Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidung über die Kostentragungslast, wenn eine Klage noch vor ihrer Zustellung an den Gegner zurück genommen wird

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Kostentragung unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen (§ 269 Abs. 3 S. 3 Halbs. 2 ZPO) auch in den Fällen, in denen die mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbundene Klage noch vor ihrer Zustellung zurückgenommen wurde.

 

Normenkette

ZPO § 269 Abs. 3 S. 3 Hs. 2 i.d.F. des 1. Justizmodernisierungsgesetzes v. 24.8.2004 (BGBl. I, 2198)

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 10.03.2004; Aktenzeichen 17 W 1/04)

LG Wiesbaden

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 17. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 10.3.2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das OLG zurückverwiesen.

Dem Kläger wird als Rechtsbeschwerdeführer Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Kortüm beigeordnet. Die Partei hat auf die Prozesskosten monatliche Raten von 75 EUR ab 1.4.2005 zu zahlen. Die Zahlungen sind an die Bundeskasse zu leisten.

 

Gründe

I.

Am 6.10.2003 hat der Kläger - nachdem er zuvor der Beklagten vergeblich eine Frist zur Abgabe der Erklärung gesetzt hatte - eine auf Zustimmung der Beklagten in die Kündigung eines gemeinsam abgeschlossenen Bausparvertrags gerichtete Klage eingereicht. Zugleich hat er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Das LG hat der Beklagten eine nicht beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes übersandt und sie aufgefordert, zum Prozesskostenhilfegesuch des Klägers Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat daraufhin die begehrte Zustimmung zur Kündigung des Bausparvertrags erklärt. Der Kläger hat sodann die Klage zurückgenommen und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie durch ihr Verhalten Anlass zur Einreichung der Klage gegeben habe.

Das LG hat daraufhin der Beklagten gem. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO a.F. die Kosten auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das OLG die Entscheidung des LG abgeändert und den Kostenantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Kostenantrag weiter.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das OLG.

1. Nach Auffassung des OLG liegen die Voraussetzungen, die § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (a.F.) für die vom Antragsteller begehrte Kostenentscheidung aufstellt, nicht vor. Die Kostenregelungen des § 269 ZPO bezögen sich auf die Parteien eines Rechtsstreits, zu dem es jedoch erst mit der - hier fehlenden - Zustellung der Klage komme. Für die Regelung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (a.F.) gelte nichts Anderes. Im Prozesskostenhilfeverfahren ergebe sich die Unanwendbarkeit des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (a.F.) im Übrigen bereits daraus, dass eine Kostenerstattung in diesem Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO nicht stattfinde.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Wie der BGH - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, ist die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887) eingefügte Vorschrift des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (a.F.) auch dann anwendbar, wenn eine Klage zurückgenommen wird, bevor sie zugestellt worden ist, und wenn die Zustellung deshalb nachfolgend unterbleibt (BGH, Beschl. v. 18.11.2003 - VIII ZB 72/03, MDR 2004, 525 = BGHReport 2004, 562 = FamRZ 2004, 697; Beschl. v. 18.12.2003 - VII ZB 55/02, ZfBR 2004, 373). Diese Auffassung hat inzwischen mit der Einfügung eines § 269 Abs. 3 S. 3 2. Halbs. ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz v. 24.8.2004 (BGBl. I, 2198) Eingang in das Gesetz gefunden.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil im Prozesskostenhilfeverfahren Gerichtskosten nicht entstanden und außergerichtliche Kosten dem Gegner (gem. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO) nicht zu erstatten sind. Der Kläger hat nämlich nicht nur Prozesskostenhilfe beantragt, sondern zugleich Klage eingereicht. Richtig ist zwar, dass ein als Klage bezeichneter Schriftsatz zunächst nur als ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemeint sein kann. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn in dem Schriftsatz gebeten wird, "vorab" über die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, oder wenn die Klagebegründung in anderer Weise klarstellt, dass eine Klageerhebung noch nicht beabsichtigt ist (BGH, Urt. v. 22.5.1996 - XII ZR 14/95, FamRZ 1996, 1142 [1143]; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 253 Rz. 6). Im vorliegenden Fall sind dem Schriftsatz des Klägers Anhaltspunkte für eine solche Willensrichtung indes nicht zu entnehmen. Der Kläger hat im Gegenteil ausdrücklich erklärt, Klage zu erheben und gleichzeitig um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Von diesem Verständnis geht im Ergebnis - unbeschadet seiner Hilfsbegründung - letztlich wohl auch das OLG aus, da es anderenfalls auf die Zulassungsfrage nach der Anwendbarkeit des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht ankäme.

3. Die angefochtene Entscheidung kann nach allem nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da das OLG - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die ihm nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO obliegende Ermessensentscheidung noch nicht getroffen hat. Die Sache war daher an das OLG zurückzuverweisen, damit es diese Entscheidung nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1332597

BGHR 2005, 884

FamRZ 2005, 794

FuR 2005, 282

NJW-RR 2005, 1015

JurBüro 2005, 322

MDR 2005, 824

AGS 2005, 170

AGS 2005, 458

RVG-B 2005, 86

RVGreport 2005, 396

ProzRB 2005, 116

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