Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters
Leitsatz (redaktionell)
Der vorläufige Insolvenzverwalter hat keinen Anspruch auf Verzinsung seiner festzusetzenden Vergütung, da die Vorschriften der ZPO über die Kostenerstattung in Ermangelung entgegengesetzter Interessen der Verfahrensbeteiligten nicht anwendbar sind.
Normenkette
ZPO § 104 Abs. 1 S. 2; InsO § 4
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 17.02.2003) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 23. Zivilkammer des LG Darmstadt v. 17.2.2003 wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.547,77 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des AG - Insolvenzgerichts - Offenbach am Main v. 7.2.2000 zum vorläufigen Verwalter in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der K. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) bestellt. Die Bestellung endete mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Bestellung des Beschwerdeführers zum Insolvenzverwalter durch Beschluß v. 15.3.2000.
Der Beschwerdeführer hat am 22.8.2001 beantragt, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer auf 33.927,71 DM (17.346,96 Euro) festzusetzen. Mit Schriftsatz v. 8.4.2002 hat er zudem beantragt, die festzusetzende Vergütung seit Eingang des Festsetzungsantrags i. H. v. 5 % über dem Basiszinssatz (8,62 %, § 247 Abs. 1 S. 1 BGB) zu verzinsen.
Mit Beschluß v. 6.8.2002 hat das AG - Insolvenzgericht - die Festsetzung von Zinsen abgelehnt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LG Darmstadt mit Beschluß vom 17.2.2003 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); es hat indessen keinen Erfolg. Dem Beschwerdeführer stehen keine Zinsen auf die Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter zu. Außerdem kann weder eine "Kompensation" durch einen gesonderten Zuschlag zur Verwaltervergütung noch eine Erstattung von "Vorfinanzierungsauslagen" erfolgen.
1. Schon unter der Geltung der Konkursordnung und der Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters, des Vergleichsverwalters, der Mitglieder des Gläubigerausschusses und der Mitglieder des Gläubigerbeirats (VergVO) v. 25.5.1960 (BGBl. I, 329) war eine Verzinsung der festzusetzenden Vergütung nicht vorgesehen. Auch die Insolvenzordnung und die insolvenzrechtliche Vergütungsordnung (InsVV) ordnen keine Verzinsung der Vergütung ab Eingang des Festsetzungsantrags an.
a) Ein dahingehender Anspruch ergibt sich - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - insbesondere nicht aus § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 4 InsO. Allerdings wird in der Literatur (Wasner, ZinsO, 1999, 132 [134]; Hess in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 9 InsVV Rz. 37 ff.) teilweise die Meinung vertreten, ein Ausgleich des dem vorläufigen Insolvenzverwalter durch die verspätete Festsetzung seiner Vergütung eintretenden Schadens solle dadurch erfolgen, dass das Gericht in entsprechender Anwendung des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 4 InsO die Vergütung verzinse. Die §§ 103 ff. ZPO seien auch im Insolvenzverfahren anwendbar (so auch Schmerbach in FK-InsO, 3. Aufl., § 2 Rz. 34, § 4 Rz. 9; Becker in Nerlich/Römermann, InsO, § 4 Rz. 27). Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenerstattung können im Insolvenzverfahren jedoch nur angewendet werden, soweit sich Verfahrensbeteiligte mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen (OLG Zweibrücken v. 9.4.2002 - 3 W 236/01, RPfleger 2002, 477; unter Bezugnahme auf OLG Köln v. 2.5.2001 - 2 W 56/01, ZIP 2001, 1209 [1210 f.]; ebenso Ganter in MünchKomm/InsO, § 4 Rz. 27; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 4 Rz. 16; Kirchhof in HK-InsO, 3. Aufl., § 4 Rz. 7; Goetsch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 4 Rz. 11 ff.; gegen die Anwendbarkeit von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO aus anderen Gründen auch von Holdt, ZInsO 2002, 1122 [1123]). Dies trifft auf den vorläufigen Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Schuldner nicht zu.
b) Wenn der vorläufige Insolvenzverwalter keinen Anspruch auf Verzinsung seines Vergütungsanspruchs ab Eingang des Festsetzungsantrags hat, wird er damit nicht schlechter behandelt als vergleichbare Berufsgruppen.
Aus § 19 Abs. 2 S. 3 BRAGO, der auf § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO verweist und damit eine Verzinsung des Gebührenanspruchs des Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten ermöglicht, kann die Rechtsbeschwerde nichts herleiten. Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts ist mit dem Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht vergleichbar. Die Rechtsanwaltsgebühren werden auf vertraglicher Grundlage geschuldet; lediglich ihre Höhe bemisst sich nach dem Gesetz (§ 1 Abs. 1 BRAGO). Demgegenüber beruht der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht auf einem Vertragsverhältnis, sondern auf einer Bestellung des Verwalters durch das Insolvenzgericht (§ 56 InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter nimmt nicht die Interessen eines Mandanten, sondern eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahr (BGH v. 5.12.1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233 [238] = MDR 1992, 253). Er ist Träger eines privaten Amtes (Graeber in MünchKomm/InsO, § 56 Rz. 107).
Die Vergütungsansprüche des Vormunds (§§ 1836 bis 1836b BGB), der ebenfalls ein privates Amt wahrnimmt, sind nur im Falle des Verzuges zu verzinsen (LG Stuttgart BtPrax 1999, 158; LG Hildesheim v. 27.4.2001 - 5 T 175/01, FamRZ 2001, 1642; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl,. § 1835 Rz. 1, § 1836a Rz. 11), also nicht schon ab Eingang des Festsetzungsantrags. Für den Betreuer gilt Entsprechendes (§ 1908i Abs. 1 S. 1 BGB). Ein Anspruch auf Verzinsung der Vergütung oder Entschädigung im Festsetzungsverfahren nach § 16 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) v. 1.10.1969 (BGBl. I, 1756) wird abgelehnt (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 21. Aufl., § 16 Rz. 9.6).
c) Dieser Rechtszustand ist interessengerecht. Wie sich aus den Darlegungen der Rechtsbeschwerde ergibt, billigt sie der Festsetzungsstelle durchaus eine angemessene Zeit für die Bearbeitung des Festsetzungsantrags zu. Sie will nur nicht hinnehmen, dass "das die Antragsbearbeitung verschleppende Gericht dem Verwalter faktisch einen zinslosen Zwangskredit zu Gunsten der Masse abnötigt". Dann schießt sie mit dem Begehren einer Verzinsung ab Eingang des Festsetzungsantrags über das Ziel hinaus.
2. Eine Verzinsung unter dem Gesichtspunkt des Verzuges kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters ist eine Verbindlichkeit des Schuldners, nicht des Insolvenzgerichts.
Ein Verzug des Schuldners setzt voraus, dass seine Verpflichtung auch der Höhe nach feststeht. Bis zur Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht ist das Unterlassen der Leistung nicht schuldhaft. Dies ist auch für die Vergütung des Vormunds anerkannt (BayObLG v. 19.10.2001 - 3Z BR 216/01, FamRZ 2002, 767; OLG Zweibrücken v. 9.4.2002 - 3 W 236/01, RPfleger 2002, 477; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1835 BGB Rz. 1).
3. Die Rechtsbeschwerde rügt, sowohl im Festsetzungs- als auch im Beschwerdeverfahren sei verfahrensfehlerhaft ein Hinweis darauf unterblieben, dass die lange Vorfinanzierung der Vergütung durch den Beschwerdeführer mittels eines Zuschlags gem. § 3 Abs. 1 InsVV hätte aufgefangen werden können. Diese Rüge ist unberechtigt.
Entgegen einer in der Literatur vertretenen Meinung (Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 9 InsVV Rz. 32) kann der Nachteil, dass der vorläufige Insolvenzverwalter während der Dauer der Bearbeitung seines Antrags nicht über den Betrag seiner Vergütung verfügen kann, nicht als Zuschlag i. S. v. § 3 Abs. 1 InsVV geltend gemacht werden.
Die Vorschrift des § 3 InsVV ist eine Konkretisierung des bereits in § 63 S. 2 InsO enthaltenen materiellrechtlichen Grundsatzes, dass dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters durch Abweichungen von dem nach § 2 InsVV ermittelten Regelsatz Rechnung getragen werden muss (Blersch in Breutigam/Blersch/Goetsch, InsO, § 3 InsVV Rz. 1). Dem entsprechend betrifft die Aufzählung in § 3 Abs. 1 InsVV ausschließlich Umstände, die auf den Arbeitsaufwand des (vorläufigen oder endgültigen) Insolvenzverwalters gemünzt sind. Die Dauer der Bearbeitung des - nach der Beendigung der Verwaltertätigkeit gestellten - Festsetzungsantrags lässt sich damit nicht vergleichen.
4. Die Vorfinanzierung der Vergütung lässt sich auch nicht unter den Begriff der "Auslagen" i. S. v. § 4 Abs. 2 InsVV fassen. Als Auslagen zu erstatten sind dem vorläufigen Insolvenzverwalter gem. § 4 Abs. 2, § 10 InsVV "besondere Kosten", die ihm im Einzelfall - über die allgemeinen Geschäftsunkosten hinaus - tatsächlich entstanden sind. Als Beispiel für diese besonderen Kosten nennt die Verordnung den Aufwand durch Reisen. Zu diesen besonderen Kosten gehört der Zinsverlust des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht, der damit verbunden ist, dass zwischen der Einreichung des Festsetzungsantrags und der Festsetzung durch das Gericht zwangsläufig eine gewisse Zeit vergeht. Er kann die Qualität als besondere Kosten auch dann nicht erlangen, wenn der Zeitraum im Einzelfall größer ist, als der Antragsteller von sich aus zugesteht. Die damit verbundenen Nachteile sind auch nicht als "Vorfinanzierungsauslagen" erstattungsfähig, solange der vorläufige Insolvenzverwalter nicht dartut, dass er etwas Anderes als die allgemeinen Geschäftsunkosten vorfinanziert hat. Insofern ist der Vortrag des Beschwerdeführers unergiebig.
5. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedeutet der Standpunkt des Beschwerdegerichts keinen rechtserheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
a) Zwar lässt es sich mit Art. 12 Abs. 1 GG nicht vereinbaren, einen Staatsbürger für Aufgaben des öffentlichen Interesses umfangreich in Anspruch zu nehmen, ohne ihn hierfür angemessen zu bezahlen. Die gesetzlichen Vergütungsregeln für Insolvenzverwalter sind daher an diesem Maßstab zu messen (vgl. BVerfG v. 1.7.1980 - 1 BvR 349/75, 1 BvR 378/76, BVerfGE 54, 251 [271] = MDR 1980, 995; v. 31.10.1984 - 1 BvR 35/82, 1 BvR 356/82, 1 BvR 794/82, BVerfGE 68, 193 [216] = MDR 1985, 818; v. 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, BVerfGE 88, 145 [160] = MDR 1993, 753).
b) Der Grundsatz der leistungsangemessenen Vergütung (vgl. dazu zuletzt BGH, Beschl. v. 24.6.2003 - IX ZB 453/02, BGHReport 2003, 1245 = MDR 2003, 1252 = WM 2003, 1869 [1870]; v. 17.7.2003 - IX ZB 10/03, BGHReport 2003, 1241 = MDR 2003, 1441 = WM 2003, 1871) wird jedoch nicht nennenswert eingeschränkt, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter auf seinen Vergütungsanspruch bis zur Festsetzung durch das Insolvenzgericht keine Zinsen oder eine den Zinsen vergleichbare "Kompensation" erhält.
Der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters, der schon mit der Tätigkeit und nicht erst mit der Festsetzung durch das Gericht entsteht (vgl. BGH v. 5.12.1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233 [242] = MDR 1992, 253), ist auf eine unverzügliche Erfüllung gerichtet. Insofern gibt es keinen Unterschied zu dem Vergütungsanspruch des endgültigen Insolvenzverwalters (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 1.10.2002 - IX ZB 53/02, MDR 2003, 174 = BGHReport 2003, 204 = NJW 2003, 210). Deshalb hat das Gericht die Festsetzung mit der gebotenen Beschleunigung vorzunehmen.
Das Risiko einer verzögerten Festsetzung kann der vorläufige Insolvenzverwalter durch Vorschüsse auf seine Vergütung vermindern (§§ 9, 10 InsVV; dazu Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 11 Rz. 82). Steht ihm die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners zu (§ 22 Abs. 1 InsO), kann er mit Zustimmung des Insolvenzgerichts daraus ohne weiteres den Vorschuss entnehmen. Andernfalls kann ihm das Insolvenzgericht im Einzelfall nach § 22 Abs. 2 InsO Verfügungen über das Vermögen des Schuldners gestatten (Haarmeyer in MünchKomm/InsO, § 22 Rz. 131 f.; Kirchhof in HK-InsO, § 22 Rz. 48; Eickmann, InsO, § 11 InsVV Rz. 28 - Vergütungsrecht) oder dem Schuldner aufgeben, einen bestimmten Betrag als Vorschuss auf die Vergütung zu zahlen. Bei alledem hat das Insolvenzgericht nicht kleinlich zu verfahren. Es hat - freilich unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse, insbesondere der regelmäßig geringeren Dauer der vorläufigen Insolvenzverwaltung - nach ähnlichen Grundsätzen zu verfahren wie bei der endgültigen Insolvenzverwaltung (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 1.10.2002 - IX ZB 53/02, MDR 2003, 174 = BGHReport 2003, 204 = NJW 2003, 210).
Für den Fall der schuldhaften Verzögerung oder Versagung eines beantragten Kostenvorschusses durch das Insolvenzgericht kommt ein Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG) in Betracht.
Fundstellen
BGHR 2004, 709 |
ZInsO 2004, 268 |
RVGreport 2004, 199 |