Leitsatz (amtlich)
Zur Umschreibung eines Unterhaltstitels gegen den nach § 1586b BGB haftenden Erben des Unterhaltsschuldners.
Normenkette
ZPO § 727; BGB § 1586b Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Beschluss vom 03.02.2004; Aktenzeichen 8 WF 114/03) |
AG Tübingen |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 3.2.2004 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 7.000 EUR.
Gründe
I.
Die 1939 geschlossene Ehe der Antragstellerin mit ihrem 1999 verstorbenen Ehemann wurde 1963 aus dessen Verschulden geschieden. Der Ehemann verpflichtete sich durch gerichtlichen Vergleich v. 24.7.1980, an die Antragstellerin (als damalige Klägerin) monatlichen Unterhalt i.H.v. 580 DM zu zahlen. Dieser Betrag sollte jährlich um den gleichen Prozentsatz steigen wie die jährlichen Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Antragsgegner ist der gemeinsame Sohn der Antragstellerin und ihres verstorbenen Ehemannes und zugleich dessen Alleinerbe.
Den Antrag der Antragstellerin, den gerichtlichen Vergleich gem. § 727 ZPO gegen den Antragsgegner als Rechtsnachfolger umzuschreiben und die Vollstreckungsklausel gegen ihn zu erteilen, wies die Rechtspflegerin des AG mit der Begründung zurück, dies sei nicht möglich, da der Antragsgegner als Erbe nach § 1586b BGB nicht Rechtsnachfolger des Unterhaltsschuldners sei. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hob das OLG, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1220 f. (OLG Stuttgart v. 3.2.2004 - 8 WF 114/03, FamRZ 2004, 1220 f.) veröffentlicht ist, den Beschluss der Rechtspflegerin auf und wies sie an, den Antrag unter Berücksichtigung seiner gegenteiligen Rechtsauffassung erneut zu bescheiden und die Umschreibung - vorbehaltlich anderer ihr entgegenstehender Gründe - vorzunehmen.
Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, gehört die Gesamtrechtsnachfolge des Erben zu den typischen Vorgängen, für die § 727 ZPO die Umschreibung eines vorhandenen Titels gegen den Erblasser vorsieht, um dem Gläubiger eine neue Klage gegen den Rechtsnachfolger zu ersparen.
Umstritten ist jedoch die Frage, ob auch ein auf nachehelichen Unterhalt gerichteter Titel gegen den Erben des Unterhaltsschuldners umgeschrieben werden kann.
a) Zum einen wird die Auffassung vertreten, eine Umschreibung sei nicht möglich, weil der Erbe unterhaltsrechtlich nicht Rechtsnachfolger des Unterhaltsschuldners sei. Denn die Unterhaltsverpflichtung sei grundsätzlich personenbezogen und ende jeweils mit dem Tode des Berechtigten oder Verpflichteten. Der "Übergang" der Unterhaltspflicht auf den Erben (§ 1586b BGB) begründe in dessen Person eine eigenständige, inhaltlich mit derjenigen des Erblassers nicht identische Verpflichtung (vgl. OLG Oldenburg v. 22.1.2003 - 12 WF 7/03, FamRZ 2004, 1220; Palandt/Brudermüller, BGB, bis zur 62. Aufl., § 1586b Rz. 10; Staudinger/Baumann, BGB, 12. Aufl., § 1586b Rz. 56; Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1586b Rz. 14; Bamberger/Roth/Bergmann, BGB, § 1586b Rz. 2; Heiß in Heiß/Born, Unterhaltsrecht, 4 Rz. 40; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rz. 145a; Klein in Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1586b Rz. 13; Bergschneider, FamRZ 2003, 1049 [1055]; Hambitzer FamRZ 2001, 201 [203]; Dieckmann, FamRZ 1977, 161 [171]).
b) Demgegenüber halten eine Umschreibung - mit dem Beschwerdegericht - für zulässig: OLG Koblenz v. 15.7.2003 - 11 WF 520/03, FamRZ 2004, 557, m.zust.Anm. Diener, FamRZ 2004, 557 f.; OLG Frankfurt FF 2003, 68 f.; Maurer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1586b Rz. 13; Erman/Graba, BGB, 11. Aufl., § 1586b Rz. 13; RGRK/Cuny, 12. Aufl., § 1586b Rz. 17; Soergel/Häberle, BGB, 12. Aufl., § 1586b Rz. 4; Griesche in FamGb, § 1586b Rz. 5; Hoffmann/Stephan, Ehegesetz, 2. Aufl., § 70 Rz. 7; OLG Karlsruhe OLGZ 1977, 121 f. zur Beitragspflicht nach § 60 EheG).
c) Der BGH hat die Praxis einiger Gerichte, für einen Unterhaltstitel gegen den verstorbenen Ehemann die Vollstreckungsklausel gegen den haftenden Erben zu erteilen, nicht nur - wie das Beschwerdegericht ausführt - unbeanstandet gelassen (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2000 - XII ZR 165/98, BGHZ 146, 114 [115] = BGHReport 2001, 76 = MDR 2001, 453), sondern in einer früheren Entscheidung bereits ausdrücklich gebilligt, indem er ausgeführt hat, es unterliege keinem rechtlichen Zweifel, dass einem bereits gegen den unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten vorliegenden Titel die Vollstreckungsklausel gegen den nach § 70 EheG haftenden Erben erteilt werden kann. Zugleich hat er erkennen lassen, dass für die mit § 70 Abs. 1 EheG wortgleiche Neuregelung des § 1586b Abs. 1 S. 1 BGB nichts Anderes gelte (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1984 - IVb ZR 49/83, MDR 1985, 477 = FamRZ 1985, 164 [165] unter Hinweis auf Richter in MünchKomm/BGB, 1. Aufl., § 1586b Rz. 5).
Daran hält der Senat fest. Denn die Möglichkeit der Umschreibung des Titels entspricht dem Bestreben des Gesetzgebers, eine dauerhafte Sicherung des unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten über den Tod des Unterhaltspflichtigen hinaus zu schaffen (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.1984 - IVb ZR 49/83, MDR 1985, 477 = FamRZ 1985, 164 [165 f.]), die andernfalls zumindest vorübergehend in Frage gestellt wäre, wenn erst ein neuer Titel erstritten werden müsste. Zugleich dient die Umschreibung aus den vom Beschwerdegericht und vom OLG Frankfurt (OLG Frankfurt FF 2003, 68 f. [69]) näher dargelegten Gründen dem Gebot der Prozessökonomie. Der Gegenmeinung, die ihre rechtlichen Bedenken gegen eine Umschreibung auf fehlende Identität der Ansprüche gegen den Erblasser und gegen den Erben stützt, ist zudem entgegenzuhalten, dass sich die Rechtsnatur der auf den Erben übergegangenen Unterhaltspflicht nicht ändert (BGH, Urt. v. 14.11.1984 - IVb ZR 49/83, MDR 1985, 477 = FamRZ 1985, 164 [165]; v. 28.1.2004 - XII ZR 259/01, BGHReport 2004, 663 = MDR 2004, 751 = FamRZ 2004, 614 [615], m. krit. Anm. Büttner FamRZ 2004, 616 [617]). Andernfalls hätte das Gesetz in § 1586b Abs. 1 S. 1 BGB (und zuvor in § 70 Abs. 1 EheG) nicht von einem "Übergang" der "Unterhaltspflicht" sprechen können. Allenfalls die Höhe der auf den Erben übergehenden Unterhaltspflicht und der Umfang seiner Haftung für sie ändern sich (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2000 - XII ZR 165/98, BGHZ 146, 114 [117] = BGHReport 2001, 76 = MDR 2001, 453). Es erscheint auch nicht unbillig, den Erben darauf zu verweisen, dies ggf. im Wege der Abänderungsklage nach § 323 ZPO oder der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO geltend zu machen, wobei auch ein Vorbehalt der Haftung nach § 780 Abs. 1 ZPO in Betracht kommen kann (vgl. BGH, Urt. v. 29.11.2000 - XII ZR 165/98, BGHZ 146, 114 [116, 117 f.] = BGHReport 2001, 76 = MDR 2001, 453).
2. Etwas Anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass es sich im vorliegenden Fall bei dem umzuschreibenden Titel um einen gerichtlichen Unterhaltsvergleich handelt, der die Folgen einer vor dem 1.7.1977 ausgesprochenen Ehescheidung regelt.
a) Für den Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben steht einem Urteil auf Geschiedenenunterhalt ein (Prozess-)Vergleich jedenfalls dann gleich, wenn er eine bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht nur ausgestaltet und konkretisiert - unselbstständige Unterhaltsvereinbarung -. Bei einer selbstständigen Unterhaltsvereinbarung wäre hingegen zu prüfen, ob diese auch über den Tod des Verpflichteten hinaus fortgelten sollte (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1586b Rz. 9).
Hier liegt indes eine nur unselbstständige Unterhaltsvereinbarung vor, da eine selbstständige nur anzunehmen ist, wenn besondere Anhaltspunkte dafür sprechen (vgl. BGH, Beschl. v. 23.1.1985 - IVb ARZ 63/84, MDR 1985, 478 = FamRZ 1985, 367 [368]; OLG Bamberg v. 1.4.1999 - 2 UF 20/99, OLGReport Bamberg 1999, 205 = MDR 1999, 1139 = FamRZ 1999, 1278 [1279]). Die Unterhaltspflicht des 1963 aus seinem Verschulden geschiedenen Erblassers ergab sich hier aus § 58 Abs. 1 EheG und war von ihm in einem gerichtlichen Vergleich v. 10.1.1963, dessen Laufzeit allerdings auf fünf Jahre begrenzt war, i.H.v. 550 DM monatlich ausdrücklich anerkannt worden mit der Maßgabe, dass 1967 der Versuch einer neuen Unterhaltsvereinbarung unternommen werden sollte. Durch den Vergleich v. 24.7.1980 kam eine solche Vereinbarung zu Stande, ohne dass ersichtlich wäre, dass damit nunmehr ein vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch völlig gelöster, rein vertraglicher Anspruch begründet werden sollte. Soweit dieser Vergleich eine Abänderung gem. § 323 BGB ausschloss, stellt dies noch keinen sicheren Anhaltspunkt für eine selbstständige Unterhaltsvereinbarung dar (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1990 - XII ZR 87/89, FamRZ 1999, 673 [674]).
b) Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob sich der Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben gem. Art. 12 Nr. 3 Abs. 2 S. 1 des 1. EheRG weiterhin nach § 70 EheG richtet, weil die Ehe der Klägerin vor dem 1.7.1977 geschieden wurde, oder nach § 1586b BGB, wie das Beschwerdegericht anzunehmen scheint, etwa weil der Unterhaltsvergleich nach diesem Zeitpunkt geschlossen wurde. Für die hier allein zu beurteilende Frage, ob dieser Titel gegen den Erben umzuschreiben ist, ist dies unerheblich, da § 70 Abs. 1 EheG und § 1586b Abs. 1 S. 1 BGB den Übergang der Unterhaltspflicht auf den Erben wortgleich regeln.
3. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde schließlich geltend, einer Umschreibung des Titels stehe im vorliegenden Fall jedenfalls entgegen, dass die auf den Antragsgegner als Erben übergegangene Verpflichtung zu nachehelichem Unterhalt zugleich dessen Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin als seiner Mutter (Elternunterhalt, §§ 1601 ff. BGB) tangiere. Denn die Rechtsnatur der auf ihn als Erben übergegangenen Unterhaltsverpflichtung ändert sich auch nicht dadurch, dass er - möglicherweise - aus einem anderen Rechtsgrund der Gläubigerin zugleich Elternunterhalt schuldet.
Fundstellen
Haufe-Index 1212036 |
BGHZ 2005, 186 |
NJW 2004, 2896 |
BGHR 2004, 1555 |
EBE/BGH 2004, 293 |
FamRZ 2004, 1546 |
FuR 2004, 555 |
ZEV 2004, 429 |
DNotZ 2005, 134 |
ErbBstg 2004, 245 |
FPR 2004, 591 |
FPR 2005, 310 |
FPR 2006, 167 |
InVo 2005, 26 |
JA 2005, 166 |
MDR 2005, 95 |
FF 2005, 52 |
FamRB 2004, 397 |
ZFE 2004, 348 |
ZNotP 2004, 490 |
JWO-FamR 2004, 292 |