Leitsatz (amtlich)
Werden in einem Bescheid mehrere der Gesellschaftsteuer unterliegende Vorgänge unaufgegliedert zusammengefaßt, ohne daß die Festsetzung der durch die Steuerschuldnerin vorgenommenen Anmeldung entspricht oder die einzelnen Steuerfälle aus einer Anlage ersichtlich oder vor Ergehen des Bescheids mitgeteilt worden sind und diese Mitteilung durch Bezugnahme zum Gegenstand des Steuerbescheids gemacht worden ist, bestehen ernstliche Zweifel daran, ob der Verwaltungsakt den Anforderungen des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 entspricht.
Normenkette
AO 1977 §§ 157, 127
Tatbestand
Die Beschwerdegegnerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ist persönlich haftende Gesellschafterin der A-GmbH & Co. KG (KG). In die KG traten eine Vielzahl von Kommanditisten ein. Diese hatten sich in ihrer Beitrittserklärung verpflichtet, neben der Kapitaleinlage ein unverzinsliches Darlehen hinzugeben, das für die Dauer ihrer Gesellschaftsbeteiligung unkündbar war. Außerdem hatten die Kommanditisten eine Bearbeitungsgebühr (Agio) in Höhe von 2 v. H. des Gesamtbetrages (Kommanditeinlage und Darlehen) zu entrichten.
Das Finanzamt setzte zunächst für den Erwerb der Kommanditistenrechte die Gesellschaftsteuer gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung vom 24. Juli 1959 (KVStG 1959) nur aus der Kommanditeinlage fest, und zwar entsprechend der Anmeldung der Klägerin mit Bescheid vom 3. September 1971 aus den Einlagen der bis 31. Juli 1971 eingetretenen Kommanditisten und mit vorläufigem Bescheid vom 13. April 1972 aus den Einlagen der vom 1. August bis 31. Dezember 1971 eingetretenen Kommanditisten. Nach einer Kapitalverkehrsteuerprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, auch die Darlehen und die Bearbeitungsgebühr gehörten zu den für den Ersterwerb der Gesellschaftsrechte aufgewandten Leistungen. Unter Änderung der bisherigen Bescheide setzte es mit zwei Bescheiden vom 30. März 1977 die Gesellschaftsteuer für den Ersterwerb der Gesellschaftsrechte durch die bis 31. Juli 1971 eingetretenen Kommanditisten auf 176 742,65 DM und durch die in der Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 1971 eingetretenen Kommanditisten auf 265 839 DM fest. In beiden Bescheiden hat das Finanzamt jeweils die Gesamtsumme der geleisteten Kommanditeinlagen, der Agiobeträge (Bearbeitungsgebühren) und der Darlehen angegeben. Die Bescheide wurden angefochten.
Dem unmittelbar beim Finanzgericht gestellten Antrag, die Vollziehung der Bescheide insoweit auszusetzen, als die Steuer auf die Darlehensbeträge entfällt, hat das Finanzgericht stattgegeben.
Mit der vom Finanzgericht zugelassenen Beschwerde beantragt das Finanzamt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Anträge der Beschwerdegegnerin abzuweisen. Die Beschwerdegegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Schriftliche Steuerbescheide, d. h. die nach § 122 der Abgabenordnung (AO 1977) bekanntgegebenen Verwaltungsakte (§ 155 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), müssen gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Es handelt sich dabei um eine Ausprägung des in § 119 Abs. 1 AO 1977 niedergelegten Grundsatzes, daß Verwaltungsakte inhaltlich hinreichend bestimmt sein müssen, also der Regelungsinhalt aus einem Verwaltungsakt eindeutig und exakt entnommen werden können muß. Dabei kann zur Auslegung des Tenors die begründung des Verwaltungsaktes herangezogen werden. Die Forderung nach Bezeichnung der Steuer nach Art und Betrag unter Angabe des Steuerschuldners ist u. a. unabdingbare Voraussetzung für die Bestimmung der Grenzen der Bestandskraft.
Der Gesellschaftsteuer unterliegt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVStG der Erwerb von Gesellschaftsrechten durch den ersten Erwerber. Daraus folgt, daß jeder Ersterwerb einen abgeschlossenen Steuerfall bildet. Wenn auch keine Vorschrift des formellen Rechts es verbietet, mehrere Steuerfälle in einem Steuerbescheid zusammenzufassen, so muß doch ersichtlich sein, welche Lebenssachverhalte und damit welche Steuerfälle dem Steuerbescheid zugrunde liegen. Unter dieser Prämisse bestehen ernstliche Zweifel daran, ob die angefochtenen Verwaltungsakte den Anforderungen genügen.
Aus den angefochtenen Steuerfestsetzungen ist nicht zu entnehmen, welche konkreten Steuerfälle im einzelnen bescheidmäßig zusammengefaßt werden sollten. Die erforderlichen Angaben sind den Steuerbescheiden auch nicht als Anlage beigefügt worden. Auch die von der Beschwerdegegnerin seinerzeit dem Finanzamt eingereichten Anmeldungen führen nicht zu der erforderlichen Klarheit, da hier Abweichungen bestehen.
In den Steuerakten befindet sich zwar eine genaue Aufstellung, aus der sich die Namen und Zahlen im einzelnen ergeben. Es ist jedoch nicht ersichtlich, daß die Aufstellung der Beschwerdegegnerin vom Finanzamt inhaltlich zur Kenntnis gegeben worden ist. Ob es unter diesen Umständen für die Annahme der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide ausreicht, daß die erforderlichen Angaben lediglich aus einer bei den Akten befindlichen, dem Steuerpflichtigen jedoch nicht bekanntgegebenen Aufstellung zu entnehmen sind, muß als ernstlich zweifelhaft angesehen werden (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). Das gilt jedenfalls für eine sogenannte Publikums-KG mit einer erheblichen Anzahl von Kommanditisten, bei der nicht ohne weiteres deutlich ist, welche der Steuer unterliegenden Vorgänge im Bescheid zusammengefaßt werden sollen.
Ernstlich zweifelhaft ist auch, ob § 127 AO 1977 zur Folge haben kann, daß die vorstehend erörterten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide unberücksichtigt bleiben. Nach § 127 AO 1977 kann zwar die Aufhebung eines nicht nach § 125 AO 1977 nichtigen Verwaltungsaktes nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verstoß gegen Vorschriften über das Verfahren, die örtliche Zuständigkeit oder die Form zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Es ist aber ernstlich zweifelhaft, ob Mängel der angefochtenen Steuerbescheide in der Art, wie sie erörtert worden sind, unter § 127 AO 1977 fallen. Denn ein Steuerbescheid, der den Verfahrensgegenstand nicht ausreichend bestimmt, muß Zweifel an dem Umfang seiner etwaigen Bestandskraft auslösen.
Fundstellen
Haufe-Index 72562 |
BStBl II 1978, 542 |
BFHE 1979, 312 |