Leitsatz (amtlich)
Soll bei der Ersatzzustellung nach § 182 ZPO die Mitteilung über die Niederlegung an der Wohnungstür befestigt werden, dann genügt dafür nicht das Einschieben des Schriftstücks in einen seitlichen Türspalt.
Normenkette
VwZG § 3; ZPO § 182
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte gegen die Einkommensteuerbescheide für 1969 bis 1975 Einspruch eingelegt, weil ihm darin Mieteinkünfte aus Grundbesitz seiner geschiedenen Ehefrau als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet worden waren. Die Zustellung der Einspruchsentscheidung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) erfolgte nach der Postzustellungsurkunde (PZU) vom 5. Oktober 1977 durch Niederlegung bei der Postanstalt zu A. Darüber wird in der PZU ausgeführt: "Eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung unter Anschrift des Empfängers ist, da die Abgabe in der bei gewöhnlichen Briefen üblichen Weise nicht tunlich war, an der Tür der Wohnung des Empfängers befestigt worden."
Die Klage ging am 28. November 1977 beim Finanzgericht (FG) ein. Dabei versicherte der Kläger eidesstattlich, er habe am 5. Oktober 1977 gegen 3.30Uhr mit seiner Ehefrau sein Haus in A verlassen, um mit dem Auto nach B zu fahren und von dort nach Israel zum Besuch von Freunden zu fliegen. Von dieser Reise sei er am 5. November 1977 zurückgekehrt und habe am 14. November 1977 nach einer Mahnung des FA vom Vorliegen einer Einspruchsentscheidung erfahren. Sein Schwiegervater habe nach der ersten Reisewoche ,,eingehütet" und keine Benachrichtigung vorgefunden. Er, der Kläger, besitze in A auch das Postfach Nr..., das von seinem Schwiegervater ebenfalls "abgeholt" worden sei. Der Schwiegervater des Klägers versicherte eidesstattlich, daß er keine Mitteilung des Postamtes vorgefunden habe, weder im Türschlitz noch vor der Tür.
Auf Veranlassung des FG hat sich die Postarbeiterin X (X), welche die Zustellung ausgeführt hatte, dienstlich geäußert.
Die Klage blieb erfolglos; das FG führte im wesentlichen aus:
Die Klage sei unzulässig, weil sie verspätet eingegangen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei.
Die Klagefrist sei versäumt, nachdem die Einspruchsentscheidung am 5. Oktober 1977 im Wege der Ersatzzustellung wirksam zugestellt worden sei. Die bei der Ersatzzustellung durch Niederlegung notwendige Mitteilung sei, wie sich aus der Äußerung der Postbediensteten ergeben habe, in Ordnung gewesen. Da der Kläger an seinem Haus weder einen Briefkasten noch einen Briefschlitz habe und ein Durchschieben der Benachrichtigung unter der Tür unmöglich gewesen sei, habe die Postbedienstete die Mitteilung an der Wohnungstür befestigen dürfen. Wenn dies durch Einschieben der Benachrichtigung in den seitlichen Türspalt geschehen sei, so spreche keine Vermutung dafür, daß diese Art der Befestigung keinen hinreichend sicheren Halt geboten hätte und weniger fest als eine Befestigung mit einer Heftzwecke gewesen wäre. Mit den eidesstattlichen Versicherungen sei kein Gegenbeweis gegen die in der PZU bezeugten Tatsachen zu erbringen.
Wiedereinsetzung sei mangels Glaubhaftmachung der dafür erforderlichen Voraussetzungen nicht zu gewähren. Das Nichteinhalten der Frist sei verschuldet, weil der Kläger keine ausreichenden Vorkehrungen für einen sicheren Postempfang getroffen habe; er habe weder einen Briefkasten noch einen Einwurfschlitz an der Tür. Schuldhaft sei auch, daß der Kläger es unterlassen habe, für die erste Woche nach seiner Abreise jemanden mit der Sicherstellung der ankommenden Post zu betrauen; wegen der fehlenden Briefeinwurfvorrichtungen habe eine erhöhte Sorgfaltspflicht bestanden.
Mit der Revision wird Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt; dazu wird vorgebracht:
Wiedereinsetzung sei zu gewähren, weil der Kläger die notwendigen Vorkehrungen für einen sicheren Postempfang getroffen habe. Er sei Inhaber eines Postfachs, in das sämtliche ihn betreffende Post einschließlich Benachrichtigungszettel eingelegt werde. Dieses Postfach sei vom Schwiegervater täglich geleert worden. Die Postbedienstete habe das Unbewohntsein des Hauses feststellen können. Das Anbringen eines Briefkastens sei bei dem am Straßenende gelegenen Haus unzweckmäßig, die Einrichtung eines Postfachs die bessere Alternative.
Im übrigen entfalle ein Verschulden an der Fristversäumung mit Glaubhaftmachung der Tatsache, daß der Kläger sich praktisch bis zum Ende der Klagefrist im Ausland auf Urlaub befunden habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist die Einkommensteuerbescheide für 1969 bis 1975 insoweit zu ändern, als darin dem Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks ... zugerechnet wurden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Klage ist nicht wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig (§ 47 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die Frist von einem Monat zur Erhebung der Klage beginnt nach der vorerwähnten Vorschrift mit der Bekanntgabe über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Dabei ist für den Fristbeginn erforderlich, daß die Bekanntgabe wirksam war. Das ist hier nicht der Fall, weil die Einspruchsentscheidung dem Kläger nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde. Die Ersatzzustellung durch Niederlegung war fehlerhaft.
Bei der Ersatzzustellung nach § 182 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ist neben der Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks eine schriftliche Mitteilung über die Niederlegung erforderlich. Die Mitteilung kann, falls ein Abgeben in der bei Briefen üblichen Weise nicht tunlich ist, "an die Tür der Wohnung befestigt werden". Diese hilfsweise Art der Mitteilung ist zwar in der über die Zustellung ausgestellten Urkunde bescheinigt. Soweit jedoch die PZU als öffentliche Urkunde nach § 418 Abs. 1 ZPO den Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen erbringt, ist dieser bereits widerlegt durch die vom FG eingeholte Auskunft der Postbediensteten X, welche diese Urkunde ausgestellt hat. Nach deren Auskunft hat sie die Mitteilung ,,an der Tür der Wohnung des Empfängers durch Einschieben in den seitlichen Türspalt befestigt". Diese Art der Mitteilung ist entgegen der Meinung des FG keine Befestigung an der Wohnungstür i. S. von § 182 ZPO. Befestigen bedeutet Verbinden des Schriftstücks mit der Wohnungstür in einer Weise, daß die Gefahr einer Beseitigung durch Unbefugte oder andere Einwirkungen möglichst gering gehalten wird. Dazu ist das Befestigen z. B. mit einer Heftzwecke oder einem Klebestreifen an der Tür erforderlich. Unzureichend ist hingegen das Einschieben in einen seitlichen Türspalt, weil erfahrungsgemäß bereits geringfügige Bewegungen einer Tür genügen, ein seitlich eingeschobenes, dünnes Blatt Papier herausfallen zu lassen.
Da mangels ordnungsgemäßer Zustellung der Einspruchsentscheidung die Frist zur Klageerhebung nicht in Lauf gesetzt wurde, war die am 28. November 1977 bei Gericht eingegangene Klage nicht verspätet.
Nach Aufhebung der Vorentscheidung geht die Streitsache an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 413408 |
BStBl II 1981, 115 |
BFHE 1981, 434 |