Leitsatz (amtlich)
Renten und ähnliche Bezüge, die auf einer früheren Tätigkeit als Handelsvertreter im Sinn des § 84 HGB beruhen, sind von der Vermögensteuer nicht befreit.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 68 Nr. 1
Tatbestand
Der verstorbene Ehemann der Klägerin war Handelsvertreter. Auf Grund eines Pensionsvertags erhält die Klägerin von dem Unternehmen, für das ihr Mann tätig war, eine Versorgungsrente von monatlich 300 DM. Außerdem erhält sie eine als Organisationshonorar bezeichnete Umsatzprämie von monatlich höchstens 1 300 DM. Der Höchstbetrag wird erreicht, wenn der von dem Nachfolger des verstorbenen Ehemannes der Klägerin erzielte Umsatz nicht weniger als 32 000 DM beträgt.
Das FA - Revisionsbeklagter - behandelte bei der Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1963 die Versorgungsbezüge der Klägerin als steuerpflichtiges Vermögen. Es bewertete sie mit dem Kapitalwert von 187 200 DM. Der Kapitalwert ergab sich dadurch, daß das FA auf den um den Freibetrag von 3 600 DM gekürzten Jahreswert von 19 200 DM den dem Lebensalter der Klägerin entsprechenden Vervielfacher zwölf anwendete.
Der Einspruch gegen den Vermögensteuer-Bescheid 1963, mit dem sich die Klägerin gegen die Höhe des Kapitalwerts ihrer Rentenbezüge wendete, war ohne Erfolg.
Die Klage, mit der die Klägerin beantragt hatte, den Kapitalwert der Rente ganz außer Ansatz zu lassen, wurde abgewiesen. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, das Bewertungsgesetz sehe für die Bewertung wiederkehrender Bezüge in ungewisser oder schwankender Höhe vor, daß der nach den Verhältnissen des Stichtags im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich zu erzielende Betrag als Jahreswert anzusetzen sei. Nach den Verhältnissen des Veranlagungszeitpunktes lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Jahresbezüge der Klägerin zurückgehen würden.
Die Revision rügt, das FG habe verkannt, daß es sich bei dem Handelsvertretervertrag um einen Dienstvertrag im Sinne des § 68 Nr. 1 BewG handele. Die Bezüge der Klägerin beruhten auf diesem Dienstverhältnis und gehörten deshalb nicht zum sonstigen Vermögen. Bei der Tätigkeit des Handelsvertreters Handele es sich zwar um eine selbständige Tätigkeit. Daraus, daß der Gesetzgeber in § 68 Nr. 1 BewG dem Begriff "Arbeitsverhältnis" noch den Begriff "Dienstverhältnis" hinzugefügt habe, folge aber, daß unter einem Dienstverhältnis nicht nur unselbständige Tätigkeiten und Arbeitsverhältnisse zu verstehen seien. Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung ergebe sich auch daraus, daß ein Unternehmen Pensionsrückstellungen nicht nur für Arbeitnehmer, sondern auch für arbeitnehmerähnliche Personen bilden könne. Unter letztere Gruppe fielen auch Handelsvertreter, die einem Betrieb ihre Arbeitskraft ausschließlich oder überwiegend zur Verfügung stellten. Wenn aber die Verpflichtung aus diesen Zusagen beim Unternehmen rückstellungsfähig sei, so müßten die laufenden Bezüge auf Grund der Zusage auch im Sinn des § 68 Nr. 1 BewG wie Rentenbezüge behandelt werden, die auf einem früheren Dienstverhältnis beruhen.
Die Klägerin hat beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Vermögensteuer für 1963 nach einem Vermögen festzusetzen, bei dem der Kapitalwert der wiederkehrenden Bezüge nicht angesetzt wird.
Das FA hat beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Der Ehemann der Klägerin war als Handelsvertreter selbständiger Gewerbetreibender. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Begriffsbestimmung des Handelsvertreters im § 84 HGB. Es gibt allerdings auch arbeitnehmerähnliche Handelsvertreter, die in verschiedener Hinsicht, z. B. der Gerichtszuständigkeit bei den Arbeitsgerichten und des Urlaubsrechts, wie Arbeitnehmer oder ähnlich wie Arbeitnehmer behandelt werden. Die Entscheidung darüber, ob ein Handelsvertreter eine arbeitnehmerähnliche Stellung hat, ist nach dem Gesamtbild des Vertragsverhältnisses zu treffen (Baumbach-Duden, Handelsgesetzbuch, 18. Auflage, § 84 Anm. 5). Die Vorentscheidung enthält keine Feststellungen, aus denen etwas dafür hergeleitet werden könnte, daß der Ehemann der Klägerin ein arbeitnehmerähnlicher Handelsvertreter gewesen wäre. Die Klägerin hat insoweit auch nicht mangelnde Sachaufklärung durch das FG gerügt, sondern sogar bestätigt, daß der Sachverhalt in dem Urteil des FG zutreffend dargestellt sei. Der Senat braucht daher nicht dazu Stellung zu nehmen, ob Ansprüche auf Renten und ähnliche Bezüge, die mit Rücksicht auf eine frühere Tätigkeit an arbeitnehmerähnliche Handelsvertreter gezahlt werden, unter § 68 Nr. 1 BewG fallen können.
Der Senat hat sich in seinem Urteil III R 64/66 vom 20. Juni 1969 (BFH 96, 120, BStBl II 1969, 544) eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, was unter einem "Arbeits- oder Dienstverhältnis" im Sinn des § 68 Nr. 1 BewG zu verstehen sei. Er kam zu dem Ergebnis, daß es sich dabei nicht um einen bürgerlich-rechtlichen Begriff handeln könne, wenngleich die Begriffe "Arbeitsverhältnis" und "Dienstverhältnis" auch im bürgerlichen Recht verwendet werden. Denn wäre dies der Fall, so wäre es unverständlich, daß diese beiden Begriffe im § 68 Nr. 1 BewG, verbunden durch das Wort "oder", nebeneinandergestellt sind, obwohl nach bürgerlichem Recht der Begriff des Dienstverhältnisses den des Arbeitsverhältnisses mit umfaßt. Der Senat legt deshalb den verbundenen Begriff "Arbeits- oder Dienstverhältnis" nach der steuerlichen Zweckbestimmung aus. Das führt dazu, daß unter einem Arbeits- oder Dienstverhältnis im Sinn des § 68 Nr. 1 BewG nur eine unselbständige Tätigkeit verstanden werden kann (vgl. im einzelnen die Begründung des Urteils III R 64/66, a. a. O.). Diese Auslegung hat das BVerfG unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet (vgl. BVerfG-Beschluß - BvR 523/69 - vom 16. Dezember 1969, HFR 1970, 129). Da der Ehemann der Klägerin eine selbständige gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat, fallen die wiederkehrenden Bezüge, die die Klägerin auf Grund der früheren Tätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes erhält, nicht unter die sachliche Befreiung des § 68 Nr. 1 BewG.
Die Klägerin irrt, wenn sie meint, ihre Rentenbezüge müßten deshalb von der Vermögensteuer freigestellt werden, weil das zahlungspflichtige Unternehmen für diese Verpflichtung eine Rückstellung bilden könne, die bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens als Schuld abgezogen werde. Denn § 6a des Einkommensteuergesetzes und § 62a BewG verlangen lediglich, daß eine verbindliche Ruhegeldzulage vorliegt, dagegen nicht, daß sich der Zusageempfänger in einem "Arbeits- oder Dienstverhältnis" im Sinn des § 68 Nr. 1 BewG befindet. Die gleiche Rechtslage besteht für den Abzug des Kapitalwerts laufender Ruhegeldverpflichtungen nach § 16 BewG.
Die Klägerin hat gegen die Höhe des Kapitalwerts in der Revision keine Einwendungen mehr erhoben. Gegen die Richtigkeit des Ansatzes des Kapitalwerts der Rente bestehen auch nach Auffassung des Senats keine Bedenken.
Fundstellen
Haufe-Index 69353 |
BStBl II 1971, 194 |
BFHE 1971, 120 |