Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wenn sich gesetzliche Erben über ein bislang verpachtetes Betriebsvermögen vierzehn Jahre nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung dahin auseinandersetzen, daß der eine Erbe, der den Betrieb zuvor gepachtet hatte, im wesentlichen alle Nachlaßgegenstände gegen Zahlung eines angemessenen, durch Schiedsgutachten festzusetzenden Betrags erhält, so ist dessen Erwerb in der Regel entgeltlich. Der Erwerbspreis ist zu passivieren; die das eigene Auseinandersetzungsguthaben übersteigenden Anteile sind den in Höhe des eigenen Anteils fortgeführten Buchwerten zuzuaktivieren. Bei den weichenden Erben realisieren sich im Verkaufspreis die stillen Reserven des Betriebsvermögens.
Sind Anschaffungskosten im Zeitpunkt des Erwerbs nur dem Grunde nach bestimmt und ergeben sich durch ein Schiedsgutachten zwölf Jahre nach dem Erwerb höhere Anschaffungskosten, als zunächst der Aktivierung zugrunde gelegt wurden, so sind die noch vorhandenen Wirtschaftsgüter nachzuaktivieren.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 6/1/1, § 6/1/2, § 16; EStDV § 7/1
Tatbestand
Dem Vater des Bf. gehörte eine privilegierte Apotheke. Dessen Erben sind die Witwe und seine Söhne, darunter der Bf. geworden. Im Jahre 1938 hat der Bf. den Apothekenbetrieb von der Erbengemeinschaft gepachtet. Die danach verstorbene Witwe ist von den Söhnen zu gleichen Teilen beerbt worden.
Zwecks Aufhebung der Gemeinschaft wurde im Jahr 1946 ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet. Das Verfahren wurde im selben Jahr durch gerichtlichen Vergleich abgeschlossen. Nach diesem Vergleich gingen die Nachlaßgegenstände (Grundstück, Privileg und Inventar) in das Eigentum des Bf. über; dieser verpflichtete sich, seine Brüder "zu einem angemessenen Betrage" abzufinden. Die Höhe der Abfindung sollte durch Schiedsgutachter nach Eintritt fester wirtschaftlicher Verhältnisse festgesetzt werden. Zur Sicherung der Abfindung erhielten die Brüder Grundschulden. In dem im Jahr 1958 ergangenen Schiedsgutachten wurde der Wert des Nachlasses auf dessen Zustand im Jahr 1946 bezogen. Bei Festsetzung der Abfindung gingen die Schiedsgutachter aber davon aus, daß eine Abfindung nach dem vollen Wert des Nachlasses die Existenz des Bf. gefährden würde und somit im Sinne des Vergleichs nicht "angemessen" sei.
Der Bf. hält die Wertansätze des Schiedsgutachtens für fehlerhaft. Der wirkliche Wert des Nachlasses sei wesentlich niedriger.
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1958 hat der Bf. verlangt, die Abfindung als Betriebsausgabe anzuerkennen. Das Finanzamt hat ihm das versagt. Es rechnete den Erwerb als Erbvorgang dem privaten Bereich zu.
Das Finanzgericht hat die Einkommensteuer des Bf. aus anderen Gründen ermäßigt, die Sprungberufung des Bf. aber in diesem Punkt zurückgewiesen. Das Finanzgericht hebt darauf ab, daß nur Aufwendungen für einen entgeltlichen Erwerb den Betrieb angehen, der Erbfall aber ein privater Vorgang ist. Auch die Erbauseinandersetzung sei ein Vorgang des Erbens; bei ihr werde der Nachlaß nach dem Willen des Erblassers bzw. nach den wünschen die Erben verteilt. Das gelte auch, wenn dem Erben und Erwerber zum Ausgleich der Ansprüche anderer Erben gewisse Lasten auferlegt würden. Entgeltlich sei der Erwerb des Erben erst dann, wenn die im Zusammenhang mit dem Erwerb stehenden Aufwendungen der Erben voller Gegenwert des Erwerbs seien. Die hier zu gewährende "angemessene" Abfindung bleibe aber unter diesem Wert. Das gelte jedenfalls nach den Feststellungen des Schiedsgutachtens; ob diese fehlerhaft seien, sei in diesem Verfahren nicht nachzuprüfen.
Mit der Rb. rügt der Bf. unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Rüge ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Zwar ist der Anfall der Erbschaft ein Vorgang des privaten Lebensbereichs. Das gilt aber nicht durchweg für Rechtsgeschäfte, durch die ein Miterbe Nachlaßgegenstände von der Gemeinschaft der Erben erwirbt. Das Finanzgericht trennt nicht genügend zwischen dem unentgeltlichen Erwerb des Erbteils und den darüberhinausgehenden Erwerbsvorgängen.
Entgeltlicher und unentgeltlicher Erwerb unterscheiden sich durch den Erwerbsgrund. Entgeltlicher Erwerb wird durch Austausch von Leistung und Gegenleistung bewirkt, unentgeltlicher durch eine Zuwendung, der eine Gegenleistung nicht gegenübersteht. Unentgeltlich ist danach der Erwerb auf Grund gesetzlicher ( §§ 1924 ff. BGB) oder testamentarischer ( §§ 2064 ff. BGB) Erbfolge (ß 1922 Abs. 1 BGB). Der Erbe tritt grundsätzlich in die vermögensrechtliche Stellung des Erblassers ein (ß 1922 Abs. 1, § 1967 Abs. 1 BGB). Für die Einkommensbesteuerung ist er als Rechtsnachfolger des Erblassers an die in dessen Betrieb ordnungsgemäß angesetzten Werte gebunden (ß 7 Abs. 1 EStDV). Seinen gewerblichen Gewinn hat er auf dieser Grundlage zu ermitteln.
Die Unentgeltlichkeit eines Erwerbs von Todes wegen bleibt grundsätzlich erhalten, wenn das Erbe mit Vermächtnissen (§§ 2147 ff. BGB) , Auflagen ( § 2192 ff. BGB) oder Pflichtteilsansprüchen (§§ 2303 ff. BGB) belastet ist (ß 1967 Abs. 2 BGB). Denn diese sind keine Gegenleistungen für den Erwerb der Erbschaft, sondern Pflichten, die sich aus dem Erbfall selbst ergeben. Die Fortführung der bisherigen Buchansätze (ß 7 Abs. 1,3 EStDV) beim Erben führt in diesem Fall dazu, daß sich ein späterer Veräußerungsgewinn (ß 16 EStG) nicht um die im Zusammenhang mit dem Erbfall gemachten Aufwendungen mindert; andererseits wird dem Vermächtnisnehmer, dem durch die Auflage Begünstigten oder dem Pflichtteilsberechtigten diesfalls kein Veräußerungsgewinn zugerechnet (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/60 U vom 21. August 1962, BStBl 1963 III S. 178, Slg. Bd. 76 S. 482, für eine Schenkung unter Lebenden an einen gesetzlichen Erben unter der Auflage, die anderen gesetzlichen Erben abzufinden). In diesem Zusammenhang tritt die Frage auf, unter welchen Voraussetzungen sich gleichwohl ein Gewinn - sei es des Erblassers im Zeitpunkt des Erbfalles, sei es des Begünstigten im Zeitpunkt des Anfalls - nach § 16 EStG realisiert hat mit der Folge, daß der Begünstigte diesen Gewinn zu versteuern hat, während der Erbe seine Aufwendungen als Betriebsausgaben (ß 4 Abs. 4 EStG) absetzen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/60 U, a. a. O.). Bei der Beantwortung dieser Frage ist darauf abgestellt worden, ob die dem Erben auferlegten Pflichten einen vollen Ausgleich für den ihm zukommenden Sondervorteil (oder dessen vollen Gegenwert) darstellen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1488/31 vom 8. November 1933, RStBl 1934 S. 295; Urteile des Bundesfinanzhofs I 115/59 U vom 6. Oktober 1959, BStBl 1960 III S. 2, Slg. Bd. 70 S. 2; IV 184/58 U vom 12. Februar 1960, BStBl 1960 III S. 172, Slg. Bd. 70 S. 459).
Ein solcher Fall liegt hier, entgegen der Ansicht des Finanzgerichts, nicht vor. Grundstück, Apothekengerechtigkeit und Inventar wurden mit dem Ableben des Vaters des Bf. Eigentum der Erbengemeinschaft zur gesamten Hand (ß 2032 Abs. 1, § 2033 Abs. 2 BGB). Die Gesamtheit der Erben führte das Betriebsvermögen der Apotheke bis zum Jahr 1946 fort, wenn auch die Erben den Betrieb spätestens seit dem Jahr 1938 nicht mehr werbend, sondern nur durch Verpachtung führten (vgl. Urteil des Großen Senats des Bundesfinanzhofs GrS 1/63 S vom 13. November 1963, BStBl 1964 III S. 124, Slg. Bd. 78 S. 315). An der Erbengemeinschaft war der Bf. - gesetzliche Erbfolge unterstellt - zu drei Sechzehntel beteiligt ( § 1924 Abs. 1, 4, § 1931 Abs. 1 Satz 1 BGB). Mit dem Tode seiner Mutter erwarb der Bf. den Erbteil von einem Viertel an deren Nachlaß (ß 1924 Abs. 1, 4 BGB). Grundstück, Privileg und Inventar - also das Anlagevermögen der Apotheke - haben dem Bf. zu keinem Zeitpunkt kraft Erbanfalls allein gehört. Ein Vorausvermächtnis (ß 2150 BGB) oder eine Teilungsanordnung (ß 2048 Satz 1 BGB) des Erblassers sind nicht festgestellt. Die übertragung der Nachlaßgegenstände auf den Bf. bedurfte eines besonderen Rechtsgeschäfts, das außerhalb des Erbanfalls selbst liegt.
Dieser Erwerbsgrund ist der Vertrag von 1946. Auf Grund dieses Vertrags wurden dem Bf. die Nachlaßwerte gegen eine angemessene Gegenleistung, also entgeltlich, übertragen. Der Wert der Gegenleistung war dem Grunde nach bestimmt, dem Betrage nach durch Dritte, die Schiedsgutachter, zu bestimmen (vgl. §§ 317 ff. BGB). Die Entgeltlichkeit wird nicht beeinträchtigt, wenn die Gegenleistung nach dem Ertragswert bestimmt wird. Jedenfalls ist nicht festzustellen, daß die Brüder dem Bf. eine auch nur teilweise unentgeltliche Zuwendung machen wollten. Nach dem bislang festgestellten Sachverhalt ist davon auszugehen, daß der Streit der Beteiligten über die ihnen in der Auseinandersetzung zustehenden Ansprüche durch den Vergleich im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wurde (vgl. § 779 BGB).
Der Vertrag von 1946 enthält mehr als eine bloße Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (vgl. §§ 2042 ff., 749 Abs. 2, 3, 750 bis 758 BGB) der Art, daß sie für die Einkommensbesteuerung noch dem Erbvorgang zuzurechnen wäre. Denn die Erben haben nicht bloß den Nachlaß (vgl. § 752 BGB) oder dessen Erlös (vgl. § 753 Abs. 1 Satz 1 BGB) unter sich verteilt. Der Bf. hat vielmehr nach den Feststellungen des Finanzgerichts im wesentlichen alle Nachlaßgegenstände übernommen und die Rechte seiner Brüder durch eine Schuldverpflichtung abgelöst, die außerhalb der zur Verteilung stehenden Erbmasse lag. Sein Erwerbsgrund ist von dem eines Dritten nur insofern verschieden, als er den auf ihn selbst entfallenden Teil des Erwerbspreises nicht zu entrichten brauchte (vgl. § 753 Abs. 1 Satz 2 BGB). Von dem in dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 334/61 U vom 26. Juli 1963 (BStBl 1963 III S. 480, Slg. Bd. 77 S. 435) entschiedenen Sachverhalt unterscheidet sich der vorliegende dadurch, daß hier die weichenden Erben nicht ihren Anteil am Nachlaß übertragen haben (ß 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern die Erbengemeinschaft dem Bf. die einzelnen Gegenstände des Nachlasses - und damit allerdings im wesentlichen den ganzen Nachlaß, insbesondere das zum Nachlaß gehörende betriebliche Anlagevermögen - übereignet haben, und dadurch, daß die Erbengemeinschaft nicht nach einer verhältnismäßig kurzen Frist, sondern erst nach vierzehn Jahren aufgelöst worden ist, nachdem zuvor die Gesamtheit der Erben das Betriebsvermögen durch Verpachtung fortgeführt hatte.
Somit hat der Bf. Grundstück, Privileg und Inventar der Apotheke zu überwiegenden Teilen entgeltlich (vgl. Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI A 1488/31, a. a. O., zu I 2) und nur in Höhe seines eigenen Auseinandersetzungsanteils an den Erbengemeinschaften (vgl. § 2047 Abs. 1, §§ 2050, 2055 BGB) - also vermutlich auf der Grundlage eines Erbteils von drei Sechzehnteln nach seinem Vater und eines Viertels nach seiner Mutter, die ihrerseits vermutlich ihren Ehemann zu einem Viertel beerbt hatte - unentgeltlich erworben. Daraus folgt auf der einen Seite, daß sich bei den weichenden Erben die stillen Reserven des Betriebsvermögens realisiert haben (ß 16 EStG), auf der Seite des Bf. aber die Passivierungsfähigkeit der den Brüdern zu zahlenden Abfindung (ß 4 Abs. 4 EStG). Der Bf. kann jedoch die bisherigen Buchwerte der Aktiven nur insoweit fortführen, als sie seinem ursprünglichen Vermögensbestand entsprechen (vermutlich also zu einem Viertel). Die Werte des nachträglichen Erwerbs muß er dagegen, soweit sie nicht bereits im Jahr 1946 aktiviert worden sind, nachaktivieren.
Die Pflicht zur nachträglichen Aktivierung im Jahr 1958 entfällt nicht deshalb, weil der Bf. bereits im Jahr 1946 Eigentümer des Grundstücks mit Bestandteilen und Zubehör geworden war. Denn damals konnten diese Wirtschaftsgüter nicht zutreffend erfaßt werden, weil der wahre Preis des Grundstücks nicht festzustellen war. Ebenso wie es zulässig ist, Teile der Erwerbskosten im Jahre 1958 zu passivieren, obwohl sie dem Grunde nach auf das Jahr 1946 zurückgehen, ist es geboten, die diesen Passiven entsprechende Nachaktivierung vorzunehmen. Andernfalls würde im Jahr 1958 ein Verlust ausgewiesen, der weder in diesem noch in einem anderen Jahr entstanden ist. Die Verminderung der Buchansätze seit 1946 - insbesondere durch Absetzung für Abnutzung (AfA) - müssen bei der Nachaktivierung außer Betracht bleiben, da sonst ein nicht erzielter Gewinn ausgewiesen würde.
Nachaktiviert werden können nur die Wirtschaftsgüter, die sich im Jahr 1958 noch im Vermögen des Bf. befunden haben. Diese sind nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 1, Ziff. 2 Satz 1 EStG mit den Anschaffungskosten anzusetzen, die bei den der Abnutzung unterliegenden Gütern um die AfA nach § 7 EStG zu vermindern sind. Anschaffungskosten des Zuerwerbs sind die den Brüdern nach dem Schiedsgutachten zu zahlenden sog. Abfindungen; sie sind auf die einzelnen Wirtschaftsgüter zu zerlegen. Ist der Teilwert einzelner Wirtschaftsgüter geringer als die sich unter Berücksichtigung des Schiedsgutachtens ergebenden Anschaffungskosten, so kann dieser angesetzt werden (ß 6 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2, Ziff. 2 Satz 2 EStG).
Gemäß § 296 Abs. 1, § 288 Ziff. 1 AO war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die Sache wird zur weiteren Ermittlung und zur Entscheidung im Einspruchsverfahren an das Finanzamt zurückverwiesen (ß 296 Abs. 3 AO).
Fundstellen
Haufe-Index 411549 |
BStBl III 1965, 354 |
BFHE 1965, 296 |
BFHE 82, 296 |
BB 1965, 657 |
DB 1965, 957 |