Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, wann der Lauf der 5-monatigen Beschwerdefrist des § 517 Halbs. 2 ZPO bei nicht ordnungsgemäßer Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks beginnt.

 

Sachverhalt

In einem Streit um die elterliche Sorge für ein gemeinsames eheliches Kind hatte die von Großbritannien nach Deutschland gezogene Kindesmutter die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich sowie den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragt. Ihre Antragsschriften waren den Anwälten des in Großbritannien verbliebenen Vaters formlos übersandt worden. Nachdem diese Anwälte das Mandat niedergelegt hatten, konnte ihnen die vom AG erlassene einstweilige Anordnung nicht förmlich zugestellt werden. Darauf bewilligte das AG auf Antrag der Mutter die öffentliche Zustellung der einstweiligen Anordnung sowie der Antragsschrift in der Hauptsache und bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung.

Die Ladung des Vaters zum Termin wurde ebenso wie der nach der Verhandlung verkündete Beschluss öffentlich zugestellt. Der Vater nahm rund zwei Jahre später durch seine neuen Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht und legte sodann gegen den Beschluss Beschwerde ein. Er machte geltend, die Beschwerdefrist habe mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht zu laufen begonnen, weil die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung nicht vorgelegen hätten und die Ladung zum Termin nicht wirksam zugestellt worden sei.

Das OLG hat die Beschwerde des Vaters wegen Versäumung der Beschwerdefrist verworfen.

Hiergegen richtete sich seine Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückweisung an das OLG beantragte.

 

Entscheidung

Der BGH hat der gemäß §§ 621e Abs. 2, 3 ZPO a.F. i.V.m. §§ 522 Abs. 1 S. 3, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaften und zulässigen Rechtsbeschwerde stattgegeben und zur Begründung angeführt, entgegen der Auffassung des OLG sei die Beschwerdefrist nicht in Gang gesetzt worden und somit bei Einlegung der Beschwerde nicht abgelaufen gewesen.

Da der angefochtene Beschluss verkündet worden sei, gelte nach § 621e Abs. 3 S. 2 ZPO a.F. die Vorschrift des § 517 Halbs. 2 ZPO entsprechend. Danach beginne mangels wirksamer Zustellung des Beschlusses die einmonatige Beschwerdefrist fünf Monate nach dessen Verkündung zu laufen. Die Verkündung des Beschlusses sei zulässig. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sei der Beschluss auch verkündet worden. In dem Sitzungsprotokoll sei niedergelegt, dass "folgender Beschluss" ergehe, daran anschließend sei der Beschlusstenor wiedergegeben.

 

Hinweis

Mit seinem Beschluss hat der BGH erneut darauf hingewiesen, dass eine sich aus der Ratio des § 517 ZPO ergebende Erkundigungspflicht der beschwerten Partei grundsätzlich ausscheide, wenn sie keine Kenntnis von dem Rechtsstreit hatte, im anberaumten Termin nicht vertreten und auch nicht ordnungsgemäß geladen worden war.

Da es für die Frage, ob eine Beschwerdefrist nach § 517 Halbs. 2 ZPO überhaupt in Lauf gesetzt worden sei, da es zunächst entscheidend auf eine ordnungsgemäße Zustellung der Klageschrift bzw. des sonst verfahrenseinleitenden Schriftstückes ankomme, muss sich die erste Prüfung des Verfahrens-/Prozessbevollmächtigten dieser Frage widmen. Mangels einer ordnungsgemäßen Zustellung dieser Unterlagen muss sich kein Beteiligter auf das Verfahren einlassen. Bei öffentlicher Zustellung müssten die Voraussetzungen hierfür vorgelegen haben.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Beschluss vom 21.07.2010, XII ZB 135/09

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