Entscheidungsstichwort (Thema)
falsche Verdächtigung
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 29. Juni 2001 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten – nach Abtrennung und Aussetzung des Verfahrens wegen Vergewaltigung – wegen falscher Verdächtigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Seine hiergegen eingelegte Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts behauptete der Angeklagte anläßlich einer polizeilichen Vernehmung im Mai 2000 wider besseres Wissen, ein früherer Lebensgefährte der Zeugin R. habe deren (1967 geborene) Tochter A.R. „als Kind sexuell mißbraucht”. Dem Angeklagten war dabei klar, daß gegen den von ihm verdächtigten Zeugen M. ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden würde. Dies wollte er auch; Zweck seines Vorgehens war dabei, die Zeugin R., die sich von ihm getrennt und ihn der Vergewaltigung beschuldigt hatte, seelisch zu treffen.
2. Diese Feststellungen reichen zur Verurteilung wegen falscher Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB nicht aus. Hiernach muß der Täter einen anderen einer rechtswidrigen Tat verdächtigen. Die verleumderische Behauptung einer Straftat in der Absicht, gegen eine andere Person ein behördliches Verfahren herbeizuführen, erfüllt den objektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB daher nicht, wenn schon nach dem Inhalt der verdächtigenden Äußerung selbst ausgeschlossen ist, daß diese zu der beabsichtigten behördlichen Reaktion führen kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn es schon nach dem vom Täter dargestellten Sachverhalt an einer Strafverfolgungsvoraussetzung fehlt und daher ein hinreichender Anfangsverdacht nicht gegeben ist (vgl. RGSt 21, 101, 103 f.; OLG Köln JR 1955, 273; OLG Brandenburg NJW 1997, 141, 142; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1997, 37 f.; Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 15 zu § 164; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. Rdn. 5 zu § 164; Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. Rdn. 10 zu § 164, jeweils m.w.N.).
Diese Anforderungen hat das Landgericht hier erkennbar nicht bedacht. Feststellungen dazu, welcher Straftat der Angeklagte den Zeugen M. verdächtigt hat, enthält das angefochtene Urteil nicht. Handelte es sich um eine Tat des sexuellen Mißbrauchs von Kindern im Sinne von § 176 aF StGB, so mußte diese angebliche Tat zu Lasten der 1967 geborenen Zeugin A.R. spätestens im Jahr 1981 begangen worden sein; sie wäre daher zum Zeitpunkt der Verdächtigung verjährt gewesen. Ob der Äußerung des Angeklagten diese Tatsachen oder die Behauptung einer anderen, möglicherweise unverjährten Straftat des Verdächtigten zu entnehmen waren, ergibt sich aus dem Urteil nicht; offen bleibt schon, ob es sich bei den Feststellungen zum Inhalt der Verdächtigung (UA S. 10) um eine wörtliche oder inhaltlich erschöpfende Wiedergabe des Äußerungsinhalts oder um eine wertende Zusammenfassung des Landgerichts handelt. Weiterhin fehlen Feststellungen darüber, wie die Anschuldigung von den Strafverfolgungsbehörden ausgelegt wurde, ob die Frage einer möglichen Verjährung bedacht wurde und ob und in welcher Form der Verdächtigte durch Ermittlungen belastet wurde. Insoweit könnte eine fehlerhafte Sachbehandlung – etwa die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und die Durchführung von Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen trotz offensichtlichen Verjährungseintritts – den Angeklagten nicht belasten (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. Rdn. 15 zu § 164). Der Senat kann auf der Grundlage der Urteilsfeststellungen nicht beurteilen, ob die Verdächtigung nach ihrem konkreten Inhalt hinreichenden Anlaß zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Verdächtigten bot.
3. Der Senat sieht Anlaß zu dem Hinweis, daß abwertende, persönlich gefärbte Ausführungen zur Persönlichkeit des Angeklagten in den Urteilsgründen unterbleiben sollten. Sie gefährden den Bestand des Urteils, wenn sie wie hier die Annahme nahelegen, der Tatrichter habe sich bei der Bemessung einer ungewöhnlich hohen Strafe nicht allein von sachlichen Erwägungen leiten lassen. So lagen etwa abwertende Ausführungen wie die, der Angeklagte sei „ein in jeder Hinsicht gescheiterter Mensch, ein Niemand” (UA S. 18 f.) und „ein im sozialen Sinne höchst lästiger Mensch” und ironisierende Erwägungen wie die, er habe in der Hauptverhandlung eine „normal sterblichen Menschen weit überlegene Eloquenz” gezeigt, ersichtlich außerhalb dessen, was zur Erörterung der Schuldfähigkeit sachgerecht und geboten war.
Unterschriften
Jähnke, Detter, Bode, Rothfuß, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 666329 |
StV 2002, 303 |