Leitsatz (amtlich)
Eine Kapitalgesellschaft kann als Organ dem Organträger auch dadurch wirtschaftlich dienen, daß sie Vermögen verwaltet und Beteiligungen hält.
Normenkette
KStG §§ 5-6
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) ist eine GmbH, deren alleiniger Anteilseigner die Gewerkschaft C ist.
Gegenstand des Unternehmens sind nach § 2 des maßgebenden Gesellschaftsvertrags u. a. der Erwerb und die Veräußerung von Produkten sowie aller anderen in der Branche in Frage kommenden Güter, Waren und Gegenstände aller Art sowie der Abschluß aller sonstigen Handelsgeschäfte aller Art.
Die Steuerpflichtige übt, soweit der Handel mit Produkten der Gewerkschaft C in Frage kommt, ihre Tätigkeit lediglich im Interesse und Auftrag der Gewerkschaft C nach deren Weisungen aus, wobei jede eigene Gewinnerzielung ausgeschlossen ist. Sie arbeitet nach dem Grundsatz der Kostendeckung. Alle verfügbaren Einnahmen sind an die Gewerkschaft C auszuzahlen. Etwaiges Vermögen, soweit es das Stammkapital übersteigt, besitzt die Gesellschaft nur zu treuen Händen für die Gewerkschaft C.
Die Steuerpflichtige verkaufte bis zum Jahre 1945 nur Produkte der Gewerkschaft C. Daneben erwarb sie mehrere Beteiligungen an Handelsgesellschaften. Seit Kriegsende (1945) beschränkte sie sich auf die Verwaltung dieser Beteiligungen, deren Erträge als Betriebsergebnisse jeweils an die Gewerkschaft C abgeführt wurden.
Der Revisionsbeklagte (FA), dem diese Verhältnisse bekannt waren, erkannte bei den Veranlagungen bis einschließlich dem Veranlagungszeitraum 1958 ein Organverhältnis mit Ergebnisabführung zwischen der Steuerpflichtigen und der Gewerkschaft C an. Nach einer Betriebsprüfung kam er zu der Auffassung, daß zwar eine finanzielle und organisatorische, nicht aber eine wirtschaftliche Eingliederung der Steuerpflichtigen in die Gewerkschaft C gegeben sei, und versagte unter Erlaß entsprechender Steuerbescheide für die Streitjahre 1959 bis 1962 die steuerliche Anerkennung eines Organverhältnisses.
Nach erfolglosem Einspruch hob das FG die angefochtenen Steuerbescheide und die Einspruchsentscheidungen auf, weil die hierin enthaltene Nichtanerkennung einer Organschaft gegen Treu und Glauben verstoße. Aus der allgemein gültigen Rechtsnorm des Grundsatzes von Treu und Glauben könne sich aus einer bestimmten tatsächlichen Sachbehandlung durch das FA eine Bindungswirkung hinsichtlich der künftigen Sachbehandlung ergeben. Wenn auch nach den Grundsätzen der Abschnittsbesteuerung die Steuerbehörde jeden Veranlagungszeitraum erneut zu prüfen habe, so würde es doch gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn eine bisherige langjährige Behandlung, die sich im Rahmen des Möglichen bewegt habe, unberücksichtigt bliebe.
Die für die Annahme einer Organschaft erforderliche - hier allein streitige - Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung der Steuerpflichtigen in die Gewerkschaft C sei dadurch erfüllt, daß die Steuerpflichtige von ihr erworbene Beteiligungen an Handelsgesellschaften für die Muttergesellschaft gehalten habe. Entgegen der Meinung des FA komme es nicht darauf an, ob diese Tätigkeit der Steuerpflichtigen die Tätigkeit der Muttergesellschaft gefördert habe; entscheidend sei vielmehr, ob die Steuerpflichtige wie eine Betriebsabteilung der Muttergesellschaft arbeitete und ihre Tätigkeit der gewerblichen Tätigkeit der Muttergesellschaft gedient habe (vgl. Urteil des BFH I 119/56 U vom 25. Juni 1957, BFH 65, 181, BStBl III 1957, 303). Das sei hier der Fall. Es habe für die Vorjahre auch nicht außerhalb des Möglichen gelegen, das Vorliegen eines Ergebnisabführungsvertrags hinsichtlich der Erträge aus dem Halten von Beteiligungen anzunehmen. Zwar beziehe sich der Ergebnisabführungsvertrag, soweit er in dem schriftlichen Gesellschaftsvertrag enthalten sei, nur auf eine Verkaufstätigkeit der Steuerpflichtigen für die Gewerkschaft C. Das schließe aber nicht aus, daß später auch die übrigen Tätigkeiten der Steuerpflichtigen in diesen Ergebnisabführungsvertrag einbezogen wurden. Das habe nach bürgerlichem Recht auch durch stillschweigende, aus einer langjährigen Handhabung erkennbare Vereinbarung geschehen können.
Gegen dieses Urteil hat das FA Revision eingelegt. Es rügt u. a. , die Vorentscheidung lasse die von der Rechtsprechung des RFH und des BFH geforderten Voraussetzungen für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses im Körperschaftsteuerrecht und für die steuerliche Berücksichtigung von Gewinnabführungsvereinbarungen außer Betracht, und die zum Rechtsinstitut Treu und Glauben zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung des FG entspreche nicht den hierzu vom BFH entwickelten Rechtsgrundsätzen.
Die Frage der wirtschaftlichen Eingliederung sei der Ausgangspunkt für die Organtheorie überhaupt und daher von grundsätzlicher Bedeutung. Das Dienen der Tochtergesellschaft habe durch eine gewerbliche Betätigung des Organs zu erfolgen. Das sei jedoch nicht der Fall, wenn das Organ - wie hier - nur Kapitalien verwalte. Darüber hinaus treffe es nicht zu, daß es für die wirtschaftliche Eingliederung nicht darauf ankomme, ob die Tätigkeit des Organs die Tätigkeit der Muttergesellschaft fördere. Die Ergebnisabführung beziehe sich nur auf ein bestimmtes Teilgebiet der Unternehmertätigkeit, nämlich auf den Handel mit Produkten der Gewerkschaft C. Das sei kein steuerlich berücksichtigungsfähiger Teilergebnisabführungsvertrag. Ferner fehlten die Vereinbarungen über eine Verlustübernahme.
Die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Organschaftsverhältnisses hätten nicht vorgelegen und die steuerliche Behandlung bewege sich nicht im Rahmen des Möglichen, weil von Anfang an kein steuerlich wirksamer Ergebnisabführungsvertrag vorgelegen habe. Hier handele es sich um erstmalige Veranlagungen. In den Fällen, in denen das Gesetz ein Veranlagungsverfahren vorsehe, werde grundsätzlich erst bei der Veranlagung über die Besteuerungsmerkmale und den Steueranspruch verbindlich entschieden, und für das FA nur dann eine Bindung nach Treu und Glauben gegeben, wenn eine verbindliche Auskunft oder Zusage erteilt worden sei. Das sei aber hier unstreitig nicht geschehen.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Unabhängig von der Frage, ob die Vorinstanz in der Nichtanerkennung der Organschaft zu Recht einen Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen hat, kann die Revision keinen Erfolg haben, weil die Voraussetzungen für die Annahme einer Organschaft zwischen der Steuerpflichtigen und der Gewerkschaft C erfüllt sind. Unstreitig bestand die finanzielle und organisatorische Eingliederung der Steuerpflichtigen in die Muttergesellschaft. Aber auch die wirtschaftliche Eingliederung ist gegeben. Die wirtschaftliche Eingliederung des Organs bedeutet, daß zwischen seiner Tätigkeit und der des Organträgers ein innerer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen muß, der die Tätigkeit des Organs als einen Teil der gewerblichen Tätigkeit des Organträgers ausweist. Hierfür genügt die Tatsache einer wirtschaftlichen Bedeutung der Betriebe füreinander (vgl. Hoffmann, Finanz-Rundschau 1955 S. 441). Auf die Entfaltung einer ihrem inneren Gehalt nach gewerblichen Tätigkeit seitens des Organs kommt es nicht an. Unter diesen Gesichtspunkten war das Halten von Beteiligungen durch die Steuerpflichtige geeignet, der Gewerkschaft C Vorteile zu bringen.
Dem FA kann nicht in der Ansicht gefolgt werden, die wirtschaftliche Abhängigkeit der Steuerpflichtigen scheitere schon daran, daß diese nur Kapitalien verwalte und infolgedessen nicht gewerblich tätig sei. Nach § 13 Abs. 3 GmbH-Gesetz gilt eine GmbH stets als Handelsgesellschaft und ihre Einkünfte sind nach § 16 KStDV stets als gewerbliche Einkünfte zu behandeln. Dies folgt auch aus § 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG, wonach die Tätigkeit einer GmbH stets als Gewerbebetrieb gilt, gleich welcher Art die Tätigkeit ist; sie muß nur - wirtschaftlich betrachtet - die Stellung einer bloßen Betriebsabteilung haben; in dieser Eigenschaft kann sie aber der Muttergesellschaft auch dienen, wenn sie nur Teile des Vermögens verwaltet und Beteiligungen hält; dabei ist es nicht erforderlich, daß die Beteiligungen an Firmen der gleichen Branche bestehen (RFH-Urteil V 25/39 vom 13. Dezember 1940, RStBl 1941, 320) und daß die Beteiligungen immer die gleichen sind; gerade ein Wechsel der Beteiligungen könnte als eine Aufgabe der Steuerpflichtigen angesehen werden, die sie der Muttergesellschaft abnimmt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA angeführten Urteil des Senats I 119/56 U, a. a. O., wonach das Organverhältnis in einem Dienen des Organs im Betrieb der Muttergesellschaft besteht. Ein solches Dienen ist auch durch das Halten von Beteiligungen möglich, da sie damit die Tätigkeit der Muttergesellschaft fördern kann.
Dem Ergebnisabführungsvertrag ist die Wirksamkeit auch nicht deshalb zu versagen, weil er sich nach dem Gesellschaftsvertrag nur auf den Handel mit Produkten der Gewerkschaft C bezieht - wie das FA vorträgt -. Es ist zuzugeben, daß sich nach dem Vertrag die Abführung der Gewinne nur auf den aus Handelsgeschäften mit der Gewerkschaft bezieht. Das FG ist aber auf Grund mündlicher Verhandlung und des ihm nach § 96 FGO zustehenden Rechts auf Beweiswürdigung dem Vortrag der Steuerpflichtigen gefolgt und hat festgestellt, daß später auch die übrigen Tätigkeiten der Steuerpflichtigen in den Ergebnisabführungsvertrag vereinbarungsgemäß einbezogen worden sind. Da die Steuerpflichtige unbestritten seit dem Jahre 1945 Gewinne und Verluste, die aus den Beteiligungen herrührten, mit Wissen des FA an die Gewerkschaft C abgeführt hat, ist diese Feststellung bei verständiger Würdigung des Sachverhalts möglich und darum für den BFH bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Ein Verstoß gegen die Ermittlungspflicht des FG ist nicht erkennbar. Da es - wie oben gezeigt - nicht darauf ankommt, welche Betätigung die Beteiligungsfirmen ausübten, liegt auch kein Verstoß gegen das Ermittlungsprinzip vor, wenn das FG nicht feststellte, ob die Beteiligungsfirmen Produkte der Gewerkschaft C verkauften.
Fundstellen
Haufe-Index 68940 |
BStBl II 1970, 348 |
BFHE 1970, 168 |