Leitsatz (amtlich)
Sowohl für den betrieblichen als auch für den außerbetrieblichen Bereich sind Darlehensverträge zwischen Familienangehörigen, insbesondere schenkweise begründete Darlehensforderungen der Kinder gegen die Eltern, einkommensteuerrechtlich nur dann als solche zu berücksichtigen und demnach die in Erfüllung der Verträge geleisteten Zinszahlungen nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, wenn die Verträge ihrem Inhalt nach den zwischen Fremden üblichen Verträgen entsprechen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist selbständig als Steuerberater tätig. Seinen Gewinn ermittelte er in den Streitjahren nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Am 23. Januar 1970 schloß der Kläger mit seinen minderjährigen Kindern I (geb. 1960) und R (geb. 1962), die durch einen gerichtlich bestellten Ergänzungspfleger vertreten waren, in notariell beurkundeter Form einen Vertrag (Schenkungsversprechen). Darin verpflichtete sich der Kläger, seinen beiden Kindern einen Betrag von je 30 000 DM zu schenken. Am selben Tag schloß der Kläger mit seinen Kindern I und R, die wiederum durch einen gerichtlich bestellten Ergänzungspfleger vertreten waren, in notariell beurkundeter Form einen Darlehensvertrag. Darin bekannte der Kläger, seinen Kindern ein Darlehen in Höhe von je 30 000 DM zu schulden. Die Darlehen sollten mit 7 v. H. zu verzinsen und seitens der Gläubiger für die Dauer von 15 Jahren unkündbar sein. Die Darlehensgewährung wurde gemäß § 1811 BGB vormundschaftsgerichtlich genehmigt. Die Beträge von jeweils 30 000 DM wurden am 23. Januar 1970 vom betrieblichen Girokonto des Klägers abgebucht und am selben Tage diesem Konto wieder gutgeschrieben.
Bei der Ermittlung seines Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit für das den Streitjahren vorangegangene Jahr 1970 setzte der Kläger Darlehenszinsen in Höhe von 3 950 DM als Betriebsausgaben ab.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1971 und 1972 behandelte der Kläger Darlehenszinsen in Höhe von jeweils 4 200 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, und zwar im Hinblick auf vier Eigentumswohungen, die er in 1971 und 1972 erworben hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger mit Bescheiden vom 21. März 1975 für 1971 und 1972 zur Einkommensteuer.
Die Zinszahlungen an die Kinder ließ das FA nicht zum Abzug zu.
Die Sprungklage war erfolglos.
Mit der Revision, die das Finanzgericht (FG) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuließ, beantragt der Kläger sinngemäß, die an die Kinder gezahlten Zinsen von je 4 200 DM für 1971 und 1972 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzuerkennen. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 1 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Beträge, die der Kläger in den Streitjahren in Höhe von jeweils 4 200 DM aufgrund der Verträge vom 23. Januar 1970 an seine beiden Kinder I und R als "Darlehenszinsen" zahlte, bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung nicht als Werbungskosten abgezogen werden können; sie sind keine "Schuldzinsen", die mit den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, daß z. B. Arbeitsverträge zwischen Ehegatten oder Arbeitsverträge zwischen Eltern und Kindern nur dann wie Arbeitsverträge zwischen Fremden der Einkommensbesteuerung der Vertragsparteien zugrundegelegt werden können, wenn sie nach ihrem Inhalt und nach ihrer tatsächlichen Durchführung den zwischen Fremden üblichen Arbeitsverträgen entsprechen. Das gleiche gilt für Darlehensverträge zwischen Ehegatten und für Darlehensverträge zwischen Eltern und Kindern (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 23. Februar 1968 VI 325/65, BFHE 91, 67 [75], BStBl II 1968, 289; vom 18. Juli 1972 VIII R 43/72, BFHE 106, 519, BStBl II 1972, 932; vom 23. April 1975 I R 208/72, BFHE 115, 481, BStBl II 1975, 579; vom 27. Oktober 1978 VI R 166, 173, 174/76, BFHE 126, 285, BStBl II 1979, 80).
Für den betrieblichen Bereich folgt hieraus zwar nicht, daß schenkweise begründete Darlehensforderungen z. B. der Kinder gegen die Eltern einkommensteuerrechtlich in keinem Fall Betriebsschulden der Eltern und die Darlehenszinsen in keinem Fall Betriebsausgaben der Eltern sein können, weil es zwischen Fremden nicht üblich sei, Darlehensforderungen schenkweise zu begründen; vielmehr muß insoweit der Entstehungsgrund einer Darlehensforderung für ihre einkommensteuerrechtliche Würdigung außer Betracht bleiben, so wie er etwa bei der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung eines schenkweise zugewendeten Kommanditanteils oder einer schenkweise zugewendeten typischen stillen Beteiligung unberücksichtigt bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 13. September 1956 IV 317/55 U, BFHE 63, 480, BStBl III 1956, 380).
Der Senat kann offenlassen, ob eine gleichartige Beurteilung auch im außerbetrieblichen Bereich, also bei den Einkunftsarten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG geboten ist mit der Folge, daß schenkweise begründete Darlehensforderungen und die hierauf gezahlten Zinsen Schulden bzw. Schuldzinsen sein können, die in wirtschaftlichem Zusammenhang z. B. mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung stehen.
In jedem Fall, also sowohl für den betrieblichen wie für den außerbetrieblichen Bereich, sind Darlehensverträge zwischen Familienangehörigen, insbesondere aber schenkweise begründete Darlehensforderungen einkommensteuerrechtlich nur dann als solche zu berücksichtigen und demnach die in Erfüllung der Verträge erbrachten Zinsleistungen Betriebsausgaben oder Werbungskosten, wenn sie ihrem Inhalt nach den zwischen Fremden üblichen Verträgen entsprechen. Denn wenn Rechtsverhältnisse zwischen Familienangehörigen einkommensteuerrechtlich unabhängig von den zwischen den Beteiligten bestehenden familiären und damit privaten Bindungen wie Rechtsverhältnisse zwischen einander fremden Personen beurteilt werden sollen, so müssen sie auch inhaltlich mit den zwischen Fremden üblichen Gestaltungen übereinstimmen.
Wie das FG zu Recht betont hat, folgt hieraus für den Streitfall, daß die Darlehensverträge vom 23. Januar 1970 schon deshalb nicht als solche der Einkommensbesteuerung des Klägers zugrunde gelegt und die "Darlehenszinsen" nicht als Werbungskosten abgezogen werden können, weil es zwischen Fremden nicht üblich ist, Darlehen in der Größenordnung von 30 000 DM, die für den Darlehensgeber auf 15 Jahre unkündbar sind, ohne jede Sicherheitsleistung seitens des Darlehensnehmers zu gewähren. Dies gilt auch dann, wenn sich der Darlehensnehmer im Zeitpunkt der Darlehenshingabe in relativ günstigen Vermögensverhältnissen befindet (s. insoweit auch das BFH-Urteil vom 16. März 1977 I R 213/74, BFHE 121, 458, BStBl II 1977, 414). Hinzu kommt, daß der Streitfall gerade durch die besonders langfristige Darlehenslaufzeit ein spezifisches, für die einkommensteuerrechtliche Wertung relevantes Gepräge im Sinne einer erst auf künftige Kapitalzuwendung angelegte Gestaltung erhält (s. BFH-Urteil I R 213/74).
Unter den gegebenen Umständen kann der Senat offenlassen, ob bei einer Gestaltung, so wie sie im Streitfall vorliegt, bereits zivilrechtlich keine Darlehensforderungen und -schulden, sondern nur "maskierte Schenkungsversprechen" gegeben sind (so offenbar Knobbe/Keuk, Festschrift für Werner Flume zum 70. Geburtstag, Köln 1978, Band II S. 149, 168 ff., 171).
Aus den vorstehend entwickelten Rechtsgrundsätzen folgt gleichzeitig, daß die vom FG nicht behandelte, aber angesichts des Streitgegenstandes im finanzgerichtlichen Verfahren entscheidungserhebliche Frage, ob die "Darlehenszinsen" als Sonderausgaben im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. d. F. vor 1974 abgezogen werden können, zu verneinen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 73117 |
BStBl II 1979, 434 |
BFHE 1979, 364 |