Plausible Strafanzeige gegen Vermieter ist kein Kündigungsgrund
Hintergrund: Auf Mobbing und Strafanzeige folgt Kündigung
Der Vermieter einer Wohnung verlangt von der Mieterin nach einer fristlosen Kündigung die Räumung.
Vorausgegangen waren Streitigkeiten über Mängel und Beschädigungen der Wohnung. In mehreren E-Mails kritisierte der Vermieter das Verhalten der Mieterin. Er bescheinigte ihr "Besserwisserei", "Penetranz" und einen "bissigen Eifer" und schrieb, es sei nicht normal, was sie mache.
Am Tag nach der letzten Email wurden innerhalb kurzer Zeit auf den Namen der Mieterin Bestellungen getätigt sowie Kreditanfragen und Anmeldungen bei Dating-Portalen vorgenommen. Hierbei wurden Daten der Mieterin wie ihre Email-Adresse, ihre Anschrift und Telefonnummer sowie ihre Bankverbindung unbefugt genutzt.
Daraufhin erstattete die Mieterin Strafanzeige wegen Nachstellung und Beleidigung und äußerte den Verdacht, der Vermieter stecke dahinter. Sie begründete ihren Verdacht mit dem Hinweis auf Mietstreitigkeiten und die aus ihrer Sicht beleidigenden und unverschämten Nachrichten des Vermieters.
Nachdem er von den Verdächtigungen erfahren hatte, kündigte der Vermieter den Mietvertrag fristlos, hilfsweise ordentlich. Wenig später wurde das Ermittlungsverfahren eingestellt, da der Täter nicht ermittelt werden konnte.
Die anschließende Räumungsklage hatte vor dem Amtsgericht Erfolg, während das Landgericht im Berufungsverfahren einen Kündigungsgrund verneinte.
Entscheidung: Nachvollziehbare Verdächtigung ist nicht pflichtwidrig
Der BGH teilt die Meinung des Landgerichts. Der Vermieter war nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.
Im Ausgangspunkt kann eine Strafanzeige gegen den anderen Vertragspartner eine schwerwiegende Pflichtverletzung sein, die eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen kann. Ob dies der Fall ist, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Eine grundlos falsche Strafanzeige gegen den Vertragspartner kann hierbei einen zur Kündigung berechtigenden Umstand darstellen, ebenso wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben im Rahmen einer Strafanzeige. Bei der Gesamtabwägung ist auch zu berücksichtigen, ob der Anzeigeerstatter zur Wahrnehmung berechtigter eigener Interessen oder staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten gehandelt hat.
Anhand dieses Maßstabs handelte die Mieterin nicht pflichtwidrig. Sie hat bei der Strafanzeige eigene berechtigte Interessen wahrgenommen, da die angezeigten Taten tatsächlich begangen worden waren.
Die Mieterin hat auch weder wissentlich noch leichtfertig falsche Angaben gemacht, als sie den Vermieter verdächtigte. Da der Täter für die Bestellungen Daten verwendet hat, die nicht allgemein zugänglich waren, lag es nahe, diesen im eigenen Umfeld zu vermuten, insbesondere dort, wo es aktuell Konflikte gab. Gegen die Zufallstat eines der Mieterin unbekannten Täters sprach auch, dass es sich um gezielt gegen sie gerichtete Taten handelte, die ihr Schaden zufügen, zumindest aber erheblichen Ärger und Aufwand bereiten sollten, ohne dass dem Täter dadurch selbst ein Vorteil entstanden wäre. Angesichts dessen und des Umstandes, dass die bestehenden Streitigkeiten die Ebene der Sachlichkeit überschritten und eine persönliche Note erreicht hatten, war der Gedanke, der Vermieter habe die Taten begangen, nicht abwegig und der Verdacht nachvollziehbar.
Hinzu kommt, dass die Mieterin nur einen Verdacht geäußert und zu dessen Begründung auf die Mietstreitigkeit verwiesen hat. Damit hat sie einen sachgerechten Ermittlungsansatz geliefert, die weitere Aufklärung aber in die Hände der hierfür zuständigen Ermittlungsbehörden gelegt.
Zwar kann auch eine auf wahren Tatsachen beruhende Strafanzeige eine schwerwiegende Vertragsverletzung darstellen, nämlich dann, wenn diese dazu dienen soll, eine an sich auf dem Zivilrechtsweg zu klärende Streitigkeit zu beeinflussen oder zu klären. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Strafanzeige einen Sachverhalt betraf, der von den bestehenden Mietstreitigkeiten unabhängig war. Auch wollte die Mieterin die Anzeige nicht nutzen, um die auf dem Zivilrechtsweg zu klärende Mietstreitigkeit zu beeinflussen oder zu klären.
(BGH, Beschluss v. 8.8.2023, VIII ZR 234/22)
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