Leitsatz (amtlich)
Wird das zur Betriebstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehörende Betriebsvermögen in eine inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht, so müssen die anläßlich der Übertragung des Betriebsvermögens aufgedeckten stillen Reserven versteuert werden. Diese Sachbehandlung steht nicht in Widerspruch zu dem in Art. 21 Abs. 4 und Abs. 1 DBA-Frankreich enthaltenen Diskriminierungsverbot.
Normenkette
KStG § 16 Abs. 2, § 15 Abs. 2; DBA FRA Art. 21 Abs. 4, 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft französischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Frankreich. Sie hat nach den Feststellungen des FG bis zum 31. Dezember 1962 in N (Baden-Württemberg) eine Zweigniederlassung unterhalten.
Mit Vertrag vom 19. März 1963 gründeten die Klägerin und die D.-AG eine inländische GmbH mit einem Stammkapital von 1 000 000 DM. Hierbei übernahmen die beiden Gesellschafter je 500 000 DM des Stammkapitals. In Anrechnung auf ihre Stammeinlage brachte die Klägerin ihre Zweigniederlassung in N. mit allen Aktiven und Passiven nach dem Stande vom 31. Dezember 1962 in die GmbH ein. Die D.-AG zahlte für den Erwerb ihres Gesellschaftsanteils außer ihrer Stammeinlage noch ein Aufgeld von 750 000 DM. Die GmbH führte die Buchwerte der bisherigen Zweigniederlassung der Klägerin weiter.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertritt die Auffassung, daß die Übertragung des Betriebsvermögens der bisherigen Zweigniederlassung auf die neu errichtete GmbH einen Veräußerungsvorgang darstelle, der nach § 16 Abs. 2 KStG zur Versteuerung der im Betriebsvermögen der Zweigniederlassung ruhenden stillen Reserven führen müsse. Das FA hat deshalb diesen als Veräußerungsgewinn erfaßten Betrag durch vorläufigen Bescheid vom 26. Juli 1965 zur Körperschaftsteuer 1962 herangezogen.
Der Einspruch, der sich gegen die steuerliche Erfassung eines Veräußerungsgewinns richtete, hatte keinen Erfolg. Auch die Klage wurde abgewiesen. Zur Begründung seines - in den EFG 1970, 271 abgedruckten - Urteils führte das FG aus:
Nach § 16 Abs. 2 KStG müßten stille Reserven offengelegt und besteuert werden, wenn das Vermögen der inländischen Betriebstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft als Ganzes auf einen anderen übertragen werde. Dieser Vorgang stehe im Gegensatz zu den - zu keiner Besteuerung stiller Reserven führenden - Umwandlungsfällen des § 15 Abs. 2 KStG, bei denen es sich um den Übergang von Vermögen handle, das inländischen Kapitalgesellschaften gehöre. Die Unterscheidung in der steuerlichen Behandlung von in- und ausländischen Kapitalgesellschaften sei wirtschaftlich gerechtfertigt. Eine ausländische Kapitalgesellschaft mit einer Betriebstätte im Inland scheide bei Umwandlung der Betriebstätte in eine selbständige Kapitalgesellschaft aus der Steuerpflicht aus. Die Ungleichbehandlung in- und ausländischer Kapitalgesellschaften verstoße nicht gegen das in Art. 21 Abs. 4 des DBA-Frankreich vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398, BStBl I 1961, 343) enthaltene Diskriminierungsverbot.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Vorschriften der §§ 16 Abs. 2 und 15 Abs. 2 KStG sowie des Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich. Sie ist der Auffassung, daß die Umwandlung der inländischen Betriebstätte eines ausländischen Unternehmens in eine selbständige Tochtergesellschaft nicht zu einem nach § 16 Abs. 2 KStG zu besteuernden Veräußerungsgewinn führen könne. § 16 Abs. 2 KStG sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die Einbringung des zu einem Teilbetrieb gehörenden Betriebsvermögens in eine neu gegründete Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten nicht als Betriebsveräußerung, sondern als Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit in anderer Form anzusehen sei; von einer "Übertragung des Vermögens als Ganzes", wie sie § 16 Abs. 2 KStG voraussetze, könne nicht gesprochen werden. Auf den Streitfall müsse vielmehr die Vorschrift des § 15 Abs. 2 KStG entsprechend angewendet werden. Diese Vorschrift enthalte den allgemeinen Rechtsgedanken, daß die Besteuerung von stillen Reserven bei einer übertragenden Umwandlung unterbleibe, wenn die im Betriebsvermögen steckenden stillen Reserven später bei der Steuerart erfaßt werden könnten, zu deren Lasten sie vor der Übertragung des Betriebsvermögens gebildet worden seien.
Falls man allerdings § 16 Abs. 2 KStG dahin auslege, daß die stillen Reserven im Streitfall aufzulösen und zu versteuern seien, so würde dies gegen das in Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich enthaltene Diskriminierungsverbot verstoßen; die Diskriminierung liege darin, daß ein Vorgang, der nach allgemeinen Grundsätzen nicht zur Gewinnrealisierung führe, nur deshalb besteuert werde, weil eine an dem Vorgang beteiligte Person beschränkt steuerpflichtig sei.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz sowie der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Bescheides die Körperschaftsteuer auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der BdF, der dem Verfahren beigetreten ist, führt aus: Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs. 1 und 2 KStG seien stille Reserven immer dann offenzulegen und zu versteuern, wenn sich die inländische Steuerpflicht des Rechtsträgers von Betriebsvermögen im Verhältnis zum Ausland ändere, sei es, daß die unbeschränkte Steuerpflicht (durch Sitz- oder Geschäftsleitungsverlegung) wegfalle, sei es, daß die unbeschränkte Steuerpflicht des ausländischen Unternehmens dadurch ende, daß es keine Betriebstätte mehr im Inland unterhalte. Diese Folge trete unabhängig davon ein, ob im Einzelfall die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sei. Angesichts der klaren Regelung des § 16 KStG sei für eine analoge Anwendung des § 15 Abs. 2 KStG kein Raum. Die nach § 16 KStG gebotene Aufdeckung stiller Reserven verstoße auch nicht gegen das in Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich enthaltene Diskriminierungsverbot. Der Diskriminierungsschutz für die inländische Betriebstätte eines ausländischen Unternehmens beziehe sich nur auf die laufende wirtschaftliche Betätigung und den daraus erzielten Gewinn. Es verstoße dagegen nicht gegen das Diskriminierungsverbot, wenn stille Reserven bei einer Übertragung von Betriebstätten ausländischer Unternehmer aufzulösen seien. Denn hier handle es sich um einen Wechsel in der Person des Rechtsträgers. Darüber hinaus fehle es in entscheidenden Punkten an der Gleichheit der Verhältnisse, ohne die eine Diskriminierung nicht vorliegen könne.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Auffassung des FG, bei der Übertragung des zur Zweigstelle der Klägerin gehörenden Betriebsvermögens müßten die stillen Reserven aufgedeckt und versteuert werden, ist nicht zu beanstanden.
a) Rechtsgrundlage für die Versteuerung der stillen Reserven ist die Vorschrift des § 16 KStG. Hiernach ist in den Fällen, in denen eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft ihre Geschäftsleitung und ihren Sitz oder eines von beiden ins Ausland verlegt und dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet, die Vorschrift des § 14 KStG entsprechend anzuwenden; es finden somit die Regeln, die für die Auflösung und Abwicklung einer Kapitalgesellschaft gelten, sinngemäß Anwendung. Das gleiche gilt, wenn die inländische Betriebstätte einer bescharänkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft aufgelöst oder ins Ausland verlegt oder ihr Vermögen als Ganzes an einen anderen übertragen wird.
Die entsprechende Anwendung des § 14 KStG in den genannten Fällen bedeutet, daß die im inländischen Betriebsvermögen steckenden stillen Reserven offengelegt und versteuert werden müssen. Der gesetzgeberische Grund für diese Regelung ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des (jetzigen) § 16 KStG.
Daß bei gewissen Veränderungen der inländischen Steuerpflicht die Vorschriften über die Auflösung und Abwicklung einer Kapitalgesellschaft mit der Folge einer Versteuerung der im Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven entsprechend angewendet werden sollen, geht auf das KStG vom 30. März 1920 (RGBl I 1920, 393) zurück. § 18 KStG 1920 verlangte die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Auflösung einer Erwerbsgesellschaft, wenn der Sitz und der Ort der Leitung einer Erwerbsgesellschaft ins Ausland verlegt wird. Ohne diese gesetzliche Regelung hätte die Möglichkeit bestanden, der Besteuerung von bisher nicht realisierten Gewinnen durch Abwanderung ins Ausland zu entgehen (zur Vorgeschichte der gesetzlichen Vorschrift, vgl. Jung, Die Verlegung der Geschäftsleitung und des Sitzes deutscher Kapitalgesellschaften oder von Betriebstätten ins Ausland unter besonderer Berücksichtigung des französischen und belgischen Niederlassungs- und Steuerrechts [§ 16 KStG], Diss. 1968 S. 66). Eine Weiterentwicklung des Gedankens befand sich in § 19 KStG vom 10. August 1925 (RGBl I, 208). Nach der neuen Regelung sollte außer im Fall der Verlegung von Sitz und Ort der Leitung oder eines von beiden ins Ausland (§ 19 Abs. 1 KStG 1925) eine Versteuerung von stillen Reserven nunmehr auch dann stattfinden, wenn die inländische Betriebstätte einer Erwerbsgesellschaft, deren Sitz und Ort der Leitung sich im Ausland befindet, aufgelöst oder in das Ausland verlegt oder ihr Vermögen als Ganzes an einen anderen übertragen wird (§ 19 Abs. 2 KStG 1925). Mit der Erweiterung der gesetzlichen Regelung sollten Umgehungsmöglichkeiten, die sich nach der bisherigen Rechtslage ergeben hatten, ausgeschlossen werden (vgl. amtl. Begründung zu § 19 des Reichstagsentwurfs abgedruckt bei Evers, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz vom 10. August 1925, Anm. 1 zu § 19). Es sollte möglichst alles, was im Inland erwirtschaftet oder verdient wird, steuerlich erfaßt werden. Dies ist auch für die Auslegung des jetzt geltenden § 16 Abs. 2 KStG von Bedeutung; denn die heutige Regelung entspricht der früheren Vorschrift des § 19 KStG 1925 (vgl. § 16 KStG vom 16. Oktober 1934, RGBl I, 1031).
Bei der Auflösung der inländischen Betriebstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft oder bei deren Verlegung ins Ausland wandern Werte ab, die in den bisherigen Steuerbilanzen der Betriebstätte nicht oder unter dem gemeinen Wert angesetzt waren. Die Verlegung der Betriebstätte ins Ausland bzw. ihre Auflösung ist die letzte Möglichkeit für eine inländische Besteuerung der in der Betriebstätte ruhenden stillen Reserven. Aus diesem Grunde sollen sie im Zeitpunkt der Auflösung oder Verlegung als Teil des Gewinns des letzten Steuerabschnitts erfaßt werden.
Auch die Übertragung des Betriebsvermögens einer Betriebstätte als Ganzes auf einen anderen stellt nach dem Wortlaut des Gesetzes einen Vorgang dar, der zur Auflösung und Versteuerung stiller Reserven führen soll. Die Regelung beruht auf dem Gedanken, daß bei einem Verzicht auf die sofortige Aufdeckung und Versteuerung der in dem eingebrachten Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven die spätere Besteuerung nicht gesichert wäre (vgl. hierzu Bühler-Paulick, Handkommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 4 zu § 16 KStG). Dieser Gedanke hat auch für den Fall Bedeutung, daß das Betriebsvermögen einer Betriebstätte in eine inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird; denn in diesem Fall wäre die Versteuerung derjenigen stillen Reserven nicht gewährleistet, die in den für die Einbringung gewährten Gesellschaftsanteilen stecken und von der einbringenden Kapitalgesellschaft bei der Veräußerung ihrer Anteile an andere Personen versteuert werden müßten (vgl. Erlaß der Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg vom 11. März 1964 53 - S 2522 - 54, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Körperschaftsteuergesetz § 16 Nr. 1; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses über den Regierungsentwurf des Umwandlungs-Steuergesetzes - UmwStG -, Bundestagsdrucksache - BT-Drucksache - V/4245 zu § 17 Nr. 2).
Die Ansicht der Klägerin, in Fällen dieser Art müßte nach einem in § 15 Abs. 2 KStG zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken von der Besteuerung der im übertragenen Betriebsvermögen ruhenden stillen Reserven abgesehen werden, trifft nicht zu. Der in § 15 Abs. 2 KStG enthaltene Rechtsgedanke, nach dem der in Umwandlungsfällen beim Übergang des Betriebsvermögens sich ergebende Gewinn unter bestimmten Voraussetzungen für die Besteuerung ausscheiden soll, wird zwar vom BFH in gewissen Beziehungen über den Wortlaut der Vorschrift hinaus angewendet (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1971 I R 96/69, BFHE 103, 425, BStBl II 1972, 97). Umwandlungsvorgänge beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften fallen jedoch keinesfalls in den Bereich dieser Vorschrift. Schon der Wortlaut des § 15 Abs. 2 KStG spricht dagegen. Voraussetzung dafür, daß der beim Vermögensübergang sich ergebende Buchgewinn nicht versteuert wird, ist nach § 15 Abs. 2 KStG u. a. , daß das übergehende Vermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft gehört. Diese Beschränkung der gesetzlichen Regelung auf Umwandlungsvorgänge inländischer Kapitalgesellschaften war schon nach früherem Recht - obwohl nicht ausdrücklich im Gesetz verankert - unbestritten (vgl. Evers, a. a. O., Anm. 47 und 32 zu § 18 KStG 1925). In die Neufassung der Vorschrift (§ 15 Abs. 2 KStG 1934) ist das Wort "inländische" im Zusammenhang mit der Erwähnung der übertragenden Kapitalgesellschaft nunmehr ausdrücklich in den Gesetzestext aufgenommen worden. Die Beschränkung der Steuerbefreiung auf Umwandlungsvorgänge inländischer Gesellschaften trägt ihren Sinn schon darin, daß die steuerrechtlichen Umwandlungsvorschriften des KStG (und des UmwStG) an handelsrechtliche Umwandlungsvorgänge anknüpfen, diese aber auf die Umwandlung inländischer Gesellschaften beschränkt sind (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 15. Aufl., Anm. 2 zu § 15 KStG).
Daß die Möglichkeit, stille Reserven in Umwandlungsfällen steuerfrei zu übertragen, auf inländische Kapitalgesellschaften beschränkt bleiben soll, findet ihre Bestätigung in der Regel des UmwStG 1969 (vgl. § 17 Abs. 3 UmwStG 1969; Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 3 zu § 16 KStG und Anm. 58 zu § 17 UmwStG).
Aus den genannten Gründen ist in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das zur Betriebstätte einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehörende Betriebsvermögen in eine inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird, eine Versteuerung der aufgedeckten stillen Reserven vorzunehmen (so im Ergebnis auch Bühler-Paulick, a. a. O., Anm. 4 zu § 16 KStG; Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 3 zu § 16 KStG; Jung, a. a. O., S. 80 ff.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 1966 S. 120; anderer Ansicht Strobl-Kellmann, Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1967 S. 385).
b) Diese Sachbehandlung steht nicht im Widerspruch zu den in Art. 21 Abs. 4 und Abs. 1 DBA-Frankreich enthaltenen Diskriminierungsverboten.
Nach Art. 21 Abs. 4 DBA-Frankreich darf zwar die Besteuerung einer Betriebstätte, die ein Unternehmen eines Vertragsstaates in dem anderen Vertragsstaat hat, in dem anderen Vertragsstaat nicht ungünstiger sein als die Besteuerung von Unternehmen dieses anderen Staates, die die gleiche Tätigkeit ausüben. Aufgrund dieser Vorschrift kann die Klägerin indes nicht verlangen, daß die Gewinne ihrer inländischen Zweigniederlassung in jeder Hinsicht wie Gewinne der Betriebstätte einer inländischen Kapitalgesellschaft besteuert werden (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 1970 I 32/65, BFHE 98, 334, BStBl II 1970, 790). Nach der Rechtsprechung des BFH zu dem insoweit gleichlautenden Art. 12 A Abs. 3 DBA-Schweiz (Urteil vom 8. Januar 1969 I 158/64, BFHE 95, 378, BStBl II 1969, 466) ist es zwar verboten, die wirtschaftliche Betätigung der inländischen Betriebstätte eines ausländischen Unternehmens stärker zu belasten als eine gleichartige Tätigkeit inländischer Unternehmen. Das bedeutet aber lediglich, daß bei Vorliegen gleicher "betriebsbezogener" Besteuerungsmerkmale eine ungleiche Behandlung untersagt ist; erlaubt sind dagegen Besteuerungsunterschiede, sich sich aus "personenbezogenen" Besteuerungsmerkmalen ergeben (vgl. hierzu BFH-Urteil I 158/64). Die Veräußerung des zu einer Betriebstätte gehörenden Betriebsvermögens an eine inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist im Sinne dieser Unterscheidung kein überwiegend "betriebsbezogener" Vorgang. Denn in einem derartigen Fall geht es um einen Wechsel in der Person des Betriebsvermögensinhabers. Bei einem solchen Wechsel können sich - je nachdem, ob es sich bei dem übertragenden Unternehmen um ein inländisches oder ausländisches Unternehmen handelt - Unterschiede in der Erfaßbarkeit der bei der Vermögensübertragung offengelegten stillen Reserven ergeben, die eine steuerlich unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Während im Falle der Veräußerung des Betriebstättenvermögens einer inländischen Kapitalgesellschaft an eine andere inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen die in den erworbenen Anteilen steckenden stillen Reserven bei der Veräußerung der Anteile später einmal versteuert werden müssen, scheidet ein ausländisches Unternehmen mit den entsprechenden stillen Reserven im Vergleichsfall aus der Besteuerung aus, da das Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der übernommenen Anteile aufgrund des DBA-Frankreich nicht der Bundesrepublik, sondern Frankreich zusteht (vgl. Art. 7 Abs. 1 DBA-Frankreich).
Die Besteuerung des Übertragungsgewinns verstößt schließlich auch nicht gegen das an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierungsverbot des Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich. Nach Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich dürfen die Staatsangehörigen eines Vertragsstaates (bzw. die nach dem Recht eines Vertragsstaates errichteten juristischen Personen; vgl. Art. 21 Abs. 2 Nr. 3 DBA-Frankreich) in dem anderen Vertragsstaat keiner Besteuerung oder einer damit zusammenhängenden Verpflichtung unterworfen werden, die anders oder belastender ist als die Besteuerung und die damit in Zusammenhang stehenden Verpflichtungen, denen die Staatsangehörigen des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können.
Eine Verletzung dieses in Art. 21 Abs. 1 DBA-Frankreich enthaltenen Gleichbehandlungsgrundsatzes liegt vor, wenn bei Vorliegen gleicher Verhältnisse je nach Staatsangehörigkeit verschiedene steuerliche Belastungen vorgesehen sind. Im Streitfall ergeben sich die Besteuerungsunterschiede indessen nicht aufgrund unterschiedlicher Staatsangehörigkeit, sondern als Folge der von der Staatsangehörigkeit unabhängigen beschränkten Steuerpflicht (vgl. BFH-Urteile I 158/64, I 32/65).
2. Die Frage, ob im vorliegenden Fall bei der Übertragung des zur Zweigniederlassung der Klägerin gehörenden Betriebsvermögens auf die neu gegründete GmbH ein Übertragungsgewinn bereits in dem hier streitigen Veranlagungszeitraum 1962 entstanden ist, kann indessen nicht abschließend entschieden werden. Dazu bedarf es vielmehr noch der Klärung, in welchem Zeitpunkt die Übertragung stattgefunden hat. Aus den Feststellungen des FG läßt sich nicht erkennen, ob es sich hierbei noch um einen Vorgang des hier streitigen Veranlagungszeitraums 1962 gehandelt hat.
Die Frage, wann die stillen Reserven aus der Betriebsvermögensübertragung aufgedeckt und demgemäß der Besteuerung zu unterwerfen sind, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die in § 16 KStG vorgesehene entsprechende Anwendung des § 14 KStG besagt (sinngemäß) nur, daß für die Ermittlung der beim Vermögensübergang aufgedeckten stillen Reserven der Wert des übertragenen Vermögens dem Vermögen am Schluß des der Übertragung vorangegangenen Wirtschaftsjahres gegenüberzustellen ist. Hieraus ist zu entnehmen, daß der Übertragungsgewinn im Zeitpunkt des Vermögensübergangs realisiert wird.
Die Bestimmung dieses Zeitpunkts richtet sich nicht nach zivilrechtlichen Regeln; es kann somit nicht auf den Zeitpunkt ankommen, in dem nach bürgerlichem Recht das Eigentum an dem zum Betriebsvermögen der Betriebstätte gehörenden Wirtschaftsgütern auf den Übernehmenden übergeht. Für die Beurteilung des Übertragungszeitpunkts sind vielmehr in erster Linie wirtschaftliche Gesichtspunkte maßgebend (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1972 I R 213/69, BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209). Entscheidend ist, von wann an der Erwerber nach dem Willen der Vertragspartner wirtschaftlich über das erworbene Betriebsvermögen verfügen kann. Vollzieht sich dieser Vorgang zu Beginn des ersten Tages nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres, so erfolgt die Übertragung an diesem Tag, nicht etwa schon am vorausgegangenen letzten Tag des abgelaufenen Wirtschaftjahres (vgl. Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 30 zu § 16 des Einkommensteuergesetzes; Die steuerliche Betriebsprüfung 1969 S. 78).
Die Feststellungen des FG enthalten keine Angaben darüber, wann die Klägerin das Betriebsvermögen ihrer Zweigstelle auf die GmbH übertragen hat. Denkbar wäre, daß die Übertragung erst im Jahre 1963 stattfand; in diesem Fall müßte der Klage gegen den auf eine Gewinnrealisierung im Jahre 1962 gestützten Körperschaftsteuerbescheid 1962 stattgegeben werden. Denkbar wäre aber auch, daß das Zweigstellenvermögen der Klägerin zum 31. Dezember 1962 auf eine damals möglicherweise bereits vorhandene Vorgesellschaft der GmbH überging; in diesem Fall wäre der Übertragungsgewinn bereits im Jahre 1962 verwirklicht worden.
Fundstellen
Haufe-Index 70794 |
BStBl II 1974, 255 |
BFHE 1974, 235 |