Leitsatz (amtlich)
Die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in das Grundbuch kann bei fehlender Bewilligung des Buchberechtigten in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 BGB (i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) nur im Wege der einstweiligen Verfügung erzwungen werden.
Normenkette
BGB § 899; ZPO § 325 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 15. Zivilsenats des OLG Nürnberg vom 26.3.2012 wird auf Kosten des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 50.000 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beteiligte zu 2) ist Erbe des verstorbenen A. K., der als Eigentümer verschiedener Grundstücke im Grundbuch eingetragen ist. Der Beteiligte zu 1), der das Eigentum an diesen Grundstücken für sich in Anspruch nimmt, erhob gegen den Beteiligten zu 2) vor dem Prozessgericht Klage auf Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs. Unter Hinweis auf den laufenden Rechtsstreit und unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung des Prozessgerichts hat der Beteiligte zu 1) beim Grundbuchamt die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks beantragt. Das Grundbuchamt hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der von dem OLG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte zu 1) seinen Antrag weiter.
II.
Rz. 2
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts genügt für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks der bloße Nachweis der Rechtshängigkeit nicht. Erforderlich sei vielmehr eine einstweilige Verfügung, deren Erlass eine Glaubhaftmachung des Hauptsacheanspruchs erfordere. Der Rechtshängigkeitsvermerk habe vergleichbare Wirkungen wie ein Widerspruch, eine Vormerkung oder ein gerichtliches Veräußerungsverbot und könne daher nach der gesetzlichen Wertung keinen geringeren Eintragungsanforderungen unterliegen.
III.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 78 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG). Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht lehnt das Beschwerdegericht es ab, das Grundbuchamt zur Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks anzuweisen.
Rz. 4
1. Die Eintragung eines Vermerks über die Rechtshängigkeit eines Zivilprozesses über das Eigentum oder ein im Grundbuch eingetragenes Recht an einem Grundstück ist im Gesetz nicht vorgesehen; seine Zulässigkeit ist jedoch im Hinblick auf § 325 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 892 Abs. 1 BGB nahezu einhellig anerkannt (vgl. etwa OLG München NJW-RR 2000, 384; OLG Schleswig NJW-RR 1994, 1498; OLG Zweibrücken NJW 1989, 1098; OLG Stuttgart, MDR 1979, 853, 854; Staudinger/Gursky, BGB [2008], § 892 Rz. 264; Kohler in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 899 Rz. 30, § 892 Rz. 61; Lemke/Gottwald, Immobilienrecht, § 76 GBO Rz. 18; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 325 Rz. 50; Toussaint in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 899 Rz. 35; PWW/Huhn, BGB, 7. Aufl., § 899 Rz. 13; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 899 Rz. 7; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 1652; KEHE/Keller, Grundbuchrecht, 6. Aufl., Einl. J 30; Demharter, GBO, 28. Aufl., Anh. zu § 13 Rz. 34; Bauer/von Oefele/Knothe, GBO, 3. Aufl., § 29 Rz. 63; Bohnefeld/Kroiß/Tank, Erbprozess, 4. Aufl., S. 227; Rahn, BWNotZ 1960, 61, 63; Wächter, NJW 1966, 1366; a.A. Lickleder ZZP 114 [2001], 195).
Rz. 5
2. Umstritten ist jedoch, auf welche Weise die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in das Grundbuch gegen den Willen des Betroffenen bewirkt werden kann.
Rz. 6
a) Nach überwiegender Meinung genügt in entsprechender Anwendung von § 22 GBO der gegenüber dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO zu führende Nachweis, dass ein dinglicher Anspruch, der die im Grundbuch verzeichnete Rechtsposition betrifft, rechtshängig geworden ist. Im Gegensatz zum Widerspruch gem. § 899 Abs. 2 BGB sei Anknüpfungspunkt des guten Glaubens beim Rechtshängigkeitsvermerk nicht die materielle Rechtslage, sondern allein die Rechtshängigkeit eines Prozesses. Der Rechtshängigkeitsvermerk sei daher ein Sicherungsmittel von wesentlich geringerem Gewicht. Faktisch werde der im Grundbuch eingetragene Berechtigte nach Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in seiner Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück zwar stark eingeschränkt. Die Gefahr eines endgültigen Rechtsverlusts für den wahren Berechtigten wiege aber schwerer als die nur zeitlich beschränkte Beeinträchtigung des Buchberechtigten (OLG Frankfurt, FGPrax 2009, 250, 251; OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.11.2007 - 5 Wx 29/07, juris Rz. 5; OLG Braunschweig, NJW-RR 2005, 1099, 1100; BayObLG NJW-RR 2003, 234; OLG München, NJW-RR 2000, 384, 385; OLG Schleswig, NJW-RR 1994, 1498, 1499; OLG Zweibrücken, NJW 1989, 1098, 1099; OLG Stuttgart, MDR 1979, 853, 854; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 325 Rz. 102; PWW/Huhn, BGB, 7. Aufl., § 899 Rz. 14; Palandt/Bassenge, BGB, 72. Aufl., § 899 Rz. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 325 Rz. 50; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 70. Aufl., § 325 Rz. 10 f.; Demharter, GBO, 28. Aufl., Anh. zu § 13 Rz. 34; Bauer/von Oefele/Knothe, GBO, 3. Aufl., § 29 Rz. 63; Roth, NJW-Spezial 2010, 359; Krug, FGPrax 2009, 252; Mai, BWNotZ 2003, 108, 110).
Rz. 7
b) Nach anderer Auffassung, der sich auch das Beschwerdegericht angeschlossen hat, erfordert die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks bei fehlender Bewilligung das Vorliegen einer einstweiligen Verfügung. Ein Rechtshängigkeitsvermerk habe für den Betroffenen faktisch die gleiche Wirkung wie ein Widerspruch, da er in aller Regel einer Veräußerung oder einer Belastung des Grundstücks zur Sicherung einer Kreditaufnahme entgegenstehe. Dieser schwere Eingriff in Form der faktischen Grundbuchsperre zu Lasten des Eingetragenen sei nach der von dem Gesetzgeber in § 899 BGB getroffenen Wertung erst dann berechtigt, wenn ein Gericht geprüft und bejaht habe, dass die Begründetheit des Hauptsacheanspruchs jedenfalls glaubhaft gemacht wurde (OLG Schleswig, SchlHA 2012, 348; OLG Köln Rpfleger 2012, 522; Kohler in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 899 Rz. 31; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 899 Rz. 102; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 1654; Grziwotz, IMR 2012, 1119; Wächter, NJW 1966, 1366; Löscher, JurBüro 1966, 267, 272; a.A. Zeising, ZJS 2010, 1, 9: Glaubhaftmachung der Rechtshängigkeit des Hauptanspruchs erforderlich; OLG München, NJW 1966, 1030 und OLG Stuttgart, NJW 1960, 1109: Glaubhaftmachung der Rechtshängigkeit des Hauptanspruchs und der Gefährdung des Anspruchs erforderlich).
Rz. 8
3. Die zweite Meinung ist zutreffend. Bei fehlender Bewilligung kann die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks in entsprechender Anwendung von § 899 Abs. 2 BGB (i.V.m. §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO) nur im Wege der einstweiligen Verfügung erzwungen werden.
Rz. 9
a) Eine Eintragung in das Grundbuch erfordert die Eintragungsbewilligung des Betroffenen. Diese kann durch den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche Urkunde oder durch eine einstweilige Verfügung ersetzt werden. Die Rechtshängigkeit eines dinglichen Anspruchs, der eine im Grundbuch verzeichnete Rechtsposition betrifft, führt nicht zur Unrichtigkeit des Grundbuchs. Daher genügt für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks allein der Nachweis der Rechtshängigkeit nicht. Vielmehr muss angesichts der inhaltlichen Nähe von Rechtshängigkeitsvermerk und Widerspruch (§ 899 Abs. 1 BGB) die vom Gesetzgeber in § 899 BGB für die Eintragung eines Widerspruchs getroffene Wertung auch für den Rechtshängigkeitsvermerk gelten. Nur die einstweilige Verfügung ist daher geeignet, die Eintragungsbewilligung zu ersetzen. Eine solche ist von dem Prozessgericht zu erlassen, wenn das Bestehen des rechtshängigen Anspruchs glaubhaft gemacht worden ist; einer Glaubhaftmachung der Gefährdung der Rechte des Klägers bedarf es dagegen nicht (vgl. § 899 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Rz. 10
aa) Widerspruch und Rechtshängigkeitsvermerk haben ähnliche rechtliche Wirkungen. Nach § 265 Abs. 1 ZPO schließt ein über ein Recht an einem Grundstück anhängiger Rechtsstreit nicht das Recht der Partei aus, das Grundstück zu veräußern. Allerdings wirkt ein Urteil gem. § 325 Abs. 1 und 2 ZPO gegen einen Dritten, der nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger geworden ist, sofern er die Rechtshängigkeit gekannt hat. Durch die Eintragung der Rechtshängigkeit sichert sich die klagende Partei also die Rechtskrafterstreckung gegenüber dem Rechtsnachfolger des Buchberechtigten. Damit kommt dem Rechtshängigkeitsvermerk eine ähnliche Wirkung wie dem Widerspruch zu, mit dessen Eintragung sich die klagende Partei gegen einen Verlust und gegen eine Beeinträchtigung ihrer materiellen Rechtsstellung sichert (vgl. Löscher, JurBüro 1966, 268, 273; Gottwald in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 325 Rz. 99).
Rz. 11
bb) Widerspruch und Rechtshängigkeitsvermerk haben für den verklagten Buchberechtigten auch faktisch dieselben Auswirkungen. Mit einem solchen Vermerk im Grundbuch wird in aller Regel weder die Veräußerung noch eine Belastung zur Sicherung einer Kreditaufnahme gelingen. Aus diesem Grunde ist bereits in den Motiven zu dem Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches eine Vorschrift, die auf den bloßen Antrag hin die Eintragung der Rechtshängigkeit zuließe, als "höchst gefährlich" bezeichnet worden, "weil sie den Beklagten bei offenbarem Ungrunde der Klage den mit der Rechtshängigkeitseintragung verbundenen Nachtheilen preisgeben, nicht selten kreditlos machen und dadurch dem Ruine entgegenführen könnte" (Mot. III, S. 217; vgl. aber auch Prot. III S. 107).
Rz. 12
b) Der Umstand, dass es Situationen gibt, in denen die Glaubhaftmachung des Verfügungsanspruchs nicht gelingt und daher eine einstweilige Verfügung nicht ergeht, rechtfertigt es nicht, für die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks geringere Voraussetzungen aufzustellen. Angesichts der gesetzlichen Wertung kann die Folge nur sein, dass in einem solchen Fall kein Sicherungsmittel eingetragen werden darf. Im Übrigen würde der gesetzlich geregelte Widerspruch bedeutungslos, wenn die Eintragung eines Rechtshängigkeitsvermerks nur an den Nachweis der Rechtshängigkeit gebunden wäre. Denn dann würde der Kläger dem Rechtshängigkeitsvermerk regelmäßig den Vorzug vor der schwieriger zu bewirkenden Eintragung eines Widerspruchs geben (Wächter, NJW 1966, 1366, 1367).
IV.
Rz. 13
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1, 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 131 Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 1 KostO. Maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse an der Sicherung des im Hauptsacheverfahren verfolgten Anspruchs auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung.
Fundstellen
Haufe-Index 3706223 |
NJW 2013, 2357 |
NJW 2013, 6 |
EBE/BGH 2013 |
FamRZ 2013, 952 |
FGPrax 2013, 100 |
NZM 2013, 623 |
ZfIR 2013, 423 |
DNotZ 2013, 765 |
JZ 2013, 357 |
MDR 2013, 839 |
NJ 2013, 7 |
Rpfleger 2013, 377 |