Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Auch nach dem formellen Abschluss des Hauptsacheverfahrens haben Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren jedenfalls dann gem. § 172 Abs. 1 ZPO an den Prozessbevollmächtigten der Partei zu erfolgen, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 8.12.2010 - XII ZB 38/09, FamRZ 2011, 463 = Rpfleger 2011, 214).
Normenkette
ZPO § 120 Abs. 4, §§ 124, 172 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 13. Zivilsenats des OLG Celle vom 2.9.2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgehoben worden ist.
Rz. 2
Der durch Rechtsanwalt D. vertretenen Antragstellerin wurde mit Beschlüssen des LG vom 28.4.2004 und 10.6.2008 ratenfreie Prozesskostenhilfe für eine Werklohnklage bewilligt und Rechtsanwalt D. beigeordnet. Das Hauptsacheverfahren wurde durch einen am 15.8.2008 geschlossenen Vergleich beendet. In der Folgezeit forderte das LG die Antragstellerin wiederholt erfolglos auf, eine Erklärung darüber abzugeben, ob sich die für die Prozesskostenhilfe maßgebenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse merklich geändert hätten.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 4.5.2010 hat das LG die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin am 12.5.2010 zugestellt und Rechtsanwalt D. formlos mitgeteilt worden. Bei ihm ging er am 17.5.2010 ein. Er hat am 17.6.2010 sofortige Beschwerde eingelegt, die das Beschwerdegericht als unzulässig verworfen hat. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 4
Die gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris dokumentiert ist, hält die sofortige Beschwerde für unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 ZPO, eingegangen sei. Maßgebend für den Fristbeginn sei die Zustellung des Beschlusses an die Antragstellerin. Eine Zustellung an Rechtsanwalt D. sei nicht gem. § 172 Abs. 1 ZPO erforderlich gewesen.
Rz. 6
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
a) Das LG hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 2 ZPO aufgehoben, weil die Antragstellerin der Aufforderung nach § 120 Abs. 4 ZPO, sich über eine eventuelle Änderung ihrer Verhältnisse zu erklären, nicht nachgekommen ist. Die Frage, ob diese Aufforderung und der die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufhebende Beschluss der Partei persönlich oder ihrem (früheren) Prozessbevollmächtigten zugestellt werden müssen, wurde in der bisherigen Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (vgl. z.B. Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 120 Rz. 28 und § 124 Rz. 23 sowie Häublein in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 172 Rz. 19, jeweils m.w.N.).
Rz. 8
b) Der BGH hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass auch nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens Zustellungen im Prozesskostenhilfeüberprüfungsverfahren jedenfalls dann gem. § 172 ZPO an den Prozessbevollmächtigten erfolgen müssen, wenn dieser die Partei im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten hat (Beschl. v. 8.12.2010 - XII ZB 38/09, FamRZ 2011, 463 = Rpfleger 2011, 214). Dem schließt sich der Senat an und nimmt auf die dortigen Ausführungen Bezug.
Rz. 9
c) Danach hätte der Beschluss des LG vom 4.5.2010, mit dem die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben wurde, an Rechtsanwalt D. zugestellt werden müssen. Er hatte die Antragstellerin bereits im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren vertreten. Die Zustellung an die Antragstellerin persönlich war nicht wirksam und hat die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 8.12.2010 - XII ZB 38/09, a.a.O., Rz. 30). Die Antragstellerin hat die - auch ansonsten zulässige - sofortige Beschwerde somit fristgerecht eingelegt. Das Beschwerdegericht hat sie zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Sache ist daher an das Beschwerdegericht zur Entscheidung über die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zurückzuverweisen.
Fundstellen
NJW 2011, 8 |
EBE/BGH 2011 |
FamRZ 2011, 1867 |
JurBüro 2012, 94 |
MDR 2011, 1314 |
NJ 2011, 3 |
Rpfleger 2012, 33 |
VuR 2012, 78 |
ZfBR 2012, 28 |
FamRB 2011, 360 |
RVGreport 2012, 38 |
PAK 2012, 21 |