Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei untypisch langer Postlaufzeit
Leitsatz (redaktionell)
Hat das erstinstanzliche Gericht mit seiner Annahme zur Postlaufzeit eines pflichtgemäß abgesandten Vollstreckungsantrags eine tatrichterliche Feststellung gemäß § 287 ZPO getroffen und die Berufung keine Verfahrensrüge gegen diese Feststellung erhoben, so kommt eine von der Beschwerde gerügte Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei untypisch langer Postlaufzeit nicht in Betracht.
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 2; ZPO §§ 233, 287, 529 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 10. Januar 2007 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 28.879,77 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht.
Rz. 2
1. Das Landgericht hat mit seiner Annahme zur Postlaufzeit eines pflichtgemäß am 1. März 2000 abgesandten Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch den Beklagten eine tatrichterliche Feststellung gemäß § 287 ZPO getroffen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die Berufung eine Verfahrensrüge gegen diese Feststellung erhoben hat. Das Berufungsgericht hatte deshalb das erstinstanzliche Urteil hierauf gemäß § 529 Abs. 2 ZPO nicht nachzuprüfen.
Rz. 3
Eine Abweichung des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei untypisch langer Postlaufzeit (vgl. BGH, Beschl. v. 15. April 1999 – IX ZB 57/98, NJW 1999, 2118; v. 13. Mai 2004 – V ZB 62/03, NJW-RR 2004, 1217, 1218 unter III. 2. c), wie von der Beschwerde gerügt, kommt schon deshalb nicht in Betracht. Im Übrigen sind die rechtlichen Wertungen innerhalb von § 287 ZPO einerseits, § 233 ZPO andererseits nicht ohne weiteres zu vereinheitlichen.
Rz. 4
2. Die von der Klägerin als Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügte Ausübung des tatrichterlichen Aufklärungsermessens ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Rz. 5
a) Soweit die Klägerin zuvor schriftsätzlich den Vortrag des Beklagten zur Zahlungsunfähigkeit der Vollstreckungs- und späteren Insolvenzschuldnerin am 19. März 2000 teilweise mit Nichtwissen bestritten hat, reichte dieses Verhandeln spätestens im landgerichtlichen Schlusstermin nicht mehr aus. In diesem Termin waren die – auch auf Antrag der Klägerin – beigezogenen Insolvenzakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung, welche die Annahme bereits damaliger Zahlungsunfähigkeit der späteren Insolvenzschuldnerin stützten. Dem ist die Klägerin nicht gezielt entgegengetreten. Die Klägerin hat aber vor allem die Zahlungsfähigkeit der Vollstreckungsschuldnerin im Zeitpunkt einer pflichtgemäß bewirkten Pfändung (§ 829 Abs. 3 ZPO) zur Ausräumung eines Anfechtungstatbestandes gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht ausreichend behauptet und unter Beweis gestellt, wie es zur Darlegung der haftungsausfüllenden Kausalität ihr oblegen hätte. Ihr unter Beweis gestellter Vortrag Seite 10 der Berufungsbegründung, auf den die Beschwerdebegründung verweist, lässt nicht auf die damalige Zahlungsfähigkeit der Vollstreckungsschuldnerin schließen (vgl. BGHZ 163, 134, 145). Die behauptete Liquidität der Vollstreckungsschuldnerin und die Erfüllung verschiedener Verbindlichkeiten zeigt nicht, dass keine Liquiditätslücke bestand, dass sie innerhalb von drei Wochen zu beseitigen war oder dass sie 10 v.H. der Schuldenmasse unterschritt.
Rz. 6
b) Der Vortrag der Klägerin zum Zustellungszeitpunkt eines am 14. März 2000 an die Gerichtsvollzieherstelle des Vollstreckungsgerichts übergebenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (bis längstens zum 17. März 2000) betraf keine für die Streitentscheidung zentrale Frage im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Sie war mit den angebotenen Beweismitteln, weil sie die Schnelligkeit hypothetischer Verläufe im Geschäftsgang betraf, auch kaum verlässlich aufzuklären. Das Berufungsgericht hat deshalb die verfassungsrechtlichen Grenzen seines nach § 287 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 ZPO bestehenden Aufklärungsermessens nicht überschritten (vgl. zur Abgrenzung BGH, Urt. v. 6. Oktober 2005 – I ZR 266/02, NJW 2006, 615, 616 f Rn. 28; Beschl. v. 17. Dezember 2006 – IX ZR 173/03, WM 2007, 569 f Rn. 10).
Fundstellen