Leitsatz (amtlich)
Im Erbschein ist der Berufungsgrund grundsätzlich auch dann nicht anzugeben, wenn dies beantragt ist.
Normenkette
BGB § 2353
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Hanseatischen OLG - 2. Zivilsenat - vom 7.4.2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 810.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
I. Die Beteiligten sind die Söhne der Erblasserin; ein weiterer Sohn verstarb 2013 kinderlos.
Rz. 2
Mit notariellem gemeinschaftlichen Testament vom 20.10.1982 hatten sich die Erblasserin und ihr Ehemann, der 1984 verstarb, gegenseitig als Alleinerben sowie die Beteiligten als Erben zu gleichen Teilen nach dem Überlebenden eingesetzt. Sie hatten außerdem angeordnet, dass der Überlebende über das ererbte und sein eigenes Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen frei verfügen könne.
Rz. 3
Die Erblasserin errichtete am 17.12.2015 ein weiteres notarielles Testament. Danach sollte es grundsätzlich bei der hälftigen Erbeinsetzung der Beteiligten gemäß dem Testament vom 20.10.1982 verbleiben, wobei detaillierte Regelungen zur Erbauseinandersetzung, insb. im Hinblick auf das vom Beteiligten zu 2) bewohnte Hausgrundstück, erfolgten. Nach dem Tod der Erblasserin wurden 2018 beide Testamente eröffnet.
Rz. 4
Der Beteiligte zu 1) hat gestützt auf das Testament vom 20.10.1982 die Erteilung eines Erbscheins mit dem Inhalt beantragt, dass er und der Beteiligte zu 2) aufgrund gewillkürter Erbfolge Erben zu je 1/2 seien. Er hat behauptet, die Erblasserin sei am 17.12.2015 nicht testierfähig gewesen.
Rz. 5
Das Nachlassgericht hat die für die Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten als Erben zu je 1/2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, ohne in seinem Beschluss festzustellen, auf welchem Testament die Erbfolge beruht. Dagegen hat der Beteiligte zu 1) Beschwerde mit dem Antrag erhoben zu beschließen, dass der Erbschein aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 20.10.1982 erteilt werde. Daraufhin hat das Nachlassgericht den Beschluss dahingehend ergänzt, dass im Erbschein der Eintritt der Erbfolge "aufgrund testamentarischer Verfügung" festzustellen sei. Das OLG hat die Beschwerde zurückgewiesen.
Rz. 6
Hiergegen richtet sich die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1), mit der er seinen Erbscheinsantrag in der Fassung der Beschwerde weiterverfolgt.
Rz. 7
II. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Rz. 8
1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in ErbR 2020, 571 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, das Nachlassgericht habe zu Recht offengelassen, ob es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen aufgrund des Testaments vom 20.10.1982 oder aufgrund des Testaments vom 17.12.2015 für festgestellt erachte, weil nach beiden Testamenten die Beteiligten zu 1/2 Erben geworden seien. Eine Bindung des Nachlassgerichts an ein bestimmtes Testament enthalte die gesetzliche Regelung des § 352 FamFG nicht. Dem Beteiligten zu 1) gehe es um die Klärung der Frage, ob die Teilungsanordnung im Testament 2015 wirksam sei. Dieses auf die Auseinandersetzung der Miterben zielende Rechtsschutzziel sei aber kein tauglicher Gegenstand des Erbscheinsverfahrens. Der Argumentation des Beteiligten zu 1), er könne die Beseitigung der aus seiner Sicht aufgrund des Testaments vom 17.12.2015 unrichtig vorgenommenen Grundbucheintragungen hinsichtlich des Nachlassgrundstücks nur mit der begehrten Angabe im Beschluss des Nachlassgerichts zum genauen Berufungsgrund erreichen, könne nicht gefolgt werden. Denn aus dem Erbschein als solchem gehe auch dann nicht hervor, auf welcher Verfügung er beruhe.
Rz. 9
2. Das hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
Rz. 10
a) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass aus einem Erbschein nicht hervorgeht, auf welcher letztwilligen Verfügung er beruht; der Beteiligte zu 1) kann daher einen Erbschein mit dem Inhalt, den er mit der Rechtsbeschwerde erstrebt, nicht erlangen. Im Erbschein ist der Berufungsgrund auch dann grundsätzlich nicht anzugeben, wenn dies beantragt wird.
Rz. 11
Gemäß § 2353 BGB ist dem Erben auf seinen Antrag hin ein Zeugnis über sein Erbrecht, d.h. darüber, dass der im Erbschein so Bezeichnete Erbe ist, und (ggf.) über die Größe des Erbteils zu erteilen; außerdem sind Anordnungen zu nennen, die den Erben beschränken, vgl. § 2365 BGB. Eine Angabe des Berufungsgrundes sieht der Gesetzeswortlaut dagegen nicht vor. Er ist daher grundsätzlich nicht in den Erbschein aufzunehmen (vgl. , BGB (2016) § 2353 Rz. 426; , BGB 14. Aufl., § 2353 Rz. 29; BeckOK BGB/, § 2353 Rz. 14 [Stand: 1.5.2021]; in Kroiß/Ann/Mayer, BGB 5. Aufl., § 2353 Rz. 5; MünchKomm-BGB/, 8. Aufl., § 2353 Rz. 46; BayObLGZ 1973, 28 unter II 2b; in Firsching/Graf, Nachlassrecht 11. Aufl., § 38 Rz. 115). Nur ausnahmsweise kann er anzugeben sein, etwa wenn dies bei mehrfachem Berufungsgrund (§§ 1951, 2088 BGB) zur Bezeichnung des Umfanges des Erbrechts notwendig ist (vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 17 [juris Rz. 6]; , BGB (2016) § 2353 Rz. 428; MünchKomm-BGB/, 8. Aufl., § 2353 Rz. 26; in Firsching/Graf, Nachlassrecht 11. Aufl., § 38 Rz. 116).
Rz. 12
Dieser beschränkte Inhalt entspricht dem Zweck des Erbscheins, den Erben durch die Richtigkeitsvermutung (§ 2365 BGB) zu legitimieren und den guten Glauben an seine Rechtsstellung zu schützen (§ 2366 BGB). Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB - und damit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB - gilt positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestehen (vgl. BGH, Beschl. v. 26.5.1982 - V ZB 8/81, BGHZ 84, 196 unter 2 [juris Rz. 9]). Der gesetzliche Inhalt des Erbscheins ist strikt dahin begrenzt, dass er das Erbrecht des berufenen Erben und etwaige Einschränkungen desselben zu bezeugen hat (vgl. RGZ 64, 173, 178). Den Beteiligten steht kein Recht zu, eine Ergänzung des Erbscheins zu fordern, die über den gesetzlichen Rahmen des Erbscheins hinausgeht und an dessen Rechtswirkungen nicht Teil hat (vgl. RGZ 64, 173, 178). Ein dennoch angegebener Berufungsgrund nimmt nicht an der Vermutungswirkung der §§ 2365 ff. BGB teil (vgl. , BGB (2016) § 2353 Rz. 426; , BGB 14. Aufl., § 2365 Rz. 4; BeckOK BGB/, § 2353 Rz. 14 [Stand: 1.8.2021]; , BGB 16. Aufl., § 2365 Rz. 4; MünchKomm-BGB/, 8. Aufl., § 2365 Rz. 11).
Rz. 13
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfordert daher auch eine Bindung an den Erbscheinsantrag keine Angabe des darin genannten Berufungsgrunds im Erbschein. § 352 FamFG regelt den Inhalt des Antrags, nicht den Inhalt des Erbscheins. Soweit die herrschende Meinung davon ausgeht, dass dem Erbschein kein anderer als der beantragte Inhalt gegeben werden darf (vgl. BGH, Beschl. v. 11.10.1961 - V BLw 13/60, BGHZ 36, 42 unter II 1 [juris Rz. 7]; RGZ 156, 172, 180; BayObLG FamRZ 2003, 1590, 1592 [juris Rz. 40]; OLG Hamm FamRZ 2013, 1250, 1251 [juris Rz. 5]; OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 17 [juris Rz. 5]; MünchKomm-FamFG/, 3. Aufl., § 352e Rz. 6; , BGB 16. Aufl., § 2353 Rz. 14; in Kroiß/Ann/Mayer, BGB 5. Aufl., § 2353 Rz. 102; BeckOGK/, BGB § 2353 Rz. 294 [Stand: 15.5.2021]; in Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl., § 352e FamFG Rz. 176), betrifft dies nur den gesetzlich bestimmten Inhalt des Erbscheins. Die danach erforderlichen Angaben müssen dem Antrag entsprechen oder er ist abzulehnen.
Rz. 14
Auch § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO macht die Angabe des Berufungsgrundes im Erbschein nicht erforderlich. Nach dieser Vorschrift wird durch den Erbschein die Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt nachgewiesen. Darüberhinausgehende Nachweise zu Rechtsverhältnissen, die sich aus der zugrunde liegenden letztwilligen Verfügung ergeben, werden damit nicht erbracht. Falls der Erbe sein Recht durch Vorlage des Erbscheins nachweist, wird als Grundlage seiner Eintragung als neuer Eigentümer daher im Grundbuch auch nur der "Erbschein" und nicht dessen Tenor oder eine zugrunde liegende letztwillige Verfügung angegeben, § 9 Abs. 1d) Grundbuchverfügung.
Rz. 15
b) Es kann offenbleiben, ob das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass ein Antragsteller seinen Erbscheinsantrag nicht mit Bindungswirkung für das Nachlassgericht auf eines von mehreren Testamenten, aus denen sich die Erbfolge ergeben könnte, beschränken kann. Es hat bereits deshalb im Ergebnis zu Recht die erforderlichen Tatsachen für die Erteilung eines Erbscheins, der die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben zu je 1/2 ausweist, für festgestellt erachtet, weil die Beteiligten aufgrund des Testaments vom 20.10.1982 Erben geworden sind. Ein anderer Berufungsgrund kommt nicht in Betracht, ohne dass es auf die Wirksamkeit des Testaments vom 17.12.2015 ankäme.
Rz. 16
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben in ihrem gemeinschaftlichen Testament vom 20.10.1982 die Beteiligten als Erben des Überlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt. Diese Verfügung hat die Erblasserin nicht aufgehoben oder durch eine andere ersetzt. Im Testament vom 17.12.2015 heißt es vielmehr unter Ziff. III., dass es bei der hälftigen Erbeinsetzung grundsätzlich verbleiben solle und die Erblasserin diese ausdrücklich wiederhole. Nach dem klaren Wortlaut der Testamente beruht daher die Erbenstellung der Beteiligten, die in dem zu erlassenden Erbschein bezeugt werden wird, weiterhin auf der früheren Verfügung. Die sonstigen Anordnungen in dem späteren Testament sind dagegen nicht Gegenstand des Erbscheins.
Fundstellen
Haufe-Index 14901046 |
NJW 2021, 3727 |
NJW 2021, 8 |
FuR 2022, 109 |
DNotI-Report 2021, 174 |
FGPrax 2021, 275 |
JR 2022, 461 |
MittBayNot 2022, 463 |
ZEV 2021, 6 |
ZEV 2022, 39 |
DNotZ 2022, 147 |
JZ 2021, 735 |
JuS 2022, 171 |
MDR 2021, 1538 |
Rpfleger 2022, 76 |
ErbR 2022, 131 |
FamRB 2022, 31 |
NJW-Spezial 2022, 7 |
NotBZ 2022, 182 |
RNotZ 2022, 53 |
ZErb 2022, 11 |
ZNotP 2022, 28 |
ZNotP 2022, 56 |