Leitsatz (amtlich)
Zum Ansatz von Ansprüchen einer Genossenschaft gegen ihre Mitglieder auf Einzahlung der restlichen Geschäftsanteile bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Genossenschaft.
Normenkette
BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 14 Abs. 3; BewG i.d.F. vor dem BewG 1965 § 56 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Im Revisionsverfahren ist noch streitig, ob die Ansprüche einer Genossenschaft eGmbH (Klägerin und Revisionsklägerin) gegen die Genossen auf Einzahlung der Geschäftsanteile zum Betriebsvermögen der Genossenschaft gehören.
Über den Geschäftsanteil ist in der Satzung folgendes bestimmt: Der Anteil, bis zu dem sich die Mitglieder an der Genossenschaft beteiligen müssen, beträgt 2 000 DM. Auf ihn sind 200 DM beim Erwerb der Mitgliedschaft einzuzahlen; der Rest kann auf einmal oder in Raten entrichtet werden. Die auf die Mitglieder entfallenden Warenrückvergütungen werden den Geschäftsguthaben der Genossen in voller Höhe zugeschrieben, bis das Guthaben den Betrag von 1 200 DM erreicht hat; von da ab werden sie bis zur vollständigen Auffüllung des Geschäftsanteils zu einem Drittel dem Guthaben zugeführt. Der Geschäftsanteil muß spätestens drei Jahre nach Erreichen der Einzahlung von 1 200 DM voll aufgefüllt werden. Vorstand und Aufsichtsrat müssen über die Ausschüttung der Warenrückvergütung vor Genehmigung des Jahresabschlusses beschließen.
Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) setzte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1960 die Ansprüche der Genossenschaft auf Einzahlung der Geschäftsanteile in Höhe des Unterschieds der gezeichneten Anteile zur Summe der zum 1. Januar 1960 vorhandenen Geschäftsguthaben als Teil des Betriebsvermögens an.
Die Genossenschaft legte gegen den vorläufigen Einheitswert- und Vermögensteuerbescheid auf den 1. Januar 1960 Sprungberufung ein. Sie berief sich auf den im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen Erlaß des BdF vom 28. November 1960 – IV C/1 S 3194-20/60 – (abgedruckt bei Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 1.-4. Aufl., § 21 VStG Anm. 15; später übernommen in Abschn. 130 Buchst. a Abs. 1a VStR 1963), nach dem noch nicht erfüllte Ansprüche einer Genossenschaft auf Einzahlung der Geschäftsanteile bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nur zu erfassen sind, soweit es sich um rückständige Pflichteinzahlungen handelt, die in der Satzung oder durch Beschluß der Generalversammlung nach § 50 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) nach Betrag, Höhe und Fälligkeit bestimmt sind. Diese Voraussetzungen waren nach ihrer Ansicht im Streitfall nicht erfüllt.
Das FG gab der Sprungberufung teilweise statt und führte aus: Die Genossen seien zur Einzahlung ihrer Geschäftsanteile verpflichtet. Der Anspruch der Genossenschaft auf Zahlung der Beträge sei Teil des Betriebsvermögens und wie jede andere Forderung zu bewerten. Die Forderung sei entsprechend dem Urteil des BFH III 354/57 U vom 13. Mai 1960 (BFH 71, 400, BStBl III 1960, 400) zu berücksichtigen, wenn sie am Bewertungsstichtag für die Genossen eine ernstzunehmende wirtschaftliche Belastung gewesen sei, d. h. wenn die Genossen nach den Bestimmungen der Satzung in absehbarer Zeit mit Pflichteinzahlungen rechnen müßten. Die Satzung enthalte im Streitfall, abgesehen von den bei Erwerb der Mitgliedschaft zu zahlenden 200 DM, keine bestimmten Fälligkeitstermine. Nach der in ihr geregelten Zahlungsweise müßten die Genossen jedoch davon ausgehen, daß der Restbetrag von 1 800 DM in der Regel innerhalb von sechs Jahren zu entrichten sei. Die Genossenschaft rechne offensichtlich damit, daß die Geschäftsguthaben durch vollständige Zuschreibung der Warenrückvergütungen spätestens innerhalb von drei Jahren die Grenze von 1 200 DM erreichen würden. Nach der Satzung sei der Restbetrag dann innerhalb der folgenden drei Jahre zu erbringen. Die Forderung der Genossenschaft sei mit dem Gegenwartswert anzusetzen, da sie unverzinslich und befristet sei. Sie sei nach einer durchschnittlichen Laufzeit von drei Jahren mit einem Gegenwartswert von 89,931 DM für 100 DM Nennwert zu berechnen.
Die Genossenschaft legte gegen das Urteil des FG Rechtsbeschwerde ein, die seit Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln ist. Das Rechtsmittel wurde nicht begründet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat hat, nachdem die Vorentscheidung ergangen war, im Urteil III 252/62 U vom 14. Mai 1965 (BFH 82, 433, BStBl III 1965, 405) eingehend zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen noch nicht erfüllte Ansprüche einer Genossenschaft auf Einzahlung der Geschäftsanteile bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu berücksichtigen sind. Er hat sich der im BdF-Erlaß vom 28. November 1960 (a. a. O.) vertretenen und im Schrifttum allgemein gebilligten Rechtsauffassung angeschlossen, daß diese Ansprüche dann zum Betriebsvermögen der Genossenschaft im Sinne des § 56 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes in der vor dem Bewertungsgesetz 1965 geltenden Fassung (im folgenden: BewG) gehören, wenn die Pflichteinzahlungen nach dem Statut der Genossenschaft nach Betrag, Höhe und Fälligkeitszeitpunkt am Bewertungsstichtag feststehen oder durch die Generalversammlung nach § 50 GenG bis zum Bewertungsstichtag beschlossen werden, wobei der Fälligkeitszeitpunkt auch nach dem Bewertungsstichtag liegen kann. Er hat über den BdF-Erlaß hinaus einen bewertungsrechtlich zu erfassenden Anspruch auf Pflichteinzahlung ebenfalls angenommen, wenn die Warenrückvergütungen nach der Satzung dem Geschäftsguthaben der Genossen bis zur vollständigen Auffüllung des Geschäftsanteils gutzuschreiben sind und die Genossen am Bewertungsstichtag entsprechend dem Urteil des Senats III 293/59 U vom 26. Juni 1964 (BFH 80, 384, BStBl III 1964, 614) einen der Höhe nach bestimmten Rechtsanspruch auf Gewährung der Warenrückvergütung für das abgelaufene Wirtschaftsjahr haben. Auf die Entscheidungen III 252/62 U (a. a. O.) und III 293/59 U (a. a. O.) wird Bezug genommen.
Der Senat hebt die Vorentscheidung auf, weil das FG die Ansprüche der Genossenschaft auf Pflichteinzahlung der Geschäftsanteile nach anderen rechtlichen Gesichtspunkten beurteilt hat. Das FG ist von dem BFH-Urteil III 354/57 U (a. a. O.) ausgegangen, in dem der Senat den Anspruch einer GmbH auf Einzahlung des restlichen, bei der Gründung der GmbH nicht voll eingezahlten Stammkapitals danach bewertet hatte, ob und inwieweit auf Grund vernünftiger kaufmännischer und wirtschaftlicher Überlegungen mit der alsbaldigen Einziehung des noch ausstehenden Stammkapitals zu rechnen war. Diese Bewertungsgrundsätze sind jedoch, wie der Senat im Urteil III 252/62 U (a. a. O.) ausgeführt hat, nicht ohne weiteres auf Ansprüche einer Genossenschaft auf Einzahlung der Geschäftsanteile zu übertragen. Die Geschäftsanteile einer Genossenschaft sind rechtlich und wirtschaftlich nicht mit dem Anteil eines Gesellschafters am Stammkapital einer GmbH zu vergleichen, weil die Summe aller Geschäftsanteile nicht – wie beim Stammkapital einer GmbH – das Eigenkapital der Gesellschaft bildet und noch nicht einmal der Haftsumme der Gesellschaft zu entsprechen braucht. Aus diesem Grunde dürfte im allgemeinen eine Genossenschaft auch nicht so stark wie eine GmbH an der schnellen und vollständigen Auffüllung der gesellschaftlichen Beteiligung interessiert sein.
Der Senat weist die Sache an das FG zurück, weil das FG über das Bestehen und über die Höhe der Einzahlungsansprüche noch nähere Feststellungen treffen muß. In der Satzung ist der Betrag, bis zu dem sich die Mitglieder an der Genossenschaft beteiligen können und müssen, auf 2 000 DM festgesetzt. Von ihm sind 200 DM sofort beim Erwerb der Mitgliedschaft zu entrichten. Nach den vom FA nicht bestrittenen Angaben der Genossenschaft bestanden am Bewertungsstichtag 1. Januar 1960 insoweit keine Rückstände. Für den Restbetrag von 1 800 DM enthält die Satzung keinen fest bestimmten Fälligkeitstermin. Die Genossen können den Rest auf einmal oder auch zu jedem beliebigen Zeitpunkt in Raten einzahlen. Andererseits werden dem Geschäftsguthaben nach der Satzung die auf die Mitglieder entfallenden Warenrückvergütungen voll zugeschrieben, bis das Guthaben die Höhe von 1 200 DM erreicht hat. Bis zu dieser Grenze kann ein Anspruch der Genossenschaft auf Einzahlung der Geschäftsanteile nur in Höhe der zugewiesenen Warenrückvergütungen berücksichtigt werden. Er ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile III 252/62 U und III 293/59 U, a. a. O.) bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zu erfassen, wenn Vorstand und Aufsichtsrat noch vor dem Bewertungsstichtag über die Ausschüttung der Warenrückvergütungen des laufenden Jahres entschieden und den Beschluß den Genossen bekanntgegeben haben. Das FG muß prüfen, ob ein solcher Beschluß vor dem 1. Januar 1960 gefaßt und den Genossen mitgeteilt wurde. Haben die Geschäftsguthaben den Betrag von 1 200 DM überschritten, so hat die Genossenschaft nach Betrag, Höhe und Fälligkeit bestimmte Einzahlungsansprüche; denn nach der Satzung sind die Geschäftsanteile spätestens drei Jahre nach Erreichen der 1 200 DM-Grenze auf 2 000 DM aufzufüllen. Den Guthaben ist von da an nur noch ein Drittel der auf die Genossen entfallenden Rückvergütungen zuzuschreiben. Sind die Geschäftsanteile hierdurch nicht innerhalb von drei Jahren aufgefüllt, so müssen die Genossen den Rest selbst einzahlen. Diese Ansprüche gehören ebenfalls zum Betriebsvermögen. Sie sind nach § 14 Abs. 3 BewG abzuzinsen, da sie unverzinslich und befristet sind. Das FG muß auch in dieser Hinsicht den Sachverhalt noch näher aufklären.
Fundstellen
Haufe-Index 557457 |
BStBl II 1969, 749 |
BFHE 1970, 44 |