Leitsatz (amtlich)
Übernimmt die ausschüttende Kapitalgesellschaft die Kapitalertragsteuer, ist zu der Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer grundsätzlich auch der Betrag zu rechnen, den der durch die Ausschüttung Begünstigte aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens vom Bundesamt für Finanzen erstattet erhält.
Normenkette
DBA USA Art. 6
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in den USA. Sie ist nahezu alleinige Gesellschafterin der C-GmbH mit Sitz in D.
Im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung bei der C-GmbH wurde festgestellt, daß in den Jahren 1964 bis 1969 verdeckte Gewinnausschüttungen an die Klägerin vorgenommen worden waren. Sie betrugen:
1964-1967 255 576 DM
1968-1969 190 000 DM
insgesamt 445 576 DM
Bei der Schlußbesprechung erklärten die Vertreter der C-GmbH, daß die C-GmbH die Kapitalertragsteuer auf diese verdeckten Gewinnausschüttungen übernehmen werde. Das Finanzamt (FA) erließ darauf gegen die C-GmbH einen Haftungsbescheid, in dem es die Steuerschuld der Klägerin wie folgt berechnete:
Kapitalertragsteuer 1964-1967
(33,33 v. H.) 85 183,48 DM
Kapitalertragsteuer 1968-1969
(33,67 v. H.) 63 973,- DM
149 156,48 DM
Ergänzungsabgabe 1968-1969
(3 v. H.) 1 919,19 DM
insgesamt 151 075,67 DM
Der im Haftungsbescheid ausgewiesene Betrag wurde von der C-GmbH am 8. Mai 1972 entrichtet. Der Bescheid ist bestandskräftig.
Mit Schreiben vom 1. Juni 1972 beantragte die Klägerin beim Beklagten und Revisionskläger (Bundesamt für Finanzen - Bundesamt -) Erstattung der Kapitalertragsteuer und der Ergänzungsabgabe nach Art. VI des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und anderer Steuern vom 22. Juli 1954 - DBA-USA a. F. - (BGBl II 1954, 1118, BStBl I 1955, 70) in der Fassung des Protokolls vom 17. September 1965 - DBA-USA - (BGBl II 1966, 745, BStBl I 1966, 866). Den Erstattungsbetrag berechnete die C-GmbH, die im Erstattungsverfahren zunächst den Schriftverkehr führte, nach folgendem Schema:
1. Verdeckte Gewinnausschüttung 445 576,- DM
+ der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik)
zustehende Steuer gem. DBA-USA; bei Übernahme durch
den Schuldner der Kapitalerträge 17,647 v. H. 78 630,80 DM
= Bruttobetrag der verdeckten Gewinnausschüttung 524 206,80 DM
2. Der Bundesrepublik zustehende Steuer gem. DBA-USA:
15 v. H. des Bruttobetrags der Erträge 78 630,80 DM
./. abgeführte Kapitalertragsteuer 149 156,48 DM
./. abgeführte Ergänzungsabgabe 1 919,19 DM 151 075,67 DM
= Erstattungsbetrag 72 444,87 DM
davon Kapitalertragsteuer 70 525,68 DM
Ergänzungsabgabe 1 919, 19 DM
Mit Bescheid vom 3. April 1973 lehnte das Bundesamt die Erstattung eines Teilbetrages von 10 866,95 DM ab und berechnete die zu erstattende Steuer wie folgt:
1. Verdeckte Gewinnausschüttung 445 576,- DM
+ abgeführte Kapitalertragsteuer 149 162,91 DM
+ abgeführte Ergänzungsabgabe 1 919,19 DM 151 075,67 DM
= Bruttodividende 596 651,67 DM
2. Nach dem DBA-USA der deutschen Finanz-
verwaltung verbleibender Teil der abgeführten
Steuer: 15 v. H. von 596 651,67 DM 89 497,75 DM
abgeführte Steuer 151 075,67 DM
zu erstatten 61 577,92 DM
davon Kapitalertragsteuer 59 658,73 DM
Ergänzungsabgabe 1 919,19 DM
Der gegen den Ablehnungsbescheid eingelegte Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der gegen die Einspruchsentscheidung erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, daß dann, wenn der Schuldner die Kapitalertragsteuer übernehme, dies aufgrund der mathematischen Logik nur bedeuten könne, daß die Bundesrepublik einen Kapitalertragsteueranspruch in Höhe von 17,647 v. H. der Dividende bzw. der verdeckten Gewinnausschüttung habe. Die Richtigkeit dieses Satzes beweise folgendes Beispiel:
Angenommene Dividende bzw. verdeckte Gewinnausschüttung 100,-
übernommene Kapitalertragsteuer 17,647
Bruttodividende 117,647
15 v. H. Kapitalertragsteuer 17,647
Nettodividende bzw. verdeckte Gewinnausschüttung 100,-
Die vom Bundesamt angenommene Besteuerungsgrundlage in Höhe von 596 651,67 DM enthalte die von ihm ausgewiesene Erstattung in Höhe von 61 577,92 DM. Die ausgewiesene Erstattung könne jedoch logischerweise nicht zur verdeckten Gewinnausschüttung gehören.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ging von einem Erstattungsanspruch von 70 525,46 DM aus und berechnete ihn wie folgt:
Entrichtete Kapitalertragsteuer 149 156,48 DM
geschuldete Steuer 78 631,02 DM
Unterschiedsbetrag 70 525,46 DM
Mit der Revision beantragt das Bundesamt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
Das Bundesamt rügt unrichtige Anwendung der Vorschriften des Art. VI Abs. 2 DBA-USA, § 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes alter Fassung, des § 43 Abs. 1 und 3, § 44 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes alter Fassung, § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung alter Fassung und des § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG). Hilfsweise rügt das Bundesamt eine unzureichende Sachaufklärung.
Die Klägerin beantragt, die Revision abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen. Der Klägerin stand ein Erstattungsanspruch gegen das Bundesamt allenfalls in der von diesem zugesprochenen Höhe zu. Das Bundesamt hat zu Recht die von der Betriebsprüfung festgestellte verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 445 576 DM und die von der C-GmbH übernommene Kapitalertragsteuer bzw. Ergänzungsabgabe von insgesamt 151 075,67 DM zugrunde gelegt, hierauf den sich aus Art. VI DBA-USA ergebenden Satz von 15 v. H. angewandt und den sich ergebenden Betrag der tatsächlich entrichteten Kapitalertragsteuer bzw. Ergänzungsabgabe gegenübergestellt.
Für die Berechnung der Gewinnausschüttung war von einer Kapitalertragsteuer in Höhe von 33,333 v. H. der durch die Betriebsprüfung festgestellten verdeckten Gewinnausschüttung auszugehen; denn die von der C-GmbH abgeführte Kapitalertragsteuer gilt als für Rechnung der Klägerin abgeführt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Dezember 1967 III R 49/67, BFHE 91, 427, BStBl II 1968, 340, und vom 11. Dezember 1968 I 250/64, BFHE 94, 488, BStBl II 1969, 188). Dies beweist auch die Tatsache, daß die Klägerin gegenüber dem Bundesamt die von der C-GmbH übernommene Kapitalertragsteuer in voller Höhe als für sie abgeführt geltend macht. Wenn die Klägerin demgegenüber anführt, daß in die Berechnung des Erstattungsbetrags als verdeckte Gewinnausschüttung nicht die tatsächlich abgeführte Kapitalertragsteuer einbezogen werden soll, sondern die Kapitalertragsteuer, die abzuführen gewesen wäre, wenn von vornherein nur ein Kapitalertragsteuersatz von 15 v. H. maßgebend gewesen wäre, so will sie damit letztlich erreichen, daß für einen Teil der von der C-GmbH entrichteten Kapitalertragsteuer keine Kapitalertragsteuer und damit auch nicht die nach dem DBA-USA geschuldete Kapitalertragsteuer abgeführt wird. Dies ergibt sich aus dem vereinfachten Beispiel einer verdeckten Gewinnausschüttung von 100, bei der die Kapitalertragsteuer von der ausschüttenden Gesellschaft übernommen wird.
Auffassung Auffassung
Bundesamt Klägerin
Verdeckte Gewinnausschüttung (netto) 100,- 100,-
Übernommene Kapitalertragsteuer 33,333 17,647
133,333 117,647
davon 15 v. H. 20,- 17,647
Kapitalertragsteuer
- tatsächlich entrichtet - 33,333 33,333
Erstattung nach DBA-USA 13,333 15,686
Differenz 2,353
Die Differenz zwischen dem Erstattungsanspruch, der sich auf der Grundlage der Auffassung der Klägerin ergibt, und dem sich nach Meinung des Bundesamts ergebenden Erstattungsanspruch beträgt 2,353. Dies entspricht der Kapitalertragsteuer zu einem Steuersatz von 15 v. H. auf den Differenzbetrag zwischen der von der Klägerin und der von dem Bundesamt zugrunde gelegten verdeckten Gewinnausschüttung:
Verdeckte Gewinnausschüttung nach Bundesamt 133,333
verdeckte Gewinnausschüttung nach Klägerin 117,647
15,686
hiervon 15 v. H. 2,353
Das Bundesamt kann jedoch im Erstattungsverfahren nach dem DBA-USA lediglich in Anspruch genommen werden, um eine Herabsetzung der abgeführten Kapitalertragsteuer auf den Satz von 15 v. H. zu erreichen (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 FVG), nicht jedoch, um eine Korrektur der Bemessungsgrundlage für die Kapitalertragsteuer zu erlangen.
Das in der Bundesrepublik geltende System der zunächst voll einbehaltenen Kapitalertragsteuer mit anschließendem Erstattungsverfahren ist mit dem DBA-USA vereinbar (vgl. BFH-Urteil vom 18. September 1968 I R 56/67, BFHE 93, 438, BStBl II 1968, 797, sowie die BFH-Urteile zum DBA-Schweiz vom 29. Oktober 1981 I R 89/80, BFHE 134, 246, BStBl II 1982, 150, und zum DBA-Niederlande vom 29. Oktober 1981 I R 142/78, BFHE 134, 242, BStBl II 1982, 104).
Der Senat kann es dahingestellt sein lassen, ob die von der Klägerin vertretene Auffassung zutrifft, die diese für die von der C-GmbH abgegebene Erklärung vertritt, die Kapitalertragsteuer übernehmen zu wollen. Offen kann auch bleiben, ob sich aus dem vom FG festgestellten Sachverhalt ergibt, daß die Klägerin den von dem Bundesamt erstatteten Betrag an die C-GmbH abgeführt hat. Die Verpflichtung zur teilweisen Abführung bzw. die tatsächliche teilweise Abführung des von dem Bundesamt erstatteten Betrages könnte nämlich allenfalls zu einer Ermäßigung des Erstattungsanspruchs gegen das Bundesamt führen, was jedoch im gerichtlichen Verfahren - weil für die Klägerin nachteilig - nicht berücksichtigt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1970 VI R 313/68, BFHE 102,202, BStBl II 1971, 591). Die durch die Verpflichtung zur teilweisen Abführung bzw. durch die tatsächliche teilweise Abführung möglicherweise eintretende Ermäßigung der Kapitalertragsteuer kann allenfalls zu einer Herabsetzung des Erstattungsanspruchs gegen das Bundesamt führen; denn dieser ist um so niedriger, je niedriger die abgeführte Kapitalertragsteuer ist. Eine Ermäßigung der Kapitalertragsteuer und damit eine Verminderung des Erstattungsanspruchs gegen das Bundesamt ergäbe sich dabei auch für den Fall, daß die Rückzahlung zu negativen Einnahmen führen sollte (vgl. BFH-Urteile vom 19. Januar 1977 I R 188/74, BFHE 123, 124, BStBl II 1977, 847, und vom 2. November 1977 I R 92/75, BFHE 123, 492, BStBl II 1978, 102).
Soweit sich aus Abschn. 12 der Verwaltungsanordnung der Bundesregierung zum DBA-USA a. F. vom 21. Dezember 1957 eine andere als die dargestellte Rechtsauffassung ergeben sollte, ist der Senat daran nicht gebunden; denn die Selbstbindung der Verwaltung kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn dieser ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zusteht, der durch eine Verwaltungsanweisung ausgefüllt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1975 IV R 142/72, BFHE 117, 456, BStBl II 1976, 192, und vom 20. März 1980 IV R 11/76, BFHE 130, 307, BStBl II 1980, 455). Im Streitfall hat jedoch die Verwaltung zu einer Rechtsfrage Stellung genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 74301 |
BStBl II 1982, 518 |
BFHE 1982, 470 |