschüssen und/oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse betreffend die streitbehafteten Wirtschaftsjahre 2014 bis 2020 auf der Basis eines den Vorgaben des § 28 Abs. 2 Satz 2 WEG entsprechenden Zahlenwerks – und unter Einschluss der geltenden Umlageschlüssel – benannt werden.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um eine rein prozessuale Frage: Muss ein Wohnungseigentümer wie jeder andere Kläger einen "bestimmten" Antrag stellen oder kann er ausnahmsweise bloß sein Rechtsschutzziel schildern?
Die AG-Lösung
Das AG meint, der klagende Wohnungseigentümer müssen einen konkreten Antrag stellen, da das Gericht wie die Wohnungseigentümer kein Ermessen habe. Diese Sichtweise überzeugt.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Ist, wie im Fall, ausnahmsweise nach dem 30.11.2020 über Abrechnungsperioden zu beschließen, die vor dem 1.12.2020 liegen, sind die Jahresabrechnungen nicht zu genehmigen, sondern die Nachschüsse zu bestimmen bzw. die Vorschüsse anzupassen. Dafür sind Jahresabrechnungen zu erstellen. Diese müssen die geltenden Umlageschlüssel beachten.
6 Entscheidung
AG Hamburg-St. Georg, Beschluss v. 3.4.2023, 980a C 29/22 WEG