Leitsatz (amtlich)
Der Insolvenzverwalter muss den Fortbestand seiner Berechtigung als Rechtsnachfolger i.S.d. § 727 Abs. 1 ZPO durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweisen.
Normenkette
ZPO § 727 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Stuttgart (Beschluss vom 28.07.2004; Aktenzeichen 10 T 254/04) |
AG Stuttgart |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Stuttgart v. 28.7.2004 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Wert: bis 500 EUR
Gründe
I.
Die K.-GmbH erwirkte gegen den Schuldner einen Vollstreckungsbescheid. Mit Beschluss des AG - Insolvenzgerichts - wurde über das Vermögen der K.-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet und der Antragsteller als Insolvenzverwalter bestellt. Unter Hinweis auf diesen Umstand beantragte der Antragsteller bei dem Vollstreckungsgericht, den Vollstreckungsbescheid auf ihn als Insolvenzverwalter umzuschreiben. Zu diesem Zweck legte er den Eröffnungsbeschluss und die Bestallungsurkunde in von ihm beglaubigter Kopie vor.
Das AG hat den Antrag auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel zurückgewiesen, weil die Urkunden nicht in der Form des § 727 ZPO vorgelegt worden und die Rechtsnachfolge nicht offenkundig sei.
Im Beschwerdeverfahren hat sich der Antragsteller darauf berufen, dass das zuständige Insolvenzgericht sämtliche relevanten Daten im Internet veröffentliche und seine Rechtsnachfolge damit offenkundig sei.
Das LG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag auf Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel weiter.
II.
Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Gemäß § 727 ZPO kann dem Insolvenzverwalter, soweit der Anspruch das von ihm verwaltete Vermögen betrifft, eine vollstreckbare Ausfertigung eines zu Gunsten des Insolvenzschuldners ergangenen Vollstreckungsbescheids erteilt werden, wenn er seine Funktion durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachweist oder sie bei dem Gericht offenkundig ist. Der Antragsteller hat entsprechende öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden zum Nachweis seines Amtes nicht vorgelegt. Entscheidend ist daher, ob wegen Offenkundigkeit auf einen Nachweis durch derartige Urkunden verzichtet werden kann.
1. Das Beschwerdegericht hat Offenkundigkeit verneint. Aus der Veröffentlichung der Bestellung im Bundesanzeiger ließen sich keine sicheren aktuellen Erkenntnisse für den Fortbestand der Bestellung gewinnen. Allein die Einstellung entsprechender Informationen des Insolvenzgerichts in das Internet könne nicht zur Annahme der Offenkundigkeit führen, weil der Nutzerkreis des Internets zwar groß sein möge, seine Nutzung aber noch nicht derart verbreitet sei, dass eine Gleichstellung mit den Printmedien möglich wäre.
2. Die Rechtsbeschwerde ist demgegenüber der Auffassung, die Ernennung des Antragstellers sei bereits durch die Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Bundesanzeiger offenkundig. Von dem zuständigen Insolvenzgericht würden zudem im Internet auf der Webseite "www.insolvenzbekanntmachungen.de" sämtliche Bekanntmachungen gem. § 9 InsO veröffentlicht. Der aktuelle Verfahrensstand sowie sämtliche relevanten Daten zu dem Insolvenzverfahren seien über diese Webseite allgemein frei zugänglich und damit offenkundig. Darüber hinaus habe der Schuldner die Bestellung des Antragstellers und dessen Berechtigung nach § 727 ZPO nicht bestritten. Nach der Geständnisfunktion des § 138 Abs. 3 ZPO sei daher von der Erfüllung der Umschreibungsvoraussetzungen durch den Antragsteller auszugehen.
3. Das Beschwerdegericht hat zu Recht festgestellt, dass die von dem Antragsteller behauptete Tatsache, Insolvenzverwalter der K.-GmbH zu sein, nicht offenkundig ist.
Auf Grund der Veröffentlichung des Eröffnungsbeschlusses im Bundesanzeiger ist zwar offenkundig, dass der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt wurde. Es ist aber der erforderliche Nachweis, dass er dieses Amt auch weiterhin innehat, nicht geführt.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das zuständige AG die im Insolvenzverfahren vorzunehmenden öffentlichen Bekanntmachungen auf der Webseite "www.insolvenzbekanntmachungen.de" veröffentlicht. Durch das Insolvenzänderungsgesetz v. 26.10.2001 (BGBl. I, 2710) wurde in § 9 Abs. 1 InsO die Möglichkeit geschaffen, die erforderlichen öffentlichen Bekanntmachungen in einem für das Gericht bestimmten elektronischen Informations- und Kommunikationssystem vorzunehmen. Von der in § 9 Abs. 2 InsO erfolgten Ermächtigung, die Einzelheiten der Veröffentlichung zu bestimmen, hat das Bundesministerium der Justiz mit der zum 21.2.2002 in Kraft getretenen Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren im Internet (BGBl. I, 677) Gebrauch gemacht. Gemäß § 1 S. 1 InsIntBekV ersetzt die Veröffentlichung im Internet diejenige im amtlichen Verkündungsblatt, wenn sie durch die Landesjustizverwaltung für das Gericht bestimmt worden ist.
Auf der genannten Webseite werden damit im Internet lediglich die Entscheidungen öffentlich bekannt gemacht, deren Veröffentlichung in der Insolvenzordnung vorgeschrieben ist. Zu diesen Entscheidungen gehört die Entlassung des Insolvenzverwalters nicht. Ob der einmal bestellte Insolvenzverwalter noch im Amt ist, lässt sich daher durch Überprüfung der Webseite "www.insolvenzbekanntmachungen.de" nicht ermitteln.
Der Antragsteller kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Schuldner seiner Behauptung, er sei Insolvenzverwalter der K.-GmbH, nicht widersprochen hat. Ein Geständnis nach § 288 ZPO ist darin nicht zu sehen. Die vom Antragsteller behauptete Tatsache kann auch nicht gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden angesehen werden, weil der Schuldner zu dem Umschreibungsantrag geschwiegen hat. Im Klauselerteilungsverfahren besteht für den Schuldner keine Erklärungslast (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 727 Rz. 20, unter Hinweis auf Münzberg, NJW 1992, 201), wie sie für das Erkenntnisverfahren in § 138 Abs. 1 ZPO bestimmt ist. Die Vorschrift des § 138 Abs. 3 ZPO kommt daher nicht zum Tragen (BGH, Beschl. v. 5.7.2005 - VII ZB 23/05, zur Veröffentlichung bestimmt). Darüber hinaus würde selbst ein Geständnis des Schuldners die Vorlage von Urkunden der in § 727 ZPO bestimmten Art nicht entbehrlich machen, da nicht nur die Rechtsstellung des Schuldners, sondern auch der Insolvenzschuldnerin als Altgläubigerin in Frage steht.
Der Antragsteller kann die Umschreibung des Vollstreckungsbescheids dementsprechend nur erreichen, wenn er die ihm gem. § 56 Abs. 2 InsO erteilte Bestallungsurkunde dem Gericht im Original oder in öffentlich beglaubigter Abschrift vorlegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1397866 |
DStZ 2006, 96 |
BGHR 2005, 1417 |
NJW-RR 2005, 1716 |
JurBüro 2005, 555 |
WM 2005, 1823 |
ZIP 2005, 1474 |
DNotZ 2006, 44 |
InVo 2005, 501 |
MDR 2006, 53 |
NZI 2005, 689 |
Rpfleger 2005, 610 |
ZInsO 2005, 881 |
NZBau 2005, 590 |
VE 2005, 216 |
ZVI 2005, 428 |
ZVI 2006, 66 |
ProzRB 2005, 296 |